Kapitel 101 – Marios Entscheidung



Ist sonst noch was?“


„Claudia… ich versteh ja, dass du sauer bist, aber…“


Nein. Vergiss es, Philipp. Ich habe keine Lust darüber zu reden. Vor allem nicht, wenn du in Trentino bist und wir nur übers Telefon reden können.“


Er seufzte und legte den Kopf in den Nacken. „Meldest du dich denn wenigstens regelmäßig? Oder schickst wenigstens jeden Tag ein Foto von Juli?“


Sie schon zu überlegen oder zu zögern, denn er hörte erst mal nichts, hakte aber nicht nach.

Schließlich sagte sie zu. „Ja, du kriegst Fotos, aber ich kann nicht versprechen, ob du jeden Tag eins bekommst, okay?“


„Okay“, willigte er ein.


„Wir wollen jetzt auch los… tschüss Philipp.“


„Mach’s gut.“


„Du auch.“ Dann legte sie auf.


Philipp hätte am liebsten laut geflucht. Bitte, lief halt alles aus dem Ruder. Holger war sauer auf ihn und Claudia auch. Mario doch bestimmt auch, weil er das mit Holger nicht auf die Reihe bekam. Die Saison fing ja super an. Wenn es so weitergehen würde, würden sie weder Meister, noch Pokal- oder Champions League-Sieger, geschweige denn Weltmeister.



„Kommst du mit zum Abendessen runter?“, sprach Basti ihn plötzlich an, woraufhin Holger ein wenig erschrak, da er nicht damit rechnete.


Holger nickte, ließ die Klinke los und schleppte sich neben Bastian her. Es war nicht so locker, wie früher. Stattdessen marschierten sie schweigend die Treppe runter.


„Mario will übrigens nach dem Abendessen mit uns reden“, erzählte der Vizekapitän.


Worüber denn?“


„Hat er noch nicht gesagt. Müssen wir uns wohl überraschen lassen“, zuckte der Hellblonde mit den Schultern. Aber wussten sie im Grunde nicht alle, worum es ging? Mario spielte ja nicht erst seit gestern mit dem Gedanken den FC Bayern zu verlassen. Dennoch war das immer ein schwerer Schritt. Sein bekanntes Umfeld – vor allem Bastian und Holger – musste er komplett zurücklassen.



Nicht unbedingt mit der besten Laune begab Philipp sich nach unten in den Speisesaal.
Er wurde von Rafinha angesprochen und gesellte sich einfach zu ihm und Dante an den Tisch. Erst als er sich setzte, bemerkte er, dass Bastian und Holger gemeinsam an einem Tisch saßen. Kurz ließ ihn diese Tatsache lächeln. Wenigstens etwas, was besser wurde.



Was macht die Reha?“, unterbrach Bastian das Schweigen am Tisch. Man merkte den beiden immer noch an, wie verkrampft sie wegen des Streits waren. Eigentlich war es doch lächerlich. Holger konnte sich zu so gut wie niemandem normal verhalten. Seine Kollegen, Freunde und Familie sollten von den Gefühlen für Philipp nichts erfahren, mit Philipps Ablehnung kam er auch nicht klar und es blieb nur Mario übrig. Mario, der sie womöglich bald verlassen würde. Tolle Aussichten.
Holger brachte nur ein Seufzen über seine Lippen.


„Läuft es so schlecht?“, hakte Basti irritiert nach.


„Was?“ Holger schüttelte den Kopf. „Nein, es ist anstrengend, aber bisher läuft alles nach Plan.“ Es hieß ohnehin nur abwarten und brav die Übungen absolvieren, zusätzlich noch darauf achten, dass sich nichts entzündete.


