Kapitel 97 – Mentale Schwerter


Mario merkte Philipp die Verzweiflung an. Er wusste, dass es schwierig war und er wollte Verständnis dafür zeigen. Aber er konnte auch Holger verstehen und wie schlecht es ihm ging, wenn Philipp sich ihm so entzog. Gerade wollte Mario ihm noch zustimmen, dass er die Schwierigkeit an der Situation verstand, als er die Bitte des Kapitäns vernahm. Der Stürmer richtete starr seinen vorwurfsvollen Blick auf den Kleineren. Er meinte das tatsächlich ernst...


„Philipp...“, er schluckte beklommen. „Mir fehlen da echt die Worte.“


War es ein Wunder, dass Mario nun auch die Worte fehlten? Ihm selber fehlten sie ja auch oft genug. Wenn nicht gerade auch in diesem Moment. Unsicher sah er Mario an, hoffte, dass er Worte finden würde und hoffte, dass er ihn nicht zu sehr strafen würde.


Aber Mario musste sie wiederfinden, Holger war nicht hier um für sich zu sprechen, deshalb musste Mario das übernehmen und dem Kleineren mal den Kopf zurecht rücken.
„Ich glaube dir ist gar nicht wirklich bewusst, wie wichtig du für Holger bist. Er braucht dich jetzt nicht weniger als vorher um für sein Comeback zu kämpfen. Wenn du ihn jetzt völlig allein lässt und ihm zeigst, dass du nicht mehr mit ihm klar kommst...“ Der Stürmer ließ den Satz offen und schüttelte langsam den Kopf: „Nein. Ich werde das Zimmer nicht mit dir tauschen. Und ich rate dir auch niemand anderes zu fragen. Wenn Holger dir wichtig ist, bleibst du in dem Zimmer.“ Entnervt strich sich Mario kurz durch seine Haare. Wie sollte er da seinen Wechsel durchziehen, wenn hier alles aus dem Ruder lief? Aber diesen Gedanken behielt der Stürmer für sich.


Es war klar gewesen, oder? Mario lehnte ab und er versuchte ihm bewusst zu machen, was Sache war. Aber hatte er es denn nicht schon gewusst? Anscheinend nicht. Philipp sah Mario einfach an und dachte über die Worte nach. Irgendwie war es komisch das jetzt so zu hören. Er wurde mit der Wahrheit konfrontiert. Der gnadenlosen Wahrheit. Holger brauchte ihn und er war einfach nicht für ihn da. Was war er nur für ein Freund? Einer, der mit der Situation gerade einfach nicht klarkam.
„Okay“, er nickte vorsichtig. Was sollte er auch sonst sagen? Er wollte sich eigentlich erklären. Philipp seufzte, lehnte sich an die Wand und stieß mit dem Kopf dumpf dagegen. „Er ist mir wichtig. Was glaubst du denn? Das hat sich doch nicht geändert, aber er… er möchte Sachen von mir, die ich ihm im Moment nicht geben kann und…“, er stockte. Im Moment? Würde es den Moment geben, in dem er das konnte? Irritiert sah er Mario an, ehe er sich von der Wand abstieß.


Mario glaubte sich verhört zu haben. Es war nicht das ''im Moment'', was ihn aus der Fassung brachte. Nicht einmal die verwirrt wirkende Mimik. Viel eher, dass Philipp zu glauben schien, dass Holger bestimmtes von ihm verlangte.


Ich tausche nicht, das hab ich verstanden… wir sehen uns beim Training.“ Dann rauschte er aus dem Zimmer. Ihm fiel nicht mal auf, dass die Tür nicht komplett geschlossen war. Nicht im Entferntesten kam er auf den Gedanken, dass Holger hier vorbeigekommen sein könnte und ihn gehört haben könnte.


Er will einfach nur, dass du weiterhin sein Freund bist“, erwiderte Mario, konnte aber nicht einschätzen, ob der Kapitän es noch hören konnte. Aber erst einmal war er froh, dass er einen Zimmertausch abwenden konnte. Damit hätte Philipp Holger Schach matt gesetzt.

Seufzend schüttelte der Stürmer den Kopf und machte sich auf den Weg zum Trainingsplatz.


