Kapitel 65 - Werd bald gesund



Der Kapitän folgte ihm mit den beiden Gläsern. Sie waren beide halbvoll. Vielleicht hatte Holger Recht und er könnte es wirklich gebrauchen, aber dann konnte er sich immer noch nachschenken.
Mit dem Fuß kickte er die Tür zu, stellte dann die Gläser ab und ließ sich links neben Holger fallen. Er grinste ihn an. „So, dann wollen wir mal gucken, wo hoch ich jetzt verliere.“ Philipp griff sich einen Controller und wartete gespannt ab.

Noch bevor das Spiel startete, durfte Holger wieder einmal feststellen, dass Philipp ein guter Verlierer war. Vermutlich genauso wie beim Schiffe versenken, obwohl eigentlich der Kapitän gewonnen hätte. Sofern es fair zugegangen wäre und Schwester Anna ihm nicht die Stellung seiner Schiffe verraten hätte.

Die beiden stellten ihre Mannschaft zusammen und starteten das Match rasant. Obwohl Philipp sich sichtlich bemühte Holgers Männchen den Ball abzuluchsen, dribbelte dieser geschickt an den Abwehrspielern vorbei und erzielte das erste Tor.
Er verkniff sich die Frage, ob Philipp denn verstanden hatte, welche Bewegungen, die verschiedenen Knöpfe am Controller auslösten und nickte grinsend in Richtung der Gläser. „Auf das erste Tor stoßen wir an, oder?“

„Wie oft zockst du eigentlich Fifa?“, erkundigte sich Holger, während Philipp ihm ein Glas reichte. Irgendwie wusste er das gar nicht, bisher hatten sie noch nie miteinander gespielt.
Als die Gläser aneinander stießen und Holger einen Schluck Wein zu sich nahm, ignorierte er das merkwürdige Druckgefühl in seinem Oberbauch und versuchte sich dem Zocken zu widmen.

Seufzend ließ Philipp sein Glas gegen Holgers klirren. „Es wäre mir lieber gewesen, es wäre mein Tor“, gab er zu. „Aber da kann ich wohl lange warten. Ich zocke gar nicht so oft.“ Er zuckte mit den Schultern. „Also schon hin und wieder… so genau kann ich das gar nicht sagen. Ich sollte aber öfter spielen, sonst habe ich ja nie eine Chance gegen dich.“

Anstoß. Philipp gab sich alle Mühe, aber Holger war einfach zu gut. Immer wieder verlor er den Ball oder seine Schüsse wurden pariert. Inzwischen stand es sogar 4:0 für Holger. Alle Tore waren viel zu einfach gefallen. „Wo ist meine Abwehr?“, hatte er geschimpft, aber geholfen hatte es nichts. Durch das vierte Tor hatte Philipp wieder den Ball. Er dribbelte nach vorne und war wildentschlossen auch endlich mal zu treffen.

Wo Philipps Abwehr war, hatte sich Holger zwischendurch auch hin und wieder gefragt, aber quittierte die kläglichen Versuche des Kapitäns ein Tor zu erzielen lediglich mit einem leichten Schmunzeln. Eben jenes verging dem Innenverteidiger langsam aber sicher. Er fühlte sich von Minute zu Minute unwohler in seiner Haut.
Obwohl sich bei Holger eine gewisse Kälte einschlich, bildete sich auf seiner Stirn leichter Glanz, den er hastig mit seinem Ärmel zu entfernen versuchte. So merkte er auch, dass er unruhig wurde und sich das mit einem leichten Zittern bemerkbar machte. Was war denn jetzt bloß los?
Der Blonde kniff seine Augen zusammen, schaute auf den Fernseher und beobachtete, wie Philipp einen nächsten Angriff durchführte. Seine Mannschaft tätigte hilflose, fast schon auffällig schlechte, Versuche ihn aufzuhalten.
Es wurde Holger aber unmöglich sich weiter auf den Flachbildschirm vor ihm zu konzentrieren, als die Kombination Alkohol und Medikamente in seinem Magen zu rebellieren schien.
Philipps Mannschaft konnte also so gut wie ungehindert auf das Tor zustürmen, ohne dass Holger etwas tun konnte, denn dieser hatte schon eine Schonhaltung eingenommen, in dem er sich vor Schmerzen leicht krümmte und den Blick senkte, dass er lediglich den Boden ansehen konnte. Das einzige, was darauf hindeutete, dass er noch im Spiel war, waren seine Hände, die sich beinahe schon an dem Controller festkrallten.

