Kapitel 134 – Nervosität vs. Geborgenheit



Erst am Morgen erwachte der Innenverteidiger und atmete tief durch. Den Geruch kannte er. Es roch nach Philipps Duschgel, das er immer nach den Spielen verwendete. Ein Lächeln legte sich wie von selbst auf sein Gesicht. Er war da. Er war tatsächlich zu ihm gekommen. Vorsichtig hob er den Kopf, damit er überhaupt etwas erkennen konnte außer der Dunkelheit, weil er mit dem Gesicht an Philipps Shirt gedrückt da lag. Da das Sonnenlicht durch die Vorhänge schaute, erkannte er auch, für welches Schlafshirt er sich entschieden hatte.
Holgers Lächeln wurde automatisch gutmütiger und liebevoller. Philipp schlief noch ganz ruhig und da er sich ganz leise verhielt, konnte er sogar seinem ruhigen Atem lauschen. Er ärgerte sich in diesem Moment, dass er heute noch an die Säbener Straße musste, um seine Reha fortzusetzen. Viel lieber hätte er jetzt mit Philipp im Bett gekuschelt. Natürlich konnte er sich für einen Tag mal krank melden, aber er wusste, dass er das nicht bringen konnte. Sein Comeback war ihm wichtig und auch der Kapitän würde das Schwänzen nicht dulden. Holger hob seinen Arm und streichelte zärtlich über die flauschigen braunen Haare, an dessen Spitzen er verschlafen zupfte.

Schlaf noch gut“, flüsterte er ihm zu und hauchte ihm einen Kuss auf die Nasenspitze, ehe er sich ganz leise aus dem Zimmer schlich, um sich fertig zu machen.


Philipp hatte zwar nicht mitbekommen, dass Holger aufgestanden war, aber diese schöne Wärmequelle an seinem Körper fehlte, was er deutlich spürte. Sein Schlaf wurde unruhiger, bis er schließlich ganz erwachte. Im ersten Moment musste er sich kurz orientieren, bis ihm klar war, dass er zwar bei Holger war, aber dieser irgendwie nicht anwesend zu sein schien.


Erst sprang Holger unter die Dusche, bevor er sich in die Küche setzte und Kaffee kochte.
Philipp wollte bestimmt auch einen trinken, wenn er aufstand. Erstaunt stellte er aber fest, dass die Kekse unberührt auf dem Tisch standen. Ob er sie nicht gesehen hatte? Oder wollte er vor dem Schlafen gehen nichts essen? Holger beschloss, diese einfach stehen zu lassen und für den Älteren aufzudecken, damit er ohne Arbeit frühstücken konnte.
Irgendwie war es ein tolles Gefühl zu wissen, dass Philipp im Schlafzimmer lag und nach der Rückkehr gleich zu ihm gekommen war.


Philipp warf einen Blick auf den Radiowecker und stellte fest, dass Holger noch da sein musste, da es noch nicht zu spät war.
Verschlafend gähnte er, stand auf und tapste aus dem Schlafzimmer. Sofort stieg ihm der Geruch von Kaffee in die Nase. Er folgte ihm und landete in der Küche.


Holger räumte sein Geschirr nach dem Frühstück in die Spülmaschine und hielt inne, als er Schritte hörte. Sein Blick ging zur Tür, in der kurz darauf Philipp erschien.


„Guten Morgen“, murmelte und gähnte direkt schon wieder. Für ihn war es doch etwas früh. Am liebsten hätte Philipp ja weiter geschlafen, aber er wollte auch nicht liegen bleiben, wenn Holger wach war. Außerdem hätte er eh nicht mehr so ruhig schlafen können wie vorher.


Guten Morgen“, grüßte er lächelnd zurück. Den verschlafenen Kapitän fand er schon in Trentino unglaublich süß.
„Du hättest noch weiterschlafen können“, erklärte er und warf einen prüfenden Blick auf die Uhr. „Ich muss sowieso gleich los.“ Doch ein wenig Zeit blieb zum Glück noch.


