Kapitel 128 - Liebe mit Grenzen



Unsicher suchte Philipp seinen Blick.


Holger sah ihm seine Unsicherheit an. Und auch das Zögern in seinen Augen, was dem Innenverteidiger schmerzte zu sehen. Natürlich war es blöd für ihn. Richtig verletzend, dass er sich nur ein Doppelleben vorstellen konnte, aber lieber spielte er das Spiel mit und musste nicht auf Philipp verzichten. Das war für Holger das wichtigste.


Holger, ich…“, er brach ab, ehe er sich durch die Haare fuhr. „Man, wir müssen darüber reden. Ich will nicht, dass das für dich so blöd ist.“ Beinahe schon verzweifelt sah er ihn an. Philipp war klar, dass er das Arsch in dieser ganzen Situation war, aber was sollte er denn machen? Er wusste es nicht. Er wusste es einfach nicht…


„Das ist nicht blöd für mich“, log Holger ihn deshalb an und schüttelte den Kopf. „Ich wusste, worauf ich mich einlasse und gewöhne mich dran. Mach dir also keine Gedanken darüber, okay?“

Flehentlich sah er ihn an. Er wollte nicht auf ihn verzichten müssen und hatte Angst, dass dies doch bald eintrat. Holger wusste aber auch nicht was er tun sollte. Er hatte ihm schließlich nicht mal wegen des verpatzen Abends Vorwürfe gemacht. Nein, er hatte es hingenommen, alles in sich hineingefressen und sich gefreut, dass Philipp eben heute gleich nach dem Training vorbeigekommen war.


Philipp glaubte ihm kein Wort. Nicht mal ansatzweise. Vielleicht wusste er, worauf er sich da eingelassen hatte, aber es war blöd für ihn und dran gewöhnen würde er sich auch nicht. Zumindest nicht so schnell, aber vielleicht auch nie. Das war ja auch nicht das, was Holger wollte. Stumm seufzte Philipp. Der Augenblick war schlecht. Er beschloss in einer ruhigen Minute mit ihm zu reden und nicht, wenn Bastian direkt im Raum nebenan saß.


Holger glaubte schon, dass er sich jetzt etwas anhören musste. Eine Standpauke, weil er ihn anlog und die wollte er logischerweise nicht im Flur, in Bastians Nähe, halten.


Philipp schielte kurz zur Tür, ehe er Holgers Hand packte und ihn in die Küche zog, deren Tür aufstand.


Schweigend standen sie in der Küche. Holgers Gesichtsausdruck ängstlich und sein Blick richtete sich auf den Kapitän. Er hatte wirklich Angst Philipps Nähe zu verlieren. Und aufgrund dieser Angst nahm er dieses Doppelleben in Kauf. Der Ältere sah ihn stumm an, es war still, dass er die Hintergrundmusik von Fifa aus dem Wohnzimmer laufen hörte.


Philipp suchte den Blick in die tiefblauen Augen, ehe er sich auf Zehenspitzen stellte und ihn küsste. Der anfängliche Mut verließ ihn aber und so wurde der Kuss nur ganz zart.


Diese ganzen äußeren Eindrücke schwanden, als die zarten Lippen seinen Mund trafen. Aber warum nur so kurz und so zart? Konnten sie es nicht mittlerweile besser?


Philipp hatte plötzlich Angst bekommen, dass Holger das vielleicht nicht mehr wollte, weil er sich verletzt fühlte, da er zurück zu Claudia fuhr. Aber Philipp hatte ihn wenigstens noch mal leicht küssen wollen. Ein letzter Kuss, ehe sie sich wieder trennen mussten. Wann es wohl den nächsten geben würde?


Holger war in Versuchung seinen Arm um ihn zu schlingen und ihn näher an sich zu drängen, aber er ließ es bleiben und suchte lieber seinen Blick. Ein weitere Mal kam er nicht los von diesem Mix an blauen Augen. Für Holger waren diese viel schöner als seine eigenen. Philipps Augen waren warm und unglaublich tief, so als könnte man ihm direkt in die Seele blicken.


Holgers Anblick zerriss ihm das Herz. Philipp wurde bewusst, dass genau das eingetreten war, was er nie gewollt hatte. Er hatte ihn nie verletzen wollen. Er wollte ihn nie traurig machen, aber er hatte es geschafft. Es war grauenvoll zu sehen, wie Holger litt und da konnte er sagen, was er wollte, etwas anderes würde Philipp ihm nie glauben.