Philipp konnte es nicht glauben. Er hatte tatsächlich ein Tor geschossen. „Ja, man!“, jubelte er zwar, aber das war fast schon zu einfach. „Oder warst du extra schlecht,“, Philipp wandte sich seinem Mitspieler zu, „um mir… Holger? Holger, alles okay?“ Besorgt legte er den Controller zur Seite. Während sein Tor in der Wiederholung lief, legte er besorgt eine Hand auf seine Schulter. „Was hast du denn?“

Er hörte, dass Philipp etwas sagte, aber nicht mal auf das konnte er sich noch konzentrieren. Er legte verkrampft den Controller zur Seite, um sein Gesicht in den Händen zu vergraben. „N-nichts... es geht bestimmt gleich wieder.“ Nicht, dass er selber sicher war, aber er versuchte es sich wenigstens einzureden. Man sollte doch positiv denken. Obwohl dieser heftige Druck in der Magengegend fast schon unerträglich war und keine positiven Gedanken zulassen wollte.
Holger atmete hörbar aus und drehte dann seinen Kopf leicht zu Philipp. Ein gequältes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Jetzt hast du endlich auch ein Tor geschafft.“
Langsam konnte er sich auch denken, was für diesen Zustand verantwortlich war. Es war doch so ein toller Abend, warum musste es jetzt so kommen?
Wieder wischte er sich über seine schweißnasse Stirn und senkte seinen Blick. Zeitgleich beugte sich auch sein Körper ein Stück weiter nach vorne und seine rechte Hand umschlang seinen Körper.

„Quatsch, das geht nicht gleich wieder“, stellte Philipp direkt fest. „Hast du eine Wärmflasche? Wärme beruhigt den Bauch wieder. Und hör auf Witze zu reißen“, schmunzelte er dann. „Mir wäre es lieber, dir ginge es gut und ich hätte kein Tor geschossen.“ Aber er nahm es positiv auf, dass Holger immer noch in der Lage war zu scherzen.
Philipp stand auf. „Leg dich erst mal hin, entspann den Bauch etwas.“ Sanft drückte er ihn etwas zurück. „Zocken können wir später immer noch.“

„Man kann scheinbar nicht alles haben“, konterte er und ließ sich widerwillig von Philipp aus seiner gekrümmten Körperhaltung befreien.
„Ja... eine müsste im Schlafzimmer im linken Schrank hinter der Tür sein“, beantwortete er anschließend seine Frage, allerdings fiel Holger im nächsten Moment ein, was genau das für eine Wärmflasche war. Er benutzte so gut wie nie eine, deshalb lag sie beinahe unberührt im Schrank mit einem Häschenüberzug über der Flasche.
„Ich glaube, ich brauche doch keine. Es geht auch ohne.“

Irritiert musterte Philipp Holger kurz. „Doch, ich mache dir eine“, beschloss er und verschwand, ehe er aufgehalten werden könnte. Im Schlafzimmer öffnete er den besagten Schrank und musste einen Moment suchen, bevor er einen flachen Stoffbezug fand. Er griff danach, zog es hervor und war überrascht als ihm plötzlich Stoff entgegenkam, der von der Wärmflasche hing. Er blinzelte und musterte das, was er da sah. Langsam erkannte er, dass das wohl Ohren waren… tatsächlich, Hasenohren! Und sogar einen Puschelschwanz hatte die Wärmflasche. Jetzt wusste er, warum Holger doch keine Wärmflasche haben wollte.

Schmunzelnd ging Philipp damit in die Küche, stellte Wasser an und füllte das heiße Wasser in den vorgeheizten Behälter.

