Kapitel 162 - Lieber ein Ende mit Schrecken...

 

Am Morgen wurde Holger von seinem klingelnden Handy geweckt. Es war jedoch nicht der Wecker, denn den hatte er gar nicht erst eingestellt. Müller-Wohlfahrt rief ihn früh morgens an, um herauszufinden, wie er sich wegen Donaustauf nun entschieden hatte. Holger konnte es sowieso nicht länger aufschieben, wollte es auch nicht. Seine Entscheidung stand fest. Er würde bei Philipp in München bleiben.

 

Philipp erging es am nächsten Morgen wie Holger. Auch er wurde durch das Handy geweckt und hielt es erst für einen Wecker.


„Badstuber?“


„Ich weiß doch, wie du heißt“, grummelte Philipp leise, gähnte und öffnete dann die Augen. „Oh…“ Erst als er sah, wie Holger das Handy in der Hand hielt, verstand er, dass er telefonierte. Wer rief denn so früh an? Er stemmte sich hoch und schaute auf den Radiowecker an Holgers Seite. Okay, so früh war es gar nicht mehr. Dennoch war er besorgt. War etwas mit dem Knie? Hatten sie etwas übersehen? Seine Augen suchten Holgers Blick. Er wollte unbedingt wissen, was los war.

 

Entschuldigend blickte Holger zur Seite, wo Philipp langsam die Augen öffnete. Es tat ihm Leid, ihn geweckt zu haben. Durch den verschlafenen, müden Anblick des Kapitäns wurde ihm aber auch noch einmal klar, dass er nicht weg wollte. Nicht jetzt, wo es gerade so schön mit Philipp war.


„Holger, es geht um Donaustauf. Hast du dich mittlerweile entschieden?“


„Ja.“ Auch wenn Müwo das nicht sehen konnte, nickte er dazu. Den Blick wandte er jedoch leicht von Philipp ab, als dieser ihn so besorgt betrachtete. Er stand hinter seiner Entscheidung und doch war es ihm so unangenehm, es vor Philipp auf diese Art offenbaren zu müssen, da er genau wusste, dass dieser eher zu Donaustauf tendierte wegen der besseren Behandlung. Kurz war er in Versuchung aufzustehen und ins Wohnzimmer zu flüchten, aber mit den Krücken war das viel zu umständlich.


Holger sah ihn an, ehe er den Blick abwandte. Philipp verstand nicht, was der Anrufer sagte und wurde noch besorgter. Er durchbohrte Holger regelrecht mit seinem Blick, auch, wenn dieser das nicht sah. Er spürte auch, wie sein Herz immer schneller schlug und die Angst weiter ihre Bahnen zog…

 

Holger?“


Der Innenverteidiger räusperte sich leise. „Ich habe mich für München entschieden. Mein Gefühl sagt mir, dass ich hier besser aufgehoben bin.“


Nein! Deswegen wurde er angerufen. Wer war das? Müwo? Aber er wollte doch heute beim Frühstück noch mal mit ihm reden. Warum bitte rief der Arzt so früh an? Das passte Philipp gar nicht.

 

Hast du dir das wirklich gut überlegt? Donaustauf ist ein hervorragendes Rehabilitationszentrum und weiß mit solchen Fällen umzugehen. Sie könnten dich dort Stück für Stück aufbauen.“ Man hörte Müwo an, dass es ihm lieber war und er ruhiger schlafen könnte, wenn er Holger in den Händen der Ärzte in Donaustauf wissen würde. Aber zwingen konnte er ihn nun mal nicht.


„Ich habe mir das gestern nochmal genau durch den Kopf gehen lassen. Meine Entscheidung steht fest.“

 

Sofort kroch Philipp unter der Bettdecke hervor. Er kniete sich über Holgers Beine, ließ sich aber nicht auf ihnen nieder. Er wollte, dass der Kerl ihn ansah. Vehement schüttelte er nämlich den Kopf. Philipp war da gar nicht für, dass er hier in München blieb. Aber er ahnte, dass er selbst schuld daran war. Er hat es sich gestern durch den Kopf gehen lassen? Entweder er hatte nicht darüber nachgedacht, oder aber der Kapitän war selbst schuld… sie hatten einen wundervollen Abend, da würde er wohl auch kaum gehen wollen. Mit einem Mal machte sich sein schlechtes Gewissen bemerkbar. Er würde sich von Holger trennen müssen. Heute. Am besten gleich. Damit er Müwo zurückrufen konnte und ihm sagen konnte, er hätte sich doch für Donaustauf entschieden.
Die Angst, die Philipp jetzt spürte, war etwas anders als die noch wenige Minuten zuvor. Er hatte Angst davor Holger zu verletzen. Und das würde er tun. Und zwar wie…Stumm seufzte er. Jetzt hatte er das Desaster, was er nie haben wollte. Er wusste aber ja von Anfang an, dass er sich da in was verrennen würde. Er hatte Mario zugesagt, dass er Holger keinen Kummer machen würde, aber genau das würde er jetzt machen…