Philipp hatte Mario noch gehört. Er wusste bloß nicht, ob er noch mehr als diesen einen Satz gesagt hatte, den schon das letzte Wort hatte er nur noch aus weiter Entfernung gehört. Vielleicht hatte der Stürmer Recht, aber… Holger hatte offensichtlich auf ihn reagiert gestern und er hatte ihn geküsst – mehrfach! Da wollte er nicht mehr von ihm? Philipp wusste doch, wie es war, wenn man verliebt war. Man wollte immer mehr. Berührungen, Liebkosungen, Streicheleinheiten, Küsse… oder einfach auch nur die Nähe des anderen. Nicht mal das konnte Philipp ihm geben.

Philipp eilte nach draußen, da er ja seine Trainingsklamotten wie viele andere schon trug. Thomas, Xherdan, David und einige andere lungerten schon auf dem Platz herum und warteten auf Pep und den Rest. Holger war nicht da. Ob er vorbei kommen würde? Er hatte nicht mal gefragt, was heute bei ihm auf dem Plan stand… Mario hatte Recht. Eigentlich benahm er sich echt wie ein Arsch. Er sollte sich zumindest für ihn und seine Reha interessieren. Nach dem Training würde er das Gespräch mit ihm suchen. Vielleicht konnte er ihm ja so zeigen, dass er ihm nicht egal war.



So viele Gedanken rasten durch Holgers Kopf und alle waren nur so von Enttäuschung geprägt. Es fiel ihm sichtlich schwer sich seinen Frust nicht herauszuschreien, so wie er es auf dem Spielfeld gemacht hätte, wenn ein Gegner eine Schwalbe hingelegt hätte. Schön war die Zeit...
Er griff nach einem Handtuch und verließ schnellen Schrittes – soweit ihm das möglich war – das Zimmer in Richtung Trainingsraum. Er war gespannt, ob er das nächste Mal, wenn er hier aufkreuzen würde, schon Mario als Zimmergenossen begrüßen durfte.


Der Trainingsraum war komplett leer. Gut, bis auf Neuzugang Mario, der im Moment auch verletzungsbedingt nicht mit der Mannschaft trainieren durfte. Holger grüßte ihn, so als wäre nichts vorgefallen, obwohl er innerlich am liebsten gegen irgendetwas geschlagen und dann zu Boden gesackt wäre.
Zu allem Überfluss kam ein Mann von der Presse hinzu, der ihn mit Mario ablichtete, als er sich auf den Fahrradergometer schwang. Gezwungen lächelte er und spielte wieder den gut gelaunten, optimistischen Holger Badstuber, den die Leute sehen wollten. Den Philipp immer sehen wollte.



Beim Training war Philipp voll bei der Sache. Es tat ihm so ungemein gut endlich den Kopf auszuschalten und sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Sie machten nur ein paar Übungen, nichts Wildes. Pep wollte sie bloß beobachten, um sie kennenzulernen, dennoch hing Philipp sich voll rein.



„Ich guck der Mannschaft jetzt noch zu, kommst du mit?“


Holger stimmte zu. Was sollte er sonst tun? Sich in sein Zimmer verkriechen und warten bis Mario aufkreuzte und ihm die ''frohe Botschaft'' überbringen würde?


Zusammen begaben sie sich auf das Außengeländes des prunkvollen Hotels, auf dem sie gleich vom Co-Trainer begrüßt wurden. Während sich Mario in ein Gespräch mit dem anwesenden Müwo vertiefte, blieb Holger am Zaungitter stehen und beobachtete die Mannschaft von weitem. Natürlich fiel der Blick auf Philipp... sogar ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er den kleinen Kapitän spielen sah. Doch es war ein trauriges, mattes Lächeln, weil er wusste, dass er ihn als Freund jetzt offiziell mit dem Verlassen des Zimmers verloren hatte. Es würde nie wieder so sein wie früher.