Holger legte seinen Kopf in den Nacken, fuhr sich mit den Händen abermals übers Gesicht und schloss seine Augen. Als ob das hier nicht schon schlimm genug war, fand der Ältere auch noch seine Häschenwärmflasche. Warum dachte er nicht einfach nach, bevor er etwas sagte? Dann hätte er einfach verneint, er hatte keine... allerdings gaben die Schmerzen und die Kälte Philipp recht. Eine Wärmflasche würde bestimmt etwas helfen.

Ein Grinsen konnte Philipp sich nicht verkneifen, als er ins Wohnzimmer zurückkam: „Eines der peinlichen Geschenke, die Mütter schon mal mitbringen, oder woher hast du die?“
Vorsichtig legte er sie auf Holgers Bauch und stand dann etwas unschlüssig vor ihm.

Zu seinem Glück bot der Kapitän aber eine optimale Ausrede über die Herkunft der Wärmflasche, weswegen er leicht nickte. Dessen Grinsen machte es für Holger nicht gerade besser und hätte ihn, wenn er nicht so blass gewesen wäre, sicher erröten lassen.
„Danke.“ Vorsichtig legte er sich hin.

Kurzerhand setzte Philipp sich wieder, rutschte näher an Holger, dass der seinen Kopf auf seine Beine betten konnte. „Kann ich sonst noch was für dich tun?“

Holgers Kopf lag nun auf Philipps Beinen, sein Blick auf sein Gesicht gerichtet, bevor er erschöpft die Augen schloss. Die Wärmflasche drückte er fest an sich.
„Verderb ich uns nicht mit meinen Launen die Stimmung, mach ich sie eben so kaputt“, murmelte er seufzend und versuchte nicht zu jammern. Es wurde einfach nicht besser, trotz der Wärmflasche. Sein gesundes Bein zog er etwas an und öffnete seine Augen, um einen kurzen Blick auf den Flachbildschirm zu erhaschen. Philipp wollte er jetzt nicht ansehen, zu peinlich waren ihm diese unfreiwilligen Magenschmerzen.

„Sag doch so was nicht. Da kannst du ja auch nichts dafür, dass du jetzt hier liegst.“ Philipp wollte ihm durchs Haar streichen, als ihm auffiel, dass Holger schwitzte.

Oh doch, das konnte er schon. Hätte er nur ein paar Stunden weiter gedacht, hätte er sich das Nachschütten des Weins, oder überhaupt den Genuss von Alkohol in Kombination mit den neuen Tabletten schenken können.

Vorsichtig ließ Philipp den Kopf wieder auf das Sofa sinken. „Bin gleich wieder da.“

Es war unangenehm für den Innenverteidiger, als Philipp aufstand und er ganz flach auf der Couch lag.

Der Kapitän verschwand im Bad und suchte dort nach einem Waschlappen. Er fand zumindest ein kleines Handtuch. Das machte er nass und eilte zurück ins Wohnzimmer. Dort bettete er den Kopf wieder auf seine Beine und fuhr sanft mit dem Handtuch über Holgers Stirn.

Obwohl er schon alt genug war jetzt alleine zu bleiben, war Holger erleichtert, dass der Kapitän wieder zu ihm kam und er sich wieder auf seine Beine legen konnte. Der kühle Lappen ließ den Innenverteidiger reflexartig die Augen schließen. Er war froh, dass er durch die Wärmflasche und dem nassen Handtuch von der Kaltschweißigkeit befreit wurde.

„Was hast du denn gemacht, dass es dir jetzt so scheiße geht? An der Pizza kann es nicht liegen, oder?“  Philipp ließ das Tuch auf der Stirn liegen, aber so, dass es ihm nicht auf den Augen lag.

Die Frage holte Holger aber schnell wieder in die Realität zurück. Träge öffnete er seine Augen und sah Philipp einen Moment lang traurig an, bevor die Lider sich wieder über die Pupillen zogen. „Vielleicht vertrag ich die neuen Tabletten nicht, die Müwo mir heute gegeben hat“, gestand er leise. Wieder zog es unangenehm unter seinem Brustkorb und brachte Holger dazu angestrengt ein- und auszuatmen.

„Du hast neue Tabletten bekommen?“, fragte Philipp nach. Er konnte sofort eins und eins zusammenzählen. „Ich hätte den Wein gar nicht erst mitbringen sollen“, grummelte er in seinen nicht vorhandenen Bart.