„In Ordnung. Dann teile ich das den betreffenden Personen mit. Bis später.“

 

Sie beendeten das Gespräch und Holger legte das Handy wieder weg. Sein Herz begann schneller zu schlagen und irgendwie hatte er sogar etwas Angst davor, sich wieder in Philipps Richtung zu drehen. War das nicht albern? Es war seine Entscheidung und es war nur die Rede von „nochmal drüber nachdenken“ gewesen. Nicht mehr und auch nicht weniger.

 

Holger legte auf und sah ihn an. „Tu das nicht“, flüsterte Philipp. „Geh nach Donaustauf.“

 

Obwohl er spürte, dass Philipp über seine Beine geklettert war, hatte er den Blick immer noch schweigend auf sein Handy gerichtet. Seine Befürchtungen bestätigten sich auch, denn schon das Kopfschütteln eben hatte ihm gezeigt, dass Philipp seine Entscheidung nicht unterstützte. Dennoch rechnete er lediglich mit Tadel oder den Versuch ihn umzustimmen. Nicht mit mehr. Nicht nach dieser phantastischen Nacht.


Langsam drehte Holger den Kopf, sah den Älteren mit einem liebevollen Lächeln an, ehe er seine Hand auf seine Wange legte. „Ich will hier bleiben“, bestimmte er und küsste hauchzart seine Lippen. Warum konnte er sich nicht einfach freuen? Wollte er denn nicht auch Zeit mit ihm verbringen? „Ich verspreche dir auch, dass ich in München meine Reha nicht vernachlässige“, schmunzelte er leicht. Vielleicht sah Philipp da ja das Problem, dass er lieber mit ihm im Bett kuschelte, anstatt sich um seine Gesundheit zu bemühen.

 

Philipp ließ den Kuss zu, aber er widerte ihn nicht. Die Hand an seiner Wange fühlte sich irgendwie auch falsch an. Er konnte das gar nicht richtig beschreiben.

 

Holger fühlte, dass der Kuss nicht erwidert wurde. Philipp ließ sich einfach bloß küssen – ohne Reaktion. Betroffen senkte Holger den Blick. Nur weil er sich für München entschieden hatte? War das nicht übertrieben? Immerhin war er ein erwachsener Mann, der seine eigenen Entscheidungen treffen konnte.


„Darum geht es nicht“, wehrte er ab. „Ich glaube dir, dass du deine Reha nicht vernachlässigst, dafür willst du das auch viel zu sehr. Aber München ist kein guter Ort dafür.“ Philipp krabbelte von Holger hinunter und verließ das Bett. „Ich halte das für keine gute Idee, wirklich nicht. Denk dabei an dich und nicht an mich.“ Er suchte wieder Holgers Blick, seine Miene war ernst. Wie sollte er ihm denn sagen, dass Donaustauf gut war, um Abstand zu gewinnen, weil er das nicht mehr konnte? Er wollte ihm nicht sein Herz rausreißen…

 

Er glaubte ihm? Und wo war dann sein Problem? Neugierig verfolgte er Philipp mit seinem Blick und seinen Ohren. Er war gespannt auf die Begründung, wobei er sich diese auch denken konnte. Er fand eben, dass Donaustauf die bessere Adresse war. Der Kapitän trug immer noch keine Kleidung, suchte seine Shorts erst noch auf dem Boden.
„Ich denke an mich und ich möchte in München bleiben“, bestätigte er ihm noch mal, versuchte dem ernsten Blick seines Freundes standzuhalten. War das Thema damit endlich vom Tisch. „Ich habe es Müwo jetzt gesagt und damit ist das jetzt auch abgehakt“, murmelte er und schwang seine Beine aus dem Bett.