Phil... bitte beende es nicht“, bat er tonlos und senkte den Blick. Wenn der Kapitän es schaffte von den Lippen abzulesen, blieben ihm die Worte nicht verborgen. Ansonsten war es womöglich besser, wenn er das traurige, armselige Flehen nicht gehört hatte. Obwohl sie beide wussten wie unglaublich gut der Ältere dem Jüngeren tat. Dass er ohne ihn wieder in ein Loch fallen würde, war ebenfalls ersichtlich. Eine traurige Wahrheit. Aber Philipp sollte sich auch nicht deshalb verpflichtet fühlen bei ihm zu bleiben.


Der Jüngere formte etwas mit seinen Lippen. Etwas, was er nicht verstand. Philipp konnte nicht erkennen, was er gesagt hatte und er hatte es auch nicht verstanden, wenn er die Worte überhaupt ausgesprochen und nicht nur mit den Lippen geformt hatte.


„Kommst du wieder?“, fragte er hoffnungsvoll. „Wenn Claudia vielleicht mal selber unterwegs ist. Ich kann warten, wirklich.“ Holger würde ihn nicht drängen. Philipp sollte aus freien Stücken wieder zu ihm kommen.


Die nächsten Worte sprach er verständlich aus. Sie brachten Philipp zum Schmunzeln. „Natürlich komme ich wieder“, erklärte er direkt. „Und warten sollst du nicht. Nicht zu lange. Ich komme ganz bald wieder, das verspreche ich dir.“


Erst das Schmunzeln, dann die Worte ließen Holger lächeln. Philipp würde bald wiederkommen und würde das zwischen ihnen nicht beenden.


Er konnte nicht anders und umarmte den Jüngeren. Ganz feste schlang er die Arme um ihn. Er wollte doch auch wiederkommen. Philipp wollte Zeit mit Holger verbringen, ihn küssen, mit ihm kuscheln und einfach bei ihm sein und seine Anwesenheit genießen. Und wenn sie nur wieder Golfen fuhren. Es war ihm alles recht, aber er würde ihn gewiss nicht allzu lange warten lassen. Vor allem nicht, da er wusste, dass der Innenverteidiger unter der ganzen Situation litt. Irgendwie litten sie beide.


Durch diese Worte unglaublich froh und erleichtert erwiderte Holger die Umarmung fest und drückte ihm energisch einen Kuss aufs Haar.


Philipp spürte, wie Holger die Umarmung erwiderte und den Kuss auf seinem Haar. Er wusste, dass seine Worte ihm gut taten. Es war gut, dass er sie ausgesprochen hatte.


Ich liebe dich.“ Wieder formte er die Worte nur auf den Lippen, sprach sie bewusst nicht aus, um Philipp nicht weiter zu bedrängen. Er konnte sie nun mal nicht erwidern und das musste der Blonde eben akzeptieren.


„Holger?!“


Holger zuckte zusammen. Bastians Stimme kam aus dem Wohnzimmer. Kein Wunder, er brauchte nun schon ziemlich lange Philipp zu verabschieden.


Der Kapitän schaute auch verschreckt auf als Bastians Stimme erklang. Philipp wollte eigentlich etwas erwidern, aber er kam da nicht zu, fand sich plötzlich in einem wundervollen Kuss wieder. Ein letzter Kuss für diesen Tag.


Komm gut nach Hause“, flüsterte er ihm noch zu und vertiefte die Worte noch mit einem zärtlichen Kuss auf die Lippen. Er musste sich zwar meistens hinunter beugen, aber das war perfekt so. Der Kapitän war in seinen Augen perfekt, egal wie groß oder klein er war.
Die beiden tapsten wieder in den Flur und öffneten die Wohnungstür. Auf Holgers Gesicht war ein zufriedenes Lächeln erschienen. Den Gedanken an Claudia und Julian verdrängte er im Moment ganz gekonnt. Es hatte ihn so viel Freude bereitet, dass Philipp bald wiederkommen wollte.


„Mach's gut“, wünschte er und verschwand dann aus der Wohnung.


Holger sah Philipp noch nach, beobachtete ihn dabei, wie er die Treppen nach unten ging und hörte anschließend nur noch, wie die Haustür weit unten zuschlug. Das war für den Innenverteidiger das Zeichen die Wohnungstür zu schließen und sich Bastian zuzuwenden. Er ging zurück ins Wohnzimmer und musste sich dem fragenden Blick des Vizes stellen.



Kurz noch sah Philipp zurück, ehe er sich dann doch zu seinem Auto begab und zurück nach Hause fuhr.

Nach Hause... seine Frau und sein Sohn waren sein Zuhause. Aber was war Holger? Holger war mehr als nur ein Freund. Wenn er ehrlich war, war er gerade so etwas wie seine Affäre. Etwas, was er eigentlich nicht wollte. Nie hätte er sich träumen lassen, dass er seine Frau betrügen würde. Jetzt tat er es, weil Holger irgendwie in sein Leben getreten war. Irgendwie anders als sonst. Aber dieses irgendwie war toll. Er wollte nicht darauf verzichten. Aber er musste es irgendwann, wenn er sich nicht gegen Claudia entscheiden würde. Konnte er das? Philipp wusste es nicht. Er wusste im Moment nur, dass er nach Hause musste.