Nach dem Training griff Philipp seine Wasserflasche vom Rand, trank einen Schluck, schüttete sich dann etwas über den Kopf und schüttelte die nasse Haare, ehe er noch einen Schluck nahm. Mehr zufällig ließ er den Blick schweifen, als er bei Holger hängen blieb, der am Gitter stand.
Traurig lächelnd wandte er den Blick ab. Vermutlich konnte er sich nicht im Entferntesten vorstellen, wie es in ihm drin aussah. Zum Glück wusste er nichts davon, dass er Mario um einen Tausch gebeten hatte und der würde es ihm auch nicht sagen. Philipp musste sich bloß zusammenreißen, dann würde das schon gut gehen mit ihnen beiden. Er musste es sich nur oft genug einreden, dann klappte das. Da war er ganz sicher.


Holger hatte versucht sich auf die Art und Weise, wie Pep Anweisungen gab, zu konzentrieren. Aber spätestens als er mitansehen durfte, wie Philipp sich das Wasser über den Kopf schüttete und die Flüssigkeit aus seinen Haaren tropfte, war die Konzentration dahin. Seine Hände, die er an das Gitter gelegt hatte, ließen von eben jenen ab, als er mit Mario zusammen zu den anderen gebeten wurde.


Pep rief sie noch mal zusammen und winkte auch Mario und Holger zu sich. Er wollte die Chance nutzen, dass sie alle da waren und sprach zu ihnen von seinen Vorstellungen und seinen Plänen für die Zukunft. Aufmerksam hörten alle zu, ehe sie auf ihre Zimmer zum Duschen geschickt wurden. Um Ein Uhr gab es Mittagessen und direkt im Anschluss war ein Ausflug geplant. Sie wollten wohl eine Bootstour machen, was natürlich alle super fanden.


Holger freute sich einerseits auf den Ausflug, anderseits hieß dass, dass er Philipp gezielt aus dem Weg gehen musste. Beinahe war er in Versuchung zynisch aufzulachen. Als ob er sich darum bemühen würde. Der Kapitän ertrug seine Nähe sowieso nicht und würde selbstständig auf Abstand gehen.


Als sich er Trupp also auflöste, suchte Philipp den Kontakt zu Holger. „Hey… ich hab vorhin gar nicht gefragt, wie das bei dir ist… hattest du eben eine Rehaeinheit?“ Das war ein guter Anfang, oder?


Holger wollte sich abwenden, zurück ins Zimmer gehen, als Philipps Stimme ihn erreichte und damit aufhielt zu flüchten. Mit ausdrucksloser Miene sah er ihm entgegen und unterdrückte ein Schnauben. Wollte er jetzt sein Gewissen beruhigen, in dem er ihn zeigte, dass er sich doch noch ein wenig für ihn interessierte? Trotz des Zimmertausches? Holger spürte die Wut in sich aufkommen, aber noch immer dominierte die Enttäuschung. Alle Emotionen wurden automatisch von dieser Enttäuschung umschlossen, wodurch auch sein Blick traurig auf Philipp lag. Natürlich lenkten ihn dessen nassen Haare ab, die feucht im Sonnenlicht glänzten und natürlich musste sein Herz direkt schneller klopfen. Er musste sich den bewundernden Blick verkneifen, was ihm auch gelang, als er sich das Gespräch mit Mario wieder in Erinnerung rief. Hinter seinem Rücken die Zimmer zu tauschen... mehr Ablehnung ging nicht, oder?


Philipp verstand es nicht. Wieso sah er ihn aus solch traurigen Augen an? Er sollte damit aufhören, sie standen ihm nicht. Vor allem machten sie auch den kleinen Kapitän traurig. Er wollte Holger lieber lachend und strahlend sehen, aber das hatte er wohl selber verbaut. Und doch verstand er gerade den Grund nicht. Heute morgen schien er nicht so traurig zu sein.


Holger nickte nur auf seine Frage, zeigte ihm, dass er einer Unterhaltung abgeneigt war. „Du musst dich nicht bemühen“, rutschte es ihm raus, presste um Stärke ringend die feinen Lippen aufeinander und drehte sich um, damit er davon stapfen konnte. Und genau jetzt würde ihm vor Augen geführt werden, ob es noch der Philipp war, in den er sich verliebt hatte. Früher hätte er ihn niemals einfach fliehen lassen, aber jetzt...? Was machte er sich vor? Er würde Philipp so oder so lieben, dafür hatte er die ganze Zeit über schon zu viel für ihn getan. Ganz davon abgesehen, welch unglaublich großen Platz er schon in seinem Herzen eingenommen hatte. Umso mehr schmerzte die Ablehnung von genau diesem Menschen.


