Kapitel 127 - Unerwarteter Besuch



Holger ahnte nicht, dass die Kerzen auf dem Fensterbrett sein kleinstes Problem war. Dass Philipp im Müll das Kondom finden würde, erwartete er nicht.


„Noch eine Runde?“, fragte Philipp dann und nickte zu dem großen Fernseher. „Oder was hast du vor?“ Philipp ließ sich neben Holger fallen und seine Hand fand den Weg auf seinen Oberschenkel. Als wäre es ganz normal. Sein Herzschlag hatte sich auch wieder etwas normalisiert. Aber die Nervosität war irgendwie immer noch da. Er durfte sie sich nur nicht anmerken lassen.


Dementsprechend ahnungslos präsentierte Holger sich auch, als der Ältere wieder zu ihm kam und seine Hand auf dem Oberschenkel platzierte. Da sich dieser auch überhaupt nichts anmerken ließ, fühlte sich Holger sogar sicher, dass er auch die Kerzen nicht entdeckt hatte.
„Nochmal?“, hakte er erstaunt nach. Ihn musste er da nicht fragen, Holger zockte für sein Leben gerne, deshalb würde ihn auch eine Revanche nicht stören. Es wunderte ihn nur, dass Philipp nochmal wollte. Und eigentlich hätte er auch eine bessere Idee. Holger würde nämlich auch einfach bloß gerne auf der Couch zusammen sitzen, sich an ihn lehnen, ihn küssen und von ihm geküsst werden. Diesen Wunsch äußerte er aber, aus Angst einen zu anhänglichen Eindruck auf Philipp zu erwecken, nicht. Obwohl ihn die Hand auf seinem Oberschenkel doch zeigen sollte, dass er Berührungen nicht ablehnte. Was zögerte er denn wieder viel zu viel? Philipp hatte ihn lieb, mochte seine Küsse und hatte ihn schon klar gemacht, dass er seine Berührungen genoss. Dies führte sich Holger wieder bewusst vor Augen, damit er den Mut fassen konnte.


Philipp sah Holger abwartend an.


Holger ignorierte den Controller, der neben ihm lag, und drehte seinen Oberkörper zur Seite, um seine Hände an Philipps Oberkörper zu platzieren und etwas näher heran zu rücken. Seine Lippen schmiegte er an die des Älteren, vertiefte die Berührung mit leidenschaftlichen Bewegungen seines Mundes gegen Philipps. Es war also wären ihre Lippen füreinander geschaffen. Sie passte zusammen, bildeten die perfekte Symbiose.


Philipp rechnete mit Zustimmung oder mit einem Gegenvorschlag, aber nicht mit einem Kuss, der wohl die Antwort sein sollte. Etwas überrascht ließ er sich küssen und es dauerte einen kurzen Moment, ehe sich seine Augen schlossen und er auf den Kuss einging. Eine Hand fand den Weg in seine Haare. Er fuhr hindurch und ließ sie dann so halb im Nacken liegen.


Holger bemerkte in seinem Eifer nicht einmal, dass Philipp kurze Zeit brauchte, um seine Zärtlichkeiten zu erwiedern.


Den Kuss genoss der Ältere. So wie alle eigentlich. Er dachte gerade nicht mal an die Kerzen oder an das Kondom, sondern nur darum, dass er hier vor Holger saß. Holger, der ihn liebte und in den er verliebt war. Und wie er das war. Sein Herz machte schon wieder unnatürliche Hüpfer und die Schmetterlinge flogen durch seinen Bauch.


Als er den Kuss löste, suchte er schmunzelnd seinen Blick. „Ich nehme an das heißt ‚nein’, oder?“


Philipps Schmunzeln übertrug sich automatisch auf sein Gesicht. Er antwortete aber nicht, sondern fing die Lippen des Älteren ein zweites Mal ein. Irgendwie versuchte er gerade den Gedanken daran zu verdrängen, dass sonst Claudias Lippen an dieser Stelle waren. Denn Eifersucht empfand er bei allem Verständnis für Philipps Situation. Holger wollte jetzt auch. Ihn küssen, ihn berühren und ja, er wollte auch mit ihm schlafen, aber je mehr er sich in diesen Kuss hinein steigerte, spürte er die Scham in sich aufkommen bei diesem Gedanken, dass er Philipp womöglich drängen würde. Wenn er ihn nicht liebte, würde er niemals weiter mit ihm gehen wollen.