Nee, bin ja wach geworden“, erklärte er und rieb sich die Tränen aus dem Gesicht, die automatisch bei dem Gähnen seine Wangen herunterrollten. Grinsend sah er auf. „Meine Wärmequelle war weg.“ War ja nun mal so gewesen. Philipp tapste mit den nackten Füßen auf den Fliesen auf Holger zu.


Deine Wärmequelle wäre auch lieber liegen geblieben“, schmunzelte er und erwartete mit Vorfreude Philipps Arme um seinen Körper. Sofort tätschelte er dem Älteren grinsend den Kopf.


Wann bist du gestern gekommen? Konntest du noch gut schlafen?“, fragte er neugierig. Und irgendwie auch aufgeregt. Oder benahm er sich gerade wie eine Ehefrau? Er hoffte es nicht, da Philipp seine Launen schon einmal mit denen seiner schwangeren Frau verglich.


Ich glaube es war so eins als ich dann da war.“ Er zuckte mit den Schultern und legte die Arme um Holgers Hüfte, drückte sich leicht an ihn. Regelrecht strahlend sah er zu ihm auf.


Kein Wunder, dass du jetzt müde bist. Und wahrscheinlich fertig von den Tagen mit Basti.“ Aber das wunderschöne Lächeln war dem Kapitän anscheinend nicht vergangen.


Und geschlafen habe ich wundervoll. Hast du mich denn gar nicht irgendwie gehört oder so?“


Hört man gerne“, grinste er. Wow! Philipp hatte bei ihm wundervoll geschlafen. Man schlief doch nur wundervoll, wenn man sich beim anderen wohl fühlte, oder? Pudelwohl vielleicht sogar.

Nein, ich hab tief und fest geschlafen.“ Es war schade, aber doch erfreute sich Holger einfach nur daran, dass Philipp bei ihm war. Und das nicht nur, weil es ihm schlecht ging, so wie vor einigen Wochen.
„Kaffee ist schon fertig. Frühstück ist auch angerichtet. Bedien dich, wenn du willst“, bot er ihm an.

Bleibt es dabei, dass ich nach der Reha zu dir komme?“, vergewisserte er sich. Wenn er ehrlich war, wäre es ihm lieber, wenn sie sich bei ihm trafen. Bei Philipp war es komisch. Dort wohnte seine Frau und in deren Bett konnte sich Holger sicher nicht entspannen und sich behaglich an ihn kuscheln.


Ich lege mich gleich wieder ins Bett… am besten du kommst wieder hierher, dann muss ich nicht auf die Uhr gucken“, grinste Philipp. Eigentlich war es auch egal, ob hier oder bei ihm. Aber etwas anderes war nicht egal.


Also nicht zu dir.“ Holger war irgendwie erleichtert, ließ es sich aber nicht anmerken.


Irgendwie war Philipp schon etwas verwundert. Warum betonte Holger das so, dass sie nicht zu ihm fuhren? Wollte er das nur klären oder wollte er nicht zu gerne zu ihm? Aber warum nicht? Claudia war ja nicht da und Julian auch nicht. Er kam nicht darauf, aber er war sich fast sicher, dass Holger wirklich nicht wollte, deswegen willigte er ein.


Willst du den ganzen Tag faul im Bett liegen? Der Flur müsste mal wieder gesaugt werden“, witzelte er. Holger hatte ja erst gestern gründlich geputzt, da wäre heute schon wieder Staub zu saugen überflüssig.


Nee, nee, Putzfrau spiele ich sicher nicht“, lachte Philipp. Viel eher würde so etwas wie eine gute Fee sein und das Bad dekorieren. Wenn nicht bei ihm, dann eben hier.
„Wenn ich aber keinen Kuss kriege, bevor du fährst, dann verstecke ich mich irgendwo in München und du musst mich erst noch suchen.“ Okay, das war eine leere Drohung, eine ganz leere sogar, aber er wollte gerne einen Kuss haben. Und die Möglichkeit einen zu fordern, fand er ganz angemessen eigentlich.