Leicht nickte Holger, was Philipp gerade egal war. Es ging um die Worte, die folgten. Worte, die er nicht verstand. Perplex sah er Holger nach. Was war denn auf einmal los? Mario hatte ihm doch nicht etwa doch von dem Tauschwunsch erzählt, oder? Aber das konnte er sich nicht vorstellen. Das wäre ja nur kontraproduktiv…


Er seufzte traurig. „Was ist los mit dir?“, flüsterte er traurig und folgte Holger in etwas Entfernung. Hier wollte er ihn das nicht fragen, aber sie waren ja eh auf dem Weg ins Zimmer und dort hatten sie ihre Ruhe und keine lauschenden Kollegen. Außerdem hatte er Zeit sich zu überlegen, was er ihm sagen wollte. Oder sollte… oder beides. Aber Philipp wusste jetzt schon, dass ihm später im Zimmer eh die Worte fehlen würden, egal, was er sich jetzt im Vorfeld überlegen würde. Vor allem wusste er ja auch nicht, was genau Holgers Problem jetzt war. Aber er wollte es gerne wissen. Ja, er hatte Recht, er hatte sich bemühen müssen, aber er hatte es doch auch gewollt. Er wollte Normalität. Zumindest ein kleines bisschen.


Philipp folgte ihm und obwohl Holger sich darüber freute, dass sich also doch nicht alles an ihm geändert zu haben schien, war sein Lächeln über diese Tatsache von trauriger Natur. Auch wenn er sich jetzt um ihn bemühte, änderte es doch nichts daran, dass er das Zimmer hinterrücks tauschen wollte, weil er seine Nähe nicht mehr ertragen konnte. Nur mit einem gemurmelten „Nichts“ ging er weiter auf sein Zimmer. Philipp folgte ihn und ließ ihn die Tür aufsperren. Diese fiel hinter dem Kapitän ins Schloss.

Dass gerade Philipp diese Frage stellte, was los mit ihm war, brachte Holger dazu unmerklich den Kopf zu schütteln. Sollte er sich nicht selber fragen? Er war doch immer noch der selbe Holger wie immer. Es hatte sich nur ein Detail verändert. Philipp wusste jetzt Bescheid und das war falsch, wie man nun sehen konnte.


Sie schwiegen auf dem Weg zu ihrem Zimmer und sie schwiegen im Zimmer. Philipp wusste aber auch nicht wirklich, was er sagen sollte. Er spürte den Drang Holger in den Arm zu nehmen, aber etwas hinderte ihn daran. Wie eine Barriere, die ihn davon abhielt. Eine Barriere, die er nicht durchbrechen konnte.


Holger widmete sich dem Kleiderschrank, um die frische rote Adidaskollektion herauszuholen, die sie zum Ausflug tragen mussten. Dabei fiel ihm direkt das mitgenommene Kaffeeshirt von Philipp in die Arme... ob es Zufall war? Holger nahm es an sich, sah traurig darauf und drehte sich dann zum Bett hin, um es auf Philipps Seite auf die Matratze zu legen.


Philipps Blick lag auf Holger als der sich am Kleiderschrank zu schaffen machte. Er fragte sich, wie es jetzt wohl wäre, wenn er nichts von den Gefühlen wissen würde. Oder wenn Holger die Gefühle gar nicht hätte. Oder wenn er sie erwidern würde… zum Glück riss der Innenverteidiger ihn aus seinen Gedanken. Sein T-Shirt.