Der Kuss war Antwort genug. Philipp lächelte in ihn hinein. Wenn ihm jemand vor einigen Wochen gesagt hätte, dass er mal auf diesem Sofa mit ihm sitzen würde und sie sich leidenschaftlich küssen würden, hätte er demjenigen wirklich den Vogel gezeigt. Aber jetzt mochte er es. Immer und immer wieder trafen ihre Lippen aufeinander. Philipps Hände verweilten weiter in seinem Nacken und auf seiner Hüfte. Er spürte, wie Holger sich vorwagte und über die nackte Haut unter seinem Shirt strich. Eine Gänsehaut breitete sich bei ihm aus. Eine wirklich sehr angenehme Gänsehaut.

Er mochte es, dass Holger ihn berührte. Allerdings stellte er sich die Frage, ob er es noch mal versuchen wollte. Wollte er wieder weitergehen? Wollte er mit ihm schlafen? Er würde Philipp damit überrumpeln und wenn er ehrlich war, hoffte er, dass er es jetzt nicht versuchen würde. Der Kapitän wollte ihn nicht verletzen, in dem er zögerte. Irgendwie hatte er nämlich etwas Angst davor. Es war halt kein gewöhnlicher Sex, da war diese Angst doch berechtigt, oder?


Das laute, unerwartete Klingeln, ließ Holger schlagartig die Augen öffnen und wieder ins Dies und Jetzt zurückkehren. Nun merkte er auch, wie er seine Hand bereits unter Philipps Shirt geschoben hatte.


Philipp zuckte zusammen und riss die Augen auf. Er blickte sofort in die blauen des Innenverteidigers.


Etwas verlegen wegen seines stürmischen Verhaltens zog Holger die Hand zurück und warf einen Blick in den Flur. Das Klingeln war nicht verstummt. „Eigentlich erwarte ich heute niemanden mehr“, murmelte er.


„Du hast mich ja auch nicht erwartet“, merkte Philipp an, lächelte leicht. Er nahm seine Hände von Holger, damit dieser aufstehen konnte, um zu gucken, wer denn da war. Wenn er ehrlich war, interessierte ihn das auch. Bastian vielleicht?


„Stimmt“, gab er nickend zu und löste sich komplett von Philipp. „Aber besser kann der Besuch gar nicht werden, du hast die Messlatte schon zu hoch gesetzt“, schmunzelte Holger, ehe er sich zur Haustür begab.


Bastians Blick, der ihn augenblicklich traf, wirkte entschuldigend.


„Ich hätte nicht wieder so nachhaken dürfen, tut mir Leid. Ich versuche mich ab jetzt besser zurückzuhalten.“


Holger war überrascht, wobei er auch zweifelte, ob der Vize das durchhalten würde. „Ach, ist schon gut“, winkte der Jüngere ab. „Ich hätte mich dadurch ja auch nicht gleich wieder so reizen lassen müssen.“


Philipp spitzte die Ohren. Er hörte eine Stimme. War das… ja, das war wirklich Bastian. Was er wohl wollte? Mit einem Mal fühlte er sich irgendwie fehl am Platz, bzw. hatte das Gefühl er würde vielleicht stören. Ob Holger ihn wohl vor der Tür stehen ließ? Anscheinend nicht, wie er wenig später hörte.


Bastian nickte verstehend. „Aber Holger... irgendwie, es ist komisch seit Vail zwischen uns“, gestand er sich ein. „Ich freue mich ja, dass du dich mit Philipp so gut verstehst, aber mir kommt es so vor, als käme ich im Gegensatz gar nicht mehr an dich heran. Es ist schade.“


Das traf Holger und das merkte man ihm auch an. Er hatte Bastian nicht so abweisen wollen. Noch vor seinem Kreuzbandriss gehörten er und Mario zu seinen besten Freunden in der Mannschaft. Jetzt war da eben nur Philipp, neben Mario, der aber nun in einem anderen Verein spielte. Was hatte er sich eigentlich gewundert, dass Bastian das komisch vorkam und deshalb neugierige Fragen stellte?


„Ich fände es einfach gut, wenn es wieder so wird wie früher zwischen uns. Du weißt doch, mit keinem zocke ich so gerne wie mit dir.“ Kumpelhaft schlug er ihn gegen den Arm.


„Weil du meistens gewinnst“, säuselte Holger und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass seine Gedanken rasten. Sollte er Bastian vielleicht doch noch einweihen? Nein... das konnte er nicht, auch wenn er das selbe Recht hatte wie Mario.


„Willst du reinkommen?“, bot er ihm an. Ihm jetzt die Tür vor der Nase zuzuschlagen, brachte er nicht übers Herz.


Bastian ließ sich nicht lange bitten und ging hinter Holger her. Ihr Weg führte ins Wohnzimmer.