Philipp setzte sich an einen anderen Tisch. Natürlich machte er das. Holger schüttelte kaum merklich den Kopf. Er war so mit sich und seinen Gedanken beschäftigt, dass er nicht einmal bemerkte, dass sich in Bastis Gesicht Sorge, aber auch Enttäuschung breit machte. Ganz offensichtlich stimmte was nicht und Holger ließ sich einfach nicht dazu herab mit ihm darüber zu reden. Er hakte nicht nach, sondern widmete sich seinem Abendbrot. Hier sollte es nicht in einer Diskussion enden, wenn dann würde er alleine das Gespräch -mal wieder- suchen. Irgendwann musste Holger doch mal den Mund aufmachen!
Holger machte das höchstens zum Essen. Er verputzte zügig sein Abendbrot, als Mario zuerst an Philipps Tisch erschien, ihm was zuflüsterte und sich dann zu Basti und ihm gesellte.


Gehen wir nachher in die Lobby? Da ist es ruhiger und ich möchte nicht, dass das jeder gleich erfährt.“


War das nicht das Stichwort dafür, dass Mario sich entschieden hatte? Ja, war es eindeutig, aber noch ließ Holger die trostlosen Gedanken ohne die Unterstützung des Stürmers zu sein, nicht an sich heran.


Ich geh schon mal vor“, entschied sich Holger dazu, räumte sein Tablett weg und verschwand aus

dem Speisesaal. Basti, der ebenfalls gegessen hatte, folgte dem Innenverteidiger stumm.


Traurig schaute Mario seinen Kollegen hinterher, konnte sich selber denken, dass sie wohl bereits eine Ahnung haben mussten. Zu häufig war es in den letzten Wochen Thema in den Medien und auch im Verein.


Als Philipp schließlich auch fertig war und sich von den anderen verabschiedete, erhob sich auch Mario. Ihm war etwas flau im Magen, wenn er an Holger dachte. Er musste es hinkriegen, dass Philipp und er sich wieder zusammenrauften, aber wenn er ehrlich war, wusste er nicht, wie er das hinkriegen sollte. Warum schafften sie es auch nicht von alleine?

Philipp wartete an der Tür auf Mario. Er hatte den Tag über nachgedacht und eigentlich lag es auf der Hand. Es konnte nur um den Wechsel gehen, oder? In den letzten Tagen waren die Gerüchte immer mehr und immer konkreter geworden. Er hoffte ja, dass dem nicht so war, aber er konnte sich auch nicht darauf verlassen, dass Mario immer da war, um das hinzubiegen, was er versaute.


In der Lobby warteten Bastian und Holger schon. Beide sahen auf als sie näher kamen. Jetzt saßen sie also um diesen Tisch herum. Jeder in einem Sessel. Bastian neben Holger, daneben Mario und dann Philipp. Alle starrten sie gespannt auf Mario, der den Blick auf den Tisch gesenkt hatte, ehe er tief durchatmete und aufsah.


Holger hätte es wissen müssen, dass bei dem Gespräch auch Philipp anwesend sein würde. Es war seltsam, wie sie hier so saßen und kurz kam Holger der Gedanke, dass es um ihrer beider Verhältnis gehen könnte, aber würde er das so offen vor Bastian ansprechen? Eher nicht.

Mario wusste nicht, wen er zuerst ansehen sollte. Alle drei machten keinen sonderlich munteren Eindruck auf ihn. „Ich will, dass ihr es als erstes erfahrt. Ich habe mich dazu entschieden den FC Bayern zu verlassen.“ Die Worte kamen holprig über seine Lippen. Es fiel ihm schwer den besten Verein der Welt zu verlassen. Das konnte er nicht abstreiten.


„Lange habe ich überlegt, was das richtige für mich ist, und letztlich ist ein Vereinswechsel genau das. Schon vorher war klar, wenn ich den FC Bayern mal verlasse, dann nur um nach Spanien oder Italien zu wechseln. Der AC Florenz entspricht meinen Vorstellungen, deshalb habe ich mich für diesen entschieden.“ Würden sie seine Entscheidung akzeptieren? Mario fand, dass er nun wirklich nicht erklären musste, dass er beim FC keine richtige Chance zu spielen für sich sah. Titel gewinnen schön und gut. Aber es war eben auch nicht alles.