 

Philipp zog sich die Shorts an, setzte sich danach wieder auf den Rand des Bettes neben Holger. Er saß noch vorne gebeugt und hatte die Unterarme auf den Oberschenkeln abgestützt, als er den Kopf drehte. Seine Angst schnürte ihm beinahe die Kehle zu. Aber eben nur beinahe.
„Dann… dann denk nicht an dich, sondern an uns.“ Er brach ab, senkte den Blick wieder.

 

Holger verstand nur Bahnhof. Jetzt sollte er an Philipp und an sich denken? Schweigend saß er neben dem Kapitän und merkte natürlich, dass ihn etwas belastete und er mit sich rang. Gestern war noch alles toll und jetzt verhielt er sich so dermaßen komisch, dass man denken könnte...

 

Meinst du nicht, dass uns ein bisschen Abstand gut tun würde?“

Die Frage war gerade erst ausgesprochen, da fand er sie selbst schon total bescheuert formuliert, aber es war nun mal passiert. Jetzt war die Frage, wie Holger reagieren würde. Würde er verstehen, welche Absicht dahinter lag? Es wäre ihm am liebsten, denn er wollte es nicht so direkt sagen. Wobei er das eigentlich auch für sich brauchte. Irgendwie…
Ohne eine Antwort abzuwarten, stand er wieder auf und suchte auch seine restliche Kleidung zusammen. Er legte sie erst mal aufs Bett. Er würde gerne noch duschen, doch rechnete er damit, dass sie sich jetzt gleich streiten würden und Holger ihn rausschmeißen würde. Vielleicht war das auch besser so.

 

Abstand?“, wiederholte er daher nicht sehr begeistert und traktierte ihn mit einem verletzten Blick. Die Ringe, die er verdrängt hatte, waren mit einem mal wieder präsent in seinen Gedanken. Schnell bückte er sich, um seine Shorts aufzuheben und sie wieder anzuziehen. Es fühlte sich gerade gar nicht gut an, unbekleidet da zu sitzen. Aber es sollte auch ablenken von der seltsamen Situation, die er nicht einordnen konnte und vor allem auch nicht wollte. „Was willst du mir damit sagen? Ich war fast vier Wochen in Vail und du redest von Abstand...“, sprach er seine Gedanken aus. Wobei das nicht all seine Gedanken waren. Eines wollte er nämlich nicht aussprechen, weil ihn allein die Vorstellung, Philipp könnte sich trennen, so schmerzte, dass er glaubte, keine Luft mehr zu bekommen.

 

Der kleine Kapitän schloss seine Augen, er spürte, dass die Tränen aufkommen wollten, aber er musste jetzt stark bleiben. Für Holger.
Sein Blick richtete sich auf den Jüngeren, nachdem er die Augen wieder geöffnet hatte. „Ich weiß, dass du solange in Vail warst… Holger, ich… ich habe nachgedacht. Viel und ich habe mich im Kreis gedrehte, aber im Endeffekt… ich liebe dich, das hat sich nicht geändert, aber ich glaube, es ist das Beste, wenn wir… wir… wir sollten das hier beenden. Deswegen ist es besser, wenn du nach Donaustauf gehst, damit wir Abstand gewinnen.“
Seine Miene war ernst und er blieb stark, zeigte keine Tränen. So ruhig er äußerlich war, so aufgewühlt war er aber innerlich. Ihm war regelrecht schlecht und er hatte eine furchtbare Angst. Außerdem klopfte sein Herz so laut, dass es in seinen Ohren dröhnte. Die Situation war einfach nur furchtbar.

 

Dieser Fall bestätigte mal wieder, dass nichts Gutes dabei raus kam, wenn man zu viel nachdachte. Holger bekam nun das zu hören, was er niemals hören wollte. Als Kind hätte er sich einfach die Ohren zugehalten oder hätte ihn angefleht, dass er das nicht tun sollte, aber jetzt war er erwachsen und musste ruhig bleiben. Ruhig war jedoch nicht gleichbedeutend, dass sich keine Tränen in seinen Augen sammelten. Was glaubte Philipp denn wer er war? Im selben Satz sagte er, dass er ihn liebte und dass er sich trennen wollte. Und da er gestern schon davon gesprochen hatte, dass er nach Donaustauf sollte, war ihm vorher schon klar gewesen, dass er es beenden würde.
Ausdruckslos sah Holger in die Augen, die ihm immer so viel Wärme geschenkt hatten und plötzlich so kalt und unnahbar wirkten. Er war sich sicher, dass er ihn nicht umstimmen konnte. Wenn Philipp sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog er es durch. Eine tolle Eigenschaft, aber gerade hasste und verfluchte er sie. Dann lieber einen wankelmütigen Philipp der bei ihm blieb. Was Holger regelrecht provozierte war die Tatsache, dass er so ruhig wirkte. Beinahe als würde er ihm nur sagen, dass seine Haare heute nicht schön aussahen oder er heute keine Lust hatte etwas mit ihm zu unternehmen. Er beendete die Beziehung und blieb vollkommen ruhig und gelassen. Am liebsten hätte er an ihn gerüttelt, ihn niedergerissen, seine Arme um ihn geschlungen und ihn nie wieder los gelassen. Aber das konnte er nicht, es blieb ihm nur übrig, darauf zu antworten. Das erste, was ihm im Kopf herum geisterte, war die gestrige Nacht, in der noch alles gut war.