„Das Risiko werd ich nicht eingehen.“ Wie selbstverständlich Philipp nach einem Kuss verlangte... es war, als lebte er gerade einen Traum. Genau, wie er damals 2010 in die Nationalmannschaft berufen wurde und die Weltmeisterschaft in Südafrika miterleben durfte. Da hatte er auch geglaubt, dass das nicht real war, weil er das immer wollte. Gut, Philipp wollte er nicht schon immer, aber die Wichtigkeit und Präsenz von Wünschen definierte sich nicht über einen Zeitraum.
Wie gewohnt musste sich Holger zu Philipp hinunter beugen, um seine Lippen schmecken zu können.


Philipp grinste in den Kuss, den er nur zu gerne erwiderte. Es tat gut hier so ungestört mit ihm zu stehen und ihn zu küssen. Seine Lippen zu fühlen, zu schmecken und im Hintergrund seinen unruhigen Herzschlag zu hören.


Mit geschlossenen Augen bewegte er sanft seine Lippen gegen seine und löste den Kuss nach einigen, intensiven Momenten wieder. „Zufrieden? Ich will dich nicht nachher suchen müssen.“


Ja, doch, ist okay“, gab er schmunzelnd zurück und löste sich von Holger.


Okay klang nicht sehr überzeugend, aber das Schmunzeln ließ Holger vermuten, dass es nicht ganz so ernst gemeint war. Satt einer kurzen Wiederholung des Kusses, erhielt der Jüngere die Antwort auf seine Frage, warum die Kekse noch unberührt da standen.


Wie war das mit Kaffee? Steht er auf dem… was ist das?“


Leider löste sich der Kapitän deshalb von ihm, um sich dem Gebäck zu widmen. Holger freute sich irgendwie, dass nicht die Kekse, sondern der Zettel die größere Aufmerksamkeit erhielten.


Philipp bemerkte die Kekse mit dem deutlich lesbaren Zettel daran. Er ging näher und griff danach, las ihn gleich nochmal. Dann drehte er sich zu Holger um. Selig lächelte er den Größeren an.


Die standen eigentlich gestern schon da“, erklärte er und konnte den verliebten Blick einfach nicht von Philipp nehmen. „Aber du hast sie wohl nicht gesehen.“


Du bist süß, danke…“ Er ließ es sich auch nicht nehmen wieder zu ihm zurückzugehen, die Hände an seine Wangen zu legen, sich hochzubeugen und ihn sanft zu küssen.


Verlegen lächelnd tat er es ab und ließ sich von ihm küssen. Automatisch senkte er seinen Kopf, damit Philipp sich nicht zu sehr strecken musste. Er legte seine Hände auf Philipps, die an seinem Gesicht ruhten. Es fühlte sich toll an diese starken Hände auf seiner Haut zu fühlen.
„Ich würde gerne noch bleiben und dich weiter küssen, aber... die Zeit ist gegen uns.“ Er seufzte, entfernte sanft die Hände von seinem Gesicht, aber setzte auf beide Handrücken noch jeweils einen Kuss.
„Bis später“, lächelte er, küsste Philipps Stirn und holte seine Jacke, die er sich über das Handgelenk warf, ehe er die Wohnungstür hinter sich zu zog.


Bis später“, lächelnd sah Philipp ihm nach. Es war toll, wie Holger mit ihm umsprang. Die Küsse gerade zeigten ihm, dass er dem Jüngeren wirklich unglaublich viel bedeutete. Andersrum war es aber eben genauso.