„Das hast du bestimmt schon vermisst“, nuschelte er. Holger wollte es eigentlich gar nicht mehr hergeben, aber da es ihm nun schon so offensichtlich in die Hand fiel, wäre es ja schon fast Diebstahl es ihm nicht zurückzugeben. Ihm lag ein „Weißt du noch“ auf der Zunge, sprach dies aber nicht an. Für Philipp hatte dies womöglich eh keine Bedeutung mehr, obwohl Holger sich noch an das Schiffe versenken und das Eincremen nach dem Kaffee-Unfall erinnerte. Fast so als wäre es gestern gewesen.
Ihm stellte sich die Frage, ob er ungerecht von Philipp dachte. Er hatte ihm doch oft genug versichert, dass er ihm wichtig war, dass er ihn endlich wieder lächeln sehen wollte und dass er kämpfen sollte. Seufzend wandte Holger sich wieder ab.

„Nein“, war die prompte Antwort. „Ich wusste ja, dass es in guten Händen ist.“ Und das meinte er ehrlich. Philipp beschlich aber das Gefühl, dass es nicht gut war, wenn er es wieder abgab. Aber würde Holger es wieder annehmen, wenn er es ihm zurückgeben würde? Er würde doch ablehnen, oder? Eigentlich war Philipp sich da sicher, weswegen er es gar nicht erst versuchte.


Holger war gewisser Weise überrascht, als ihm die Antwort direkt entgegen flog. Dennoch konnte er über den nett klingenden Satz nur müde lächeln. Es stand alles in Verbindung zu dem Zimmertausch. Vielleicht tat er ihm Unrecht, vielleicht auch nicht, wenn er das nur als Bereinigung des schlechten Gewissens betrachtete. Aber es schmerzte, dass Philipp nur aus dem Zimmer rauswollte, weil er hier war. Wahrscheinlich war sogar das blöde Missgeschick Schuld. Hätte er ihn doch niemals um Hilfe gebeten!


Der Innenverteidiger stand wieder mit dem Rücken zu ihm. Die Chance nutzte Philipp. Er zog seinen Koffer hervor und holte Holgers Jacke hervor, die er immer noch hatte. Immer mit einem Auge auf Holger öffnete er sie, legte das T-Shirt hinein, machte sie wieder zu und faltete sie ordentlich auf. Währenddessen machte das alles einen Sinn für ihn. Das T-Shirt war alles, was Holger von Philipp gehabt hatte. Das wollte er ihm nicht nehmen. Nicht jetzt, wo er ihm nicht so ein Freund sein konnte, wie er es gerne wollte.


Holger hörte zwar, dass Philipp herumzuwerkeln schien, aber er drehte sich nicht um, war ganz erpicht darauf im Schrank nach Jacke und Hose zu suchen. Dass er schon einige Male gezielt daran vorbei griff, nur um länger beschäftigt zu wirken, fiel ihm selber gar nicht mehr auf.

Erst als Philipp neben ihm auftauchte und seine Jacke in der Hand hielt, schnellte sein Kopf herum und erkannte die Jacke.


„Du hast aber bestimmt was vermisst. Die ist echt schön. Meinte Claudia auch, nur, sie wäre mir zu groß, ob es die nicht eine Nummer kleiner gab“, plauderte er drauf los, wollte Normalität schaffen, merkte erst zu spät, dass er ihm gerade offenbarte, dass er sie Zuhause getragen hatte…


Mit verletzten Blick starrte er auf das Stück Stoff in Philipps Händen und sah ganz langsam zu ihm hoch, in die warmen Augen, während dieser von den Worten seiner Frau erzählte. Holger schluckte das Verlangen ihm zu unterstellen, dass er Claudias Namen absichtlich erwähnte, runter. Um das ging es ihm nicht einmal. Es tat ihn weh, dass er die Jacke zurückbekam, obwohl er selber mit dem Shirt mit dem Zurückgeben angefangen hatte.

Allerdings hatte er auch das Kompliment gehört, was ihn ein wenig freute und er sich schon ein wenig geschmeichelt fühlen konnte. Philipp fand die Jacke, seine Jacke, schön. Und auch das karierte Hemd gefiel ihm doch, oder? Während er in Gedanken mögliche Kombinationen durchging, wie er sich kleiden könnte, kam ihm in den Sinn wie furchtbar albern er sich da benahm. Als ob es Philipp darum gehen würde... er war nicht oberflächlich. Ganz und gar nicht.


„Na ja… hier auf jeden Fall.“ Philipp war so frei und legte sie einfach selbst bei Holger in den Schrank. Dann wandte er sich wieder seinen Klamotten zu.