 

Es zerriss Philipp das Herz, Holger so zu sehen. Er hatte sich geschworen, ihm sein Lächeln wieder zu schenken und jetzt war er es, der es ihm wieder nahm. Von einer Sekunde auf die andere wischte er es einfach aus seinem Gesicht. Fast, als ob es ihm nie etwas bedeutet hätte, dabei bedeutete es ihm alles!

 

Dir ist es ja gestern und womöglich schon länger klar gewesen, dass du es beenden willst, oder?“ Holger wartete keine Antwort ab, senkte den Blick und presste die feinen Lippen aufeinander. „Wieso hast du es gestern noch mal so weit kommen lassen? Aus Mitleid?“ Verletzt hob er den Blick, gleichzeitig rollte eine Träne über seine Wange. „Oder nur weil du selbst nochmal Lust hattest?“ Beide Optionen waren schmerzhaft und würden ihn tief verletzen. Gerade dachte er nicht einmal daran, wie es ohne Philipp sein würde, weil er sich damit nicht befassen und auseinandersetzen wollte.

 

Nein… nein, so war das nicht. Philipp schüttelte den Kopf. Es fiel ihm immer schwerer sich zusammenzureißen.

 

Warum verdammt?!“, forderte er deutlich lauter eine Antwort.


„Weil ich dich liebe!“, brüllte er zurück, spürte, wie die Tränen in seine Augen schossen.

 

Holger hielt einen Moment inne. Nur die Träne tropfte hinab, gefolgt von einer zweiten. Sein Gefühl sagte ihm, dass es der Wahrheit entsprach und auch letzte Nacht hatte er sich nicht getäuscht. Diese Zärtlichkeiten hatten Bände gesprochen. Doch sein Schmerz hingegen, ließ ihn nur den Kopf schütteln. „Und weil du mich liebst, trennst du dich?“ Wie sollte ihn das trösten? Aber immerhin zeigte Philipp Emotionen, die Holger sehen wollte.

 

Nein… wenn es doch nur so einfach wäre, aber das war es leider nicht. Da war noch so viel mehr. Seine Frau, sein Sohn… stumm seufzte er, zuckte zusammen, als Holger schluchzte. Philipp wollte ihn umarmen, wollte ihn trösten, aber es würde nur noch mehr wehtun, wenn er ihn jetzt umarmen würde, oder?

Und… ich hatte nicht mal geplant, es heute zu beenden. Mein Plan war nicht, ich schlafe noch einmal mit dir und dann mache ich Schluss. Was denkst du von mir, Holger? Aber… es ist richtig, dass ich es vorhatte. Ich wusste nicht wie und wann… ich will dir auch nicht wehtun – und ja, ich weiß, dass ich das gerade tue.“ Wieder brach er ab, raufte sich die Haare. Es fiel ihm gerade so verdammt schwer. Er fand nicht die richtigen Worte, glaubte aber auch nicht, dass es überhaupt richtige gab in dieser Situation.

Ich will dir nicht wehtun…“ Seine Stimme war leiser. Es brachte Holger nichts, dass er das gerade sagte, das wusste er auch, aber er musste es loswerden. Er wollte, dass Holger es wusste. Wenigstens das.


Als er sich erklärte, entfuhr Holgers Kehle ein gehässiges Schnauben, welches aber schon in der nächsten Sekunde zu einem Schluchzen wurde. Ein lautes, deutliches Schluchzen, das zeigte, wie verletzt und traurig er war. „Was soll ich von dir denken, wenn du dich trennen willst, nachdem wir miteinander geschlafen haben?“, stellte er die Gegenfrage. „Die ganze Zeit über habe ich akzeptiert, dass ich so etwas wie deine Affäre bin. Dass ich bei dir an zweiter Stelle bin, aber ich habe mich nicht darüber beschwert, weil ich dich liebe. Weißt du, wie sich das jetzt anfühlt? Nein, das weißt du nicht. Denn würdest du es wissen, hättest du nie von Abstand gesprochen.“ Holger tüftelte die Worte weiter und hätte ihn am liebsten unterstellt, dass er ihn wohl mit einer billigen SMS abserviert hätte. Statt der leisen Worte, die beruhigend und entschuldigend wirken sollten, entfachte es eher Holgers Unmut.