„Philipp und ich üben“, grinste Holger und deutete auf den TV. Es war gut, dass sie die Playstation noch nicht ausgeschaltet hatten.


Das war eine gute Ausrede, die sogar der Wahrheit entsprach. Philipp leckte sich unbewusst über die Lippen. Es war ihm als würde er Holger dort noch schmecken. Er konnte nicht leugnen, dass er ihn lieber weiter geküsst hätte, aber dem war halt nicht so.


„Und? Ist er schon soweit?“, lachte Bastian und begrüßte den Kapitän dann erstmal.


„Naja, ein Tor hat er zumindest schon mal geschossen“, berichtete Holger von den Fortschritten.


Du kannst nicht erwarten, dass er von einen auf den anderen Tag ein Profi an der Konsole wird“, warnte er ihn.


„Aber das wird schon noch“, fügte Holger optimistisch hinzu. Vielleicht war die Störung ganz gut so. Sonst wäre er wohl weitergegangen, wenn er schon die Hand, die sich verselbständigte, gar nicht richtig realisierte. Wobei... Holger schluckte beklommen. Was, wenn Bastian jetzt anfing das gestrige Thema aufzugreifen?


„Ihr wisst, dass ich dabei sitze?“, fragte er und tat beleidigt. „Ich bin halt nicht so ein Suchti wie ihr. Und ja, ich werde besser. Holger gibt mir jetzt regelmäßig Nachhilfe. Das habe ich gerade beschlossen.“


„Fips, du weißt schon, dass ich besser bin, als er? Soll ich dir nicht lieber Nachhilfe geben?“, grinste Bastian und ließ sich neben ihn fallen. Er griff auch direkt zu einem der beiden Controller und stellte ein neues Spiel an.


Holger war kurz davor empört zu schnauben. Das würde ihm ganz und gar nicht passen, wenn Bastian Philipps Nachhilfe übernehmen würde!


„Ich glaube Holger ist der bessere Lehrer. Von dir kann ich immer noch den Feinschliff lernen, wenn ich will. Aber Holger hat mehr Feingefühl und geht mehr auf meine Bedürfnisse als Nachhilfeschüler ein“, gab er zurück, suchte Holgers Blick und zwinkerte ihm zu. Etwas nervös war er trotzdem irgendwie.


Wie selbstverständlich hatte Bastian nach einem Controller gegriffen und sich spielbereit gezeigt.

Aber darauf achtete der Innenverteidiger nicht mehr, als er Philipps Blick bemerkte und er bei seinem Zwinkern nur lächeln konnte. Es war in dem Moment auch egal, ob er mit ihm üben wollte, weil sie eben mehr als nur befreundet waren oder weil er ihn wirklich als den besseren Nachhilfelehrer in Sachen Fifa erachtete.


Bastian neben ihm lachte nur. „Immer diese Ausreden, Fips… also, wer spielt gegen mich? Eigentlich habe ich mich ja auf eine Herausforderung eingestellt.“


Bei Bastians Aussage fühlte er sich angesprochen, aber er zuckte nur mit den Schultern. „Eigentlich wäre doch Übung mit dem großen Meister nicht schlecht“, war er der Meinung, „Oder eben zu zweit gegen dich, Basti.“


„Ist mir auch recht. Dann ist der Triumph größer“, lachte er und warf Philipp einen überheblichen Blick zu.


„Wir werden sehen“, gab Holger zurück, legte einen dritten Controller bereit, den er sich nahm und setzte sich neben Bastian. Irgendwie ganz gut, dass der Vize in der Mitte saß. So kam keiner von beiden auf blöde Gedanken die Hand des anderen zu ergreifen.


Zu zwei schlagen wir dich bestimmt“, war Philipp sicher. Zumindest tat er so. Ganz überzeugt war er nicht, da er Holger sicher im Weg stehen würde. Aber selbst wenn, dann verloren sie halt gegen Bastian, war ihm eigentlich auch nicht so wichtig. Wichtiger war, dass die beiden sich wieder annäherten, sonst würde Philipp sich auf Dauer nur schlecht fühlen.


Sie starteten also die Partie und Holger hatte den Ball, passte zu Philipp, der natürlich direkt den Ball wieder hergeben musste. Das ging ja gut los. Bastian grinste schon triumphierend.


Nachdem Philipp sofort den Ball verlor, war Holger nicht mehr ganz so optimistisch, was einen Sieg betraf. Aber das machte nichts. Dann gewann eben Bastian. Hauptsache sie hatten alle drei ihren Spaß.