„Philipp wollte noch was trinken“, erklärte Holger ohne dass Bastian eine Frage stellte. Aber die hätte er gestellt, so gut kannte er den Älteren mittlerweile.


„Okay. Willst du noch 'ne Runde zocken?“


„Einmal will ich heute mindestens gegen dich gewinnen.“ Demonstrativ griff Holger zu dem Controller und präsentierte sich siegessicher. Er würde zwar nicht behaupten, dass er ohne Philipp besser spielte, aber er konnte seine Spieler freier und schneller steuern.


„Glaubst du Fips wird wirklich mal so gut wie wir? Ich hab da meine Zweifel“, fing er an über Philipps Zockerqualitäten zu reden.


„Das wird schon noch. Geduld wird es aber erfordern“, gab der Innenverteidiger schmunzelnd zurück. Genau wie er es wollte. Philipp sollte auch noch ganz oft bei ihm sein.


„Du weißt aber schon, dass es schwieriger wird, je älter er wird, oder?“


Holger schüttelte belustigt den Kopf. „Das musst du gerade sagen.“


„Was soll das denn heißen?“, lachte Bastian. „Ich bin jünger als Philipp.“


„Aber nicht viel“, hielt der Jüngere dagegen.


„Warts nur ab, du kommst auch noch in mein Alter und dann sollen Pierre, Mitchell und Patrick dich veralbern“, prophezeite er ihm.


„Ja ja“, winkte Holger nur ab. Die drei würden ihn nicht ärgern, weil sie zu viel Respekt vor ihm hatten. Dennoch empfand er es als amüsantes Wortgefecht.

Holger war positiv überrascht von Bastians Wandel. Er meinte es also tatsächlich ernst nicht mehr so viel nachzuhaken wegen seiner angeblichen Beziehung. Sie diskutierten fast ausschließlich über Fehlpässe, Torschüsse, Ecken und Schiedsrichterentscheidungen. Es störte den Innenverteidiger nicht einmal, dass er die restlichen Spiele andauernd verlor, denn das Gefühl, dass es zwischen ihnen wieder so war wie früher, war ihm viel mehr wert. Und irgendwie gehörten da auch seine Niederlagen dazu.

„Schön war's!“ Kumpelhaft und mit einem ehrlichen Lächeln legte er die Arme um Holger, zog ihn näher zu sich und klopfte ihm auf den Rücken. Auch er schien optimistisch zu sein, was ihre jahrelange Freundschaft angelangte. Holger tat dieser Rückhalt unglaublich gut. Gerade in Stunden, in denen er sich wegen Philipps Abwesenheit einsam fühlte. Er hatte nun mal keine Frau oder Freundin, zu der er fahren konnte, wenn der Kapitän nicht bei ihm war. Das wollte er auch gar nicht, er konnte keine Gefühle für jemand anderen einfach so erzwingen, als wäre es ein Lichtschalter, den man ein und aus knipsen konnte.


„Wir sehen uns dann morgen“, verabschiedete sich Holger von ihm.


Bastian nickte und verließ die Wohnung des Innenverteidigers. Dieser schloss leise seufzend die Tür hinter ihm. Auch, wenn es jetzt gut zwischen ihnen lief, wusste der Vize so vieles nicht.



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Kommentare: 3
  • #1

    minitini (Samstag, 09 Mai 2015 10:35)

    Ach Menno, warum muss es zwischen den beiden so schwierig sein???

    Ich hoffe sie sehen sich ganz schnell (uund vor allem ungestört) wieder.

    Und ich warte ungeduldig auf das nächste Kapitel. Ich bin richtig süchtig nach eurer Geschichte (und vor allem nach den beiden Lovebirds ;) )

    Liebe Grüße.

  • #2

    Engel (Sonntag, 10 Mai 2015 00:41)

    Holger würde es helfen wenn er nicht immer alles mit sich selbst ausmachen müsste
    Natürlich ist es schwierig, aber gerade jetzt wo Mario nicht mehr da ist's sollte er sich vielleicht doch Basti anvertrauen
    Auch auf die Gefahr hin, dass der sagt, Holger sollte sich in keine Familie drängen
    Holger und Philipp waren wieder erste sahne
    Eibfach do süß

  • #3

    Mailiw Alba (Sonntag, 10 Mai 2015 23:26)

    Ahwww Küsschen hier Küsschen da!
    Ach Basti und Holger nähern sich freundschaftlich wieder etwas an, das ist toll!

    Liebe Grüße
    Mailiw