 

Philipp ließ die Worte über sich ergehen. Er verstand es ja, dass Holger sauer war. Sauer und enttäuscht und einfach auch nur verletzt. Er hatte nichts anderes erwartet. Aber es überraschte ihn zugegeben, dass Holger es so direkt ansprach, dass er seine Affäre war. Sie hatten es nie definiert, aber eigentlich war es beiden klar gewesen, dass es nun mal genau so war. Holger war die Affäre von Philipp. Nur die Affäre, die er jetzt mal eben mit zwei, drei Sätzen beendete. Aber in der Regel war man nicht so unsterblich in die Affäre verliebt wie er, oder?

 

Und jetzt stellst du mich vor vollendete Tatsachen und erwartest, dass ich das akzeptiere?“ Er ärgerte sich, dass er nicht aufspringen und sich frei bewegen konnte. Nur im Bett sitzen konnte er und nach seinen dummen Krücken greifen. Holger streckte die Arme aus, griff nach den Krücken, doch als er seinen Körper hochstemmen wollte, ließ er sich wieder auf das Bett nieder und schleuderte die Krücken zu Boden. Der Blick war betroffen gesenkt, um seine Tränen nicht zu offenbaren, und die Arme krampfhaft an die Bettkante gestemmt. Doch sein Schluchzen und die brüchige Stimme ließ sich nicht verbergen. Nichts was typisch für ihn war.

 

Als Philipp antworten wollte, versuchte Holger gerade aufzustehen, ließ es aber direkt bleiben. Die Krücken krachten gegeneinander und der Kapitän zuckte zusammen. Er wollte etwas tun, er wollte Holger helfen irgendwie. Er wollte ihn trösten, ihn lächeln sehen… am liebsten würde er die Gefühle, die der Jüngere für ihn hatte, einfach wegwischen. Es wäre ihm das Liebste, er würde ihn nicht lieben, dann würde er jetzt nicht leiden.

 

Wenn du mich wirklich so lieben würdest, wie du sagst, würdest du mich nicht allein lassen.“


Es zerriss ihm das Herz. Philipp konnte nicht anders. Er ging um das Bett herum und ließ sich vor Holger auf die Knie fallen. Ihm kamen die Ringe in den Sinn, aber die hatte er jetzt nicht hier… verdammt! Egal. Es ging auch ohne, musste ohne.
„Holger…“ Er streckte die Hand aus, wollte ihn berühren, zog sie dann aber doch zurück. Stumme Tränen liefen seine Wangen hinunter. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Und es war eh falsch, was er sagte, oder? Aber er musste es versuchen.

 

Holger beobachtete den Älteren, wie dieser vor ihm in die Knie ging. Wenn er jetzt um Verzeihung und Verständnis bat, konnte er gleich gehen. Das würde er nicht bekommen, würde er nie erhalten. Dazu war der Innenverteidiger viel zu verletzt. Argwöhnisch bedachte er die Hand mit seinem Blick. Wollte er sich jetzt über ihn lustig machen? Die Hand, die er damals nie gefordert hatte und Philipp es war, der sie ihm aufgezwungen hatte, streckte er ihm jetzt entgegen, um alles zu beenden? Er fühlte sich gerade wirklich nicht mehr wert als eine billige Affäre.

Die Position, in der der Kapitän sich gerade befand, kam Holger unglaublich bekannt vor. Wie oft hatte er sich vor Monaten dagegen gesträubt sich von Philipp trösten zu lassen. Er hatte ihn weggestoßen, sogar ungewollt körperlich verletzt. Hätte er es doch nur dabei belassen! Dann würde das hier gerade nicht so weh tun.


„Ich weiß, dass das nicht fair ist… und ich kann nicht verlangen, dass du das gut findest… aber es gibt kein Zurück. Ich muss diesen Weg gehen. Ich… ich hab Familie…“ Philipps Stimme brach weg. Er wollte das hier nicht, aber es musste sein.

 

 

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