„Hast du sie denn getragen?“, fragte Holger, wobei ihn diese Frage selber überraschte, da er gedanklich noch ganz woanders hing. Wenn ja, blieb die Frage warum. Dass er nichts anderes mehr im Schrank hatte, glaubte Holger weniger.

Irritiert beobachtete er ihn dann dabei, wie die Jacke ihren Platz im Schrank fand. „D-dann hat ja jetzt jeder wieder... seine Sachen“, murmelte er gekränkt und entnahm dem Schrank nun endlich die gesuchte Kleidung.


Philipp zuckte unmerklich zusammen als Holger nachhakte. Natürlich hakte er nach! Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn er die Aussage einfach überhört hätte. Aber vielleicht hätte Bastian ihn ja mal darauf angesprochen, er hatte ihn ja immerhin in dieser Jacke gesehen. Was er sich damals wohl gedacht hatte? Er seufzte. War ja jetzt eh egal.
„Ja, ich hatte sie an.“ Er bestätigte ihm das, weil leugnen eh zwecklos war und er auch nicht lügen wollte, aber er hoffte einfach mal, dass Holger nicht nachfragen würde. Wobei er das vielleicht wirklich tun würde. Wäre das ein Grund ihm die Jacke wieder zugeben? Zumindest klang Holger nicht so als wäre er glücklich darüber sie wieder zu haben. Oder ging es bloß darum, dass er traurig war, dass er das Shirt abgeben musste? Das hatte er ja wieder. Philipp fragte sich, wann Holger es wohl entdecken würde…


Holger verstand es nicht und das zeigte er auch mit seinem Blick. Warum trug er denn nun seine Jacke? Aber noch bevor er die Frage stellen konnte, nachdem er sich einige Vermutungen überlegte, war Philipp schon ins Badezimmer geeilt. Das Lächeln war ihm nicht entgangen, aber er erwiderte es nicht. Was wollte er ihm denn nun auch weiß machen? Dass er ihn doch noch mochte, auch wenn er ihn auf schmerzhafte Weise zurückstieß? Holger hatte es in Vail auch getan. Des Öfteren, aber die Situationen konnte man jetzt nicht vergleichen.


Willst du zuerst duschen? Oder darf ich schnell drunterspringen?“ Philipp hätte gerade nichts dagegen, wenn er ehrlich war.


Auf seine Bitte hin, nickte er schlicht. „Du hast ja danach eh noch was zu tun“, glaubte er zu wissen. Er musste den Koffer ja wieder komplett einräumen und das Zimmer verlassen. Da wollte Holger nicht zusehen, deshalb war es ihm lieber, dass er sich Zeit unter der Dusche lassen konnte. Traurig fiel der Blick auf den Koffer, der etwas vom Bett hervor ragte. Da war das Shirt, das ihn die ganze Zeit begleitete und er es nicht mehr an sich drücken konnte, wenn ihm danach war. Nichtsahnend, dass Philipp ihm das Shirt wieder zurückgegeben hatte...


Philipp wandte sich nach dem Nicken schon wieder zu seinem Schrank, um sich frische Sachen zu holen. Er stockte allerdings kurz in seiner Bewegung. Was hatte er denn noch zu tun? Irritiert runzelte er die Stirn, ließ sich aber nichts weiter anmerken und holte sich die frischen Sachen. „Danke.“ Er lächelte Holger kurz an, ehe er ins Bad ging. Fieberhaft dachte er nach. Hatte er noch eine bestimmte Besprechung mit dem Mannschaftsrat, die er vergessen hatte? Was meinte Holger denn?


Philipp stieg unter die Dusche und dachte weiter nach. Im Leben nicht kam er auf die Idee, dass Holger dachte, er würde das Zimmer tauschen, weil er ihn und Mario belauscht hatte. Vielleicht war es da sogar besser, wenn Philipp nicht nachfragte, was er meinte, doch die Neugier war nun mal eine seiner größten Eigenschaften, deswegen wollte er das wissen und nahm sich vor Holger zu fragen.
Nachdem er also wieder sauber, trocken und frisch angezogen war, verließ er das Badezimmer. Die schwitzige Trainingskleidung flog auf einen Haufen, der später abgeholt werden würde.