Philipp machte weitere Anfängerfehler, die der Vize gnadenlos auszunutzen wusste und bereits in der ersten Halbzeit 3:1 vorne lag. Die zweite starteten sie auch sofort und Philipp präsentierte sich deutlich stärker. Er konnte sogar beinahe einen Treffer mit dem Kopf erzielen, den Bastian nur mühsam abwehren konnte.


Genau so, wie sie begonnen hatte, ging es auch weiter. Aber es machte Spaß. Zwar teilte Bastian auch gerne aus, aber es war nicht so extrem, wie in Trentino.


„Gar nicht mal so schlecht, Fips“, musste Bastian neidlos anerkennen. Trotzdem gewann er deutlich gegen die beiden. „Ich habs euch gesagt“, grinste er und legte den Controller auf den Couchtisch, ehe er zwischen den Zweien umher sah.


„Da darfst du noch ein paar Übungsstunden investieren“, meinte er zu Holger. Danach drehte er den Kopf zu Philipp. „Nimms nicht so schwer. Jeder fängt mal klein an.“ Er betonte das klein natürlich extra, obwohl er selber auch gar nicht so extrem groß im direkten Vergleich mit Philipp war.

Irgendwann gab Philipp aber auf und ließ die beiden Experten alleine spielen. Sofort wurde das Spiel schneller und irgendwie auch professioneller. Zumindest kam es dem Ältesten in dieser Runde so vor.


Philipps Blick ging irgendwann zur Uhr. Er sollte innerhalb der nächsten halben Stunde mal los, aber er wollte sich auch gerne vernünftig verabschieden. Also mit einem Kuss. Sein Blick ging kurz nach unten und er fixierte die Stelle, an der Holgers Hand unter sein Shirt geschlüpft war. Wenn Bastian wüsste, was sie noch kurz vorher gemacht hatten… nur mit Müh und Not konnte er das Grinsen in seinem Gesicht zurückhalten.


„Jungs, macht ihr noch lange? Ich sollte nämlich so langsam nach Hause fahren.“


„Hat Claudia angerufen?“, grinste Bastian.


„Nein, genau deswegen fahre ich ja vorher“, gab er zurück und fühlte sich direkt komisch. Er hatte das immer noch nicht angesprochen bei Holger. Aber er wusste nicht und was er sagen sollte und überhaupt war die Situation einfach echt scheiße.


Holger verzog das Gesicht, versuchte sich aber nichts anmerken zu lassen, dass es ihn verletzte, wenn Philipp wieder zu Claudia fuhr.


„Wie lange darf man dich denn noch belästigen?“, versuchte Bastian jetzt bei Holger in Erfahrung zu bringen.


Solange ihr wollt“, grinste dieser, vermied den Blick zu Philipp vehement. Der Kapitän würde in den nächsten Minuten abhauen und ihn mit Bastian hier lassen. Wie schnell war der Nachmittag auch vergangen? Der gestrige kam ihm ewig vor, genauso wie der Abend und die Nacht. Und jetzt war Philipp da und die Zeit verflog regelrecht.


Bevor er ihn aber so ganz ohne Verabschiedung gehen lassen musste, stand Holger auf. „Ich bring dich noch zur Tür.“


Sofort wollte er zwar nicht los, aber er sagte nichts und nickte bloß. Er griff nach Schlüssel und Handy. Die Tasche vom Training hatte er im Auto gelassen.


„Bis Morgen, Basti und lass Sarah nicht zu lange warten“, grinste Philipp, schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter und folgte Holger in den Flur. Beinahe zufällig zog er die Tür komplett ins Schloss. Fast als hätte er sie nur anlehnen wollen, aber es war pure Absicht. Er brauchte einen Moment mit Holger alleine.




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Kommentare: 2
  • #1

    Engel (Montag, 04 Mai 2015 19:44)

    Also jetzt würde sich anbieten, dass die zwei beim Abschiedskuss in ihre eigene Welt driften und Basti dazu stolpert
    Dann könnte sich Holger ein mühseliges Geständnis sparen ;)
    Ich hab zwar eigentlich gehofft, dass dieses Kapitel kuschlig wird, aber Basti war dann auch in Ordnung :)
    Der will ja schließlich auch noch wissen was eigentlich los ist
    Verstehen kann man ihn da schon

  • #2

    Mailiw Alba (Freitag, 08 Mai 2015 23:37)

    NERVKÄSTCHEN HOCH 3! :D
    Ach Bastian, aber es ist auch gut denke ich wenn Basti und Holger sich wieder etwas näher kommen wenn sie doch die besten Freunde vorher waren oder noch sind.
    Mal schauen was noch so passiert.. :D
    Ich bin gespannt und hoffe mein Kaffeeshirt kommt mal wieder vor!!!!!!

    Mailiw