Philipp schnappte sich erst mal eine Tasse, goss sich Kaffee ein und tapste ins Badezimmer. Er öffnete die Tür und lehnte sich dann gegen den Rahmen. Die Kerzen von der Fensterbank waren verschwunden, was ihm ein trauriges Lächeln auf die Lippen zauberte. Aber er wollte es ja wieder gut machen. Heute Abend. Er überlegte, wie er das alles stellen konnte. Am besten er schaute später. Er hatte ja eh Zeit bis Holger wieder kommen würde.
Er verschwand also wieder und frühstückte erst mal, bevor er unter die Dusche sprang. Irgendwie war es komisch sich alleine in Holgers Wohnung frei zu bewegen. Ungewohnt einfach. Ob das jetzt öfter der Fall sein würde? Die Zukunft würde es zeigen.



Das Wissen, dass Philipp in seiner Wohnung auf ihn wartete, war aufregend für den verliebten Innenverteidiger. Wie der gemeinsame Abend wohl ablaufen würde? In diesem Moment dachte er gar nicht daran einen Schritt weiterzugehen. Bestimmt hatte es seine Gründe, warum es neulich nicht klappte, womöglich sogar ein Zeichen, dass er es doch nicht wagen sollte. Denn damit würde er Philipp doch irgendwie drängen.
Stunde um Stunde verging. Die Mittagspause zog sich, denn keiner der anderen Jungs war wegen ihres freien Tages anwesend. Ihm kam auf der ganze Tag unglaublich lang vor. Es war doch grausam, wenn man sich auf etwas freute, aber die Zeit bis dahin einfach nicht vergehen wollte.



Den Rest des Tages verbrachte Philipp damit nach Hause zu fahren, einige Sachen zu holen und dann noch einkaufen zu fahren. Er wollte kochen. Es sollte einen Auflauf geben mit Nudeln, Hähnchenfleisch, leckerer Soße und Käse überbacken. Den bereitete er kurz nach Mittag vor, so mussten sie ihn später nur im Backofen anstellen.
Anschließend ging Philipp ins Bad. Er machte das Radio dort an und sang leise die Lieder mit, während er den Raum mit Kerzen dekorierte. Er wollte nicht in Holgers Schränken wühlen und nahm so die, die er selber gekauft hatte. Er hatte sogar vorhin noch Badeschaum geholt. Holger würde sich doch freuen, oder? Er hoffte es einfach mal. Am besten sie aßen später, dann würde er sich kurz entschuldigen, die Kerzen anzünden und Holger mitnehmen. Ja, das klang doch nach einem guten Plan.
Das einzige Problem – wenn man es denn so nennen konnte – war Philipps Nervosität. Allein der Gedanke daran war für ihn total aufregend. Er hatte auch etwas Angst. Angst, von der er sich erhoffte, dass Holger sie ihm nehmen würde.

Nachdem also alles perfekt vorbereitet war, verkrümelte Philipp sich ins Wohnzimmer. Füße hoch und dann zappte er durch die Programme des Fernsehers. Irgendwie kam nichts Vernünftiges. Sein Blick fiel auf die Playstation. Kurz überlegte er, rappelte sich dann wieder auf und startete sie. Er würde gegen den Computer spielen. Irgendwie musste er sich ja mal verbessern. Gegen Bastian war er ja auch sang- und klanglos untergegangen.


Holger wurde sogar etwas früher in den Feierabend entlassen und kam kurz nach fünf zu Hause an.




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Kommentare: 1
  • #1

    Engel (Montag, 29 Juni 2015 18:06)

    Ihr seid ja wahnsinnig^^
    Ich hab so dämlich gegrinste beim Lesen weil die beiden so herrlich liebevoll miteinander umgegangen sind.
    Da war so viel Liebe =) Auch von Philipps Seite!
    Echt toll!!!!
    Schade, dass sie beim Aufstehen nicht mehr Zeit hatten. Das holen sie hoffentlich alles jetzt am Abend nach :)
    Schreibt bitte schnell weiter!!! Kanns kaum erwarten ;)