In Holgers Ohren klangen die Worte vorwurfsvoll, aber sie richteten sich erstaunlicherweise gegen Philipp selbst. Er hob einen Arm und zupfte an Philipps Shirt, damit dieser zu ihm hinunter sah, ehe er leicht lächelnd den Kopf schüttelte. „Das war meine eigene Schuld... ich dachte, da ich auch was esse, verträgt sich das schon. Und ich würde es auch nicht rückgängig machen wollen. Bis auf die Krämpfe war der Abend doch schön... oder?“

„Ja, der Abend war sehr schön“, bestätigte Philipp. „Leider nur zu schnell vorbei. So hatte ich gar keine richtige Chance mich gegen dich zu behaupten.“ Er schmunzelte leicht. Als wenn er diese Chance jemals gehabt hätte.

Holger ließ seinen Arm wieder sinken und spielte nun, um sich abzulenken mit den Öhrchen des Überzugs, während Philipp beruhigend mit dem nassen Tuch über seine Stirn tupfte.

„Kann ich noch was für dich tun?“

„Du tust doch schon genug für mich“, lächelte Holger ehrlich und suchte für einen Moment Philipps Blick.

„Aber es geht dir ja nicht besser“, stellte er dann fest. Philipp erwiderte zwar das Lächeln, aber die Sorgen blieben. Schmerztabletten verursachten die Krämpfe, also waren diese ausgeschlossen. Womöglich musste Holger das einfach durchstehen bis es ihm besser ging. Eine andere Möglichkeit sah Philipp nicht. Gut, er könnte den Notdienst anrufen, aber das war sicher nicht in Holgers Interesse. Genauso wenig wie es eine Alternative war Müwo anzurufen. Also blieb Philipp nichts anderes übrig als Holger sanft die Stirn abzutupfen und zu hoffen, dass es ihm bald besser ging.

So gut ihm Philipps Nähe auch tat, schaffte er es nicht zu verhindern, dass er unruhiger wurde. Das Liegen war nicht schlecht, aber irgendwie zu flach. Oder lag es nur an den wiederkehrenden Magenbeschwerden, dass er nicht ruhig liegen konnte und sich immer wieder von der einen Seite zur anderen drehte? Dabei bewegte er sein gesundes Bein unweigerlich mit, winkelte es hin und wieder an und war bloß froh, dass wenigstens sein kaputtes Knie Ruhe gab.

Der Ältere schwieg während er Holger beobachtete. Er hatte das Gefühl als ginge es ihm von Minute zu Minute schlechter und nicht besser. „Willst du dich vielleicht in dein Bett legen? Vielleicht schaffst du es ja trotzdem zu schlafen.“ Allerdings glaubte er seinen eigenen Worten nicht. Vielleicht sollte Holger sich einfach den Finger in den Hals stecken, damit alles rauskam… oder würde er sich eh früher oder später übergeben? Philipp wusste es nicht, er hatte so was noch nie erlebt, aber Holger würde schon wissen, was gut für ihn war. Hoffte er zumindest.

Dem konnte Holger nur zustimmen, so gut es ihm eben in seiner momentanen Situation möglich war. Er müsste schon lügen und ein sehr guter Schauspieler sein, um glaubwürdig behaupten zu können, dass es schon etwas besser wurde. Denn sowohl seine Gesichtsfarbe, als auch seine Mimik und Gestik sprachen für das komplette Gegenteil.
„Nein“, seufzte er, drehte sich zu Philipp und lehnte seine Stirn gegen dessen Bauch. Den Kopf hatte er einzogen, während er die Wärmflasche immer fester an seinen Bauch drückte. Wenn er ehrlich war, wollte er jetzt nur nicht aufstehen, aus Angst ihm könnte auch noch schwindlig werden. Und diese Peinlichkeit, vor Philipp auf den Boden zu fallen, ersparte er sich liebend gerne. Holger atmete geräuschvoll ein und aus, nahm so den Geruch des Kapitäns auf und schloss seine Augen. „Ich wünschte, wir könnten gleich noch weiterspielen. Dann könntest du dich beweisen“, scherzte er, seufzte aber im nächsten Moment.
„Vergiss das Spielen doch mal“, Philipp klang etwas streng. „Das können wir immer noch wann anders wiederholen.“

„Ich muss mich doch irgendwie ablenken“, nuschelte er und grinste leicht. „Du erzählst ja nichts.“ Er würde es eigentlich begrüßen, wenn Philipp irgendetwas plauderte, um ihn abzulenken, anderseits war die Ruhe zwischen ihnen gerade auch ziemlich angenehm.