Holger legte seine Wäsche aufs Bett und setzte sich daneben. Immer wieder fiel der traurige Blick auf den Koffer, wodurch er schon in Versuchung geriet das Shirt einfach wieder herauszunehmen, um es als sein Eigentum zu beanspruchen. Aber um sein gestriges Missgeschick nicht auch noch mit dem heimlichen Klau des Shirts zu toppen, widerstand er und wartete geduldig bis Philipp wieder herauskommen würde. Es war seltsam ihm in die Augen zu sehen, weil er so die Unsicherheit genau in ihm lesen konnte. Dennoch verletzte es ihn nur noch mehr, dass Philipp nicht einmal etwas wegen dem Zimmertausch erzählte. Womöglich würde Mario ihn später aufklären, wenn er mit seinem Gepäck im Raum stand.


Holgers Kopf hob sich nicht, als er das Öffnen der Badezimmertür registrierte. Er griff sich seine Sachen und stand ohne ein Wort auf.


Sag mal“, fing er auch direkt an. „Was meintest du gerade damit, dass ich noch zu tun habe?“ Er suchte Holgers Blick. Das große Fragezeichen im Gesicht war ihm sicher anzusehen.


Der Versuch an ihm vorbeizugehen, scheiterte aufgrund der Frage, die Philipp ihm stellte und seine unterdrückte Wut neu aufkommen ließ. Der verständnislose Blick traf auf einen äußerst fragend wirkenden Ausdruck. Was spielte der Kapitän ihm denn vor? Er wusste doch genau, was er meinte. Mit einem zynischen, bitteren Lächeln schüttelte er den Kopf. „Warum sparst du dir nicht einfach die Show und hörst auf den Ahnungslosen zu spielen? Na los, pack schon deine Sachen und verschwinde.“


Ohne auf eine Reaktion zu warten, verschwand er ins Badezimmer und atmete tief durch. Das eben Ausgesprochene fiel ihm unglaublich schwer, aber es war Holgers Meinung nach richtig so. Philipp sollte ihn nicht für dumm verkaufen und wenigstens dazu stehen, dass er ihn nicht mehr ertragen konnte. Was für ein brachialer Unterschied zu den Moment in Vail, in denen er sich förmlich aufgedrängt hatte.
Gemächlich zog Holger sich aus und streifte sich vorsichtig die Hosen von den Beinen. Am besten wäre es doch, wenn er sich die Gefühle für Philipp direkt mit der Dusche runterwaschen könnte. Dann wäre das alles kein Problem mehr. Aber jetzt war es kein emotional erträglicher Zustand für den geschwächten Holger.

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Peanut (Sonntag, 30 November 2014 23:06)

    Ohhhh nein, immer diese Missverständnisse!!!
    Was muss Holger auch immer zu den falschen Zeitpunkten lauschen? Ich glaub er könnte eine zweite Karriere als Privatschnüffler beginnen.
    Phil kriegt aber auch immer zu nur einen auf den Deckel im Moment, armer Kerl, hatts ja auch nicht einfach.
    Und Mario erst, hockt quasie dauernd zwischen den Stühlen, würd mich nicht wundern wenn der mal komplett ausrastet, weil es ihm zu viel wird!
    Naja ich glaub ja das Basti das ganze noch rauskriegt und dann ohne den Beiden was zu sagen die beste Verkupplungsaktion aller Zeiten startet^^
    Philipp wird von seinen Gefühlen überrumpelt und Holger wird noch verwirrter sein.... Also hmmmmmm wo führt uns das alles hin :P

    Ich bin echt gespannt.
    Glg und bis balf

  • #2

    Engel (Dienstag, 02 Dezember 2014 23:17)

    Ach du liebe Güte
    Jetzt haben sie den Salat
    Und ihr enthaltet mir Philipps Reaktion vor! Ihr gemeinen ^^
    Ich wünsche mir so sehr, dass es jetzt endlich mal richtig kracht und jeder ehrlich ist
    Damit hier mal Tacheles gesprochen wird :)