„Ich soll was erzählen? Was denn?“ In so was war er noch nie gut gewesen… er könnte von Julian erzählen, aber ob Holger das gefallen würde? Von der Mannschaft wollte er nicht reden. Was blieb sonst noch? Er könnte von Hawaii erzählen, darüber hatten sie noch kein einziges Wort verloren. Allerdings wohl auch nicht umsonst.

„Hm, ich sollte vielleicht eh erst mal Zuhause üben, wenn ich auch nur den Hauch einer Chance gegen dich haben will“, lenkte er das Gesprächsthema deshalb auf auf das Zocken.

„Ich kann ja mit dir üben“, bot er Philipp an. Eigentlich auch purer Eigennutz. So konnte er den Kapitän für sich haben und mit ihm Zeit verbringen, ohne, dass es zu auffällig war, dass er seine Nähe suchte.

„Wie großzügig“, grinste der Kapitän ihn an.

„Ich bin froh, dass du hier bist“, murmelte er kaum verständlich. Es ging nicht darum, dass er nicht alleine sein wollte. Einzig und allein Philipps Anwesenheit zählte für den Innenverteidiger, besonders in den Moment, als er einen schmerzerfüllten Laut zu unterdrücken versuchte, aber kläglich scheiterte.

Mit Sorge im Blick schaute Philipp auf den Innenverteidiger hinunter. Sanft strich er durch die Haare, konnte die Stirn gerade ja schlecht abtupfen. „Ich lasse dich jetzt auch nicht alleine.“ Immerhin war er mehr oder weniger Schuld, dass es ihm so schlecht ging. Klar, Holger hatte für sich entschieden den Wein zu trinken, aber eigentlich war es verantwortungslos gewesen eine Flasche mitzunehmen. Und uneigentlich auch. Es war verantwortungslos gewesen. Punkt.
„Willst du vielleicht ein bisschen Wasser trinken?“ Ein hilfloser Versuch, aber Philipp wollte irgendetwas tun. Er kam sich so unnütz vor, wenn er nur hier saß. Er wollte Holger doch helfen, aber er wusste nicht wie.

Es war für Holger beruhigend, dass ihm so sanft durch die Haare gestrichen wurde. Und doch fand er seinen Vorschlag etwas zu trinken zu holen doch ganz gut. Sein Mund fühlte sich ganz ausgetrocknet an, zumal er immer noch den Wein schmeckte, und vielleicht würde ein stilles Wasser seinen Magen ein wenig zur Ruhe bringen. Er nickte träge, stemmte sich dann mit einem Arm auf der Couch ab, damit Philipp aufstehen konnte.

Philipp stand auf als Holger ihm die Möglichkeit dazu gab.

Holger zuckte mit den Schultern. Er kam nicht dazu etwas vorzuschlagen, da verschwand Philipp auch schon und ließ ihn auf der Couch zurück.

Der Ältere hatte aus der Küche ein Glas Wasser geholt, hockte sich dann neben Holger und hielt es ihm hin.

Erst als er wiederkam, bemühte sich Holger seinen Oberkörper aufzurichten, damit er anständig trinken konnte. Langsam, Schluck für Schluck, nippte er an seinem Glas und richtete den Blick auf den Boden.

„Willst du wirklich nicht ins Bett? Da kannst du dich auch zudecken“, versuchte er es nochmal. Philipp war der Überzeugung, dass es besser war für Holger, wenn er im Bett liegen würde, aber das musste der Jüngere selber entscheiden.

„Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, was besser ist“ Holger sah hilflos auf. „Aber schlimmer kann es ja eigentlich auch nicht werden.“ Außer er würde hinfallen und sich etwas brechen, aber man musste nicht immer gleich den Teufel an die Wand malen.

Philipp sah in Holgers Ausdruck eben jene Hilflosigkeit, die er selber auch an den Tag legte. Aber ein Versuch war es wert, oder nicht?
„Dann komm“, er half Holger hoch, legte ihm dann einen Arm um die Hüfte, um ihn beim Gehen zu stützen. Das war eh so eine Sache mit den Krücken und seinem Bein. „Geht das so?“, Philipp kam sich reichlich bescheuert vor gerade. Wie das wohl aussehen musste… aber gaben sie beide nicht eh immer ein seltsames Bild ab?

Philipp bevorzugte Taten anstatt Worte, half ihm hoch und legte den Arm um seine Hüfte, was den Innenverteidiger kurz zusammenzucken ließ. Das geschah jetzt irgendwie... schnell. Auch wenn es aussah, als stützte er einen alten Mann, der nicht mehr alleine gehfähig war, merkte Holger doch die Sicherheit, die sich durch Philipps Nähe auf ihn übertrug. „Danke“, meinte er ehrlich und hopste vorsichtig mit der Hilfe des Kapitäns ins Schlafzimmer. Erst jetzt stellte er fest, dass er die Wärmflasche vergessen hatte. Aber er sagte dazu nichts, er wollte Philipp sicher nicht dazu benutzen ihm herumzuscheuchen.

Vorsichtig ließ er Holger auf dem Bett nieder, lächelte ihn aufmunternd an. „Weißt du was? Ich hole dir jetzt noch ein Glas Wasser, mache dir einen Tee und die Wärm-… wo ist die Wärmflasche? Ach, noch im Wohnzimmer? Auf jeden Fall mache ich die auch noch mal neu, okay?“

Philipp wartete das Nicken gar nicht erst ab, sondern verschwand sofort. Dann konnte Holger sich auch in Ruhe umziehen. Zum Schlafen war es zwar eigentlich noch zu früh, aber… war jetzt halt so.

Noch ehe Holger tatsächlich nicken konnte, war Philipp auch schon wieder verschwunden. Seufzend saß er auf seinem Bett, lehnte vorsichtig die Krücken gegen die Wand und zog sich sein Shirt vom Körper. Sofort spürte er die Kälte, die sich um ihn legte und das unangenehme Gefühl seiner Magenschmerzen. Damit er sich ganz schnell ins Bett kuscheln konnte, streifte er sich sein schwarzes Schlafshirt über und zog sich auch die Hose vorsichtig von den Beinen. Er fragte sich, ob und wann Philipp heimfahren würde. Zwar hieß es, er ließ ihn nicht allein, aber galt das für den restlichen Abend, vielleicht sogar für die ganze Nacht? Zu wünschen wäre es, doch Holger wollte sich in dem Fall keine Hoffnung machen. Natürlich könnte er jammern, damit der Kapitän sich gar nicht trauen würde zu fahren, aber das war nicht sein Stil. Allerdings brauchte er, wenn das so weiterging, gar nichts vortäuschen, denn der Schmerz und das unwohle Gefühl von frieren und schwitzen zugleich ließen ihn gar nicht zur Ruhe kommen. Erneut verzog er schmerzerfüllt das Gesicht, als er sich auf die Seite legte und die Decke fast vollständig über sich zog.

In der Küche stellte Philipp Wasser an und durchsuchte dann die Teesorten. Vielleicht hatte Holger etwas Magenschonendes da, aber dem sah nicht so aus. Dann musste ein normaler Früchtetee reichen.

Danach ging er ins Wohnzimmer, um erst mal den Fernseher auszustellen und dann die Wärmflasche zu holen. Er wollte das Zimmer gerade wieder verlassen, da fiel sein Blick auf das Häschen auf dem Regal. Philipp stockte, ging dann aber ohne zu zögern zu ihm und drückte vorsichtig auf das Öhrchen. Get well soon.

Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen und er ging zurück in die Küche, um dort zu Ende machen, was er begonnen hatte. Unter dem Arm die Wärmflasche, in einer Hand das Glas und in der anderen die Tasse ging er zurück ins Schlafzimmer zu Holger.



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