Holger nickte träge. Er hatte es geahnt, dass das kommen würde, aber Begeisterung sah definitiv anders aus. Seinen Blick richtete er auf Marios dunklen Augen und sahen ihn verletzt an. Fast schon vorwurfsvoll. Warum ließ er ihn genau jetzt alleine? Er hätte doch auch in der Winterpause wechseln können und nicht schon jetzt. Wenigstens versuchen hätte er es können unter Pep Guardiola zu trainieren.


Basti reagierte schließlich als erstes und zog Mario kumpelhaft in eine spontane Umarmung. „Ich versteh dich. Die Entscheidung war sicher nicht leicht, aber wir stehen hinter dir.“


Holger hatte den Blick längst wieder gesenkt und den Boden unter seinen Füßen fixiert.


Mario erwiderte Bastis Umarmung, allerdings hatte er den Blick immer entschuldigend auf Holger gerichtet. Auch, wenn dieser es nicht für nötig hielt ihn anzusehen. Er wusste aber auch warum.

Philipp hatte es geahnt, so wie Bastian und Holger vermutlich auch. Auf Bastian Worte hin, nickte er. Er sah es auch so. Allerdings kam ihm gerade eine andere Frage auf. Gehörte er hier her? Hätte er nicht normalerweise nur Bastian und Holger als erstes informiert? Die drei waren immer ein super Gespann gewesen. Und jetzt saß er hier? Wegen Holger? Er sah ihn an, aber der sah nur zu Boden. In dem Kapitän kam der Wunsch hoch ihn zu umarmen und zu trösten, aber… da war wieder etwas, was ihn hemmte. Es ging nicht.

Er hob den Blick also wieder, sah Mario an. „Kriegen wie Postkarten? Soll eine schöne Stadt sein“, schmunzelte er. Eigentlich war ihm nicht nach Scherzen, aber irgendwie kamen diese Worte trotzdem über seine Lippen.


Philipp überraschte ihn, weswegen sich ein Lächeln auf Marios Gesicht bildete.

Natürlich. Jede Woche eine. Sienna wollte ich mir auch damals schon unbedingt ansehen, ist ja in der Nähe von Florenz. Aber erst einmal muss ich mich einrichten“, erzählte er. „Carina wird wahrscheinlich ihren Wohnsitz in München nicht aufgeben“, ließ er den Dreien auch wissen.

Es wurde noch weiter geredet. Holger hatte nur halbherzig zugehört, auch ab und zu etwas dazu gesagt, um vor Basti noch immer die Fassung zu wahren, dass alles in Ordnung war. Auch vor Mario wollte er nicht als ein Schwächling erscheinen, der alleine nicht klarkommen würde. Er hatte es verdient mit ruhigen Gewissen nach Italien aufzubrechen. Als der Vize den Stürmer dann in ein Gespräch verwickelte, nutzte Holger die Gelegenheit um zu verschwinden.
„Wann fährst du?“, fragte er noch.


„Am Montag Vormittag“, antwortete ihm Mario mit einem traurigen Lächeln.


Holger nickte bloß. „Ich geh rauf. Nur im T-Shirt wird es langsam etwas kalt. Also Gute Nacht euch dann“, nutzte er diesen Vorwand und verließ die Lobby.

Philipp sah Holger nach. Die ganze Zeit hatte er sehr wenig gesagt und wirkte einfach nicht glücklich auf ihn. Auch, wenn er versucht hat so zu wirken, Philipp hatte gesehen, dass ihn das mitnahm.


Auch Mario schaute Holger hinterher. Er war schon in Versuchung aufzuspringen, aber Bastian ließ ihn einfach nicht gehen.


Nur halbherzig hörte Philipp zu. Er schnappte Fetzen auf. Florenz. Besuchen. München. Wohnung. Party. Coole Zeit…


Aber immer noch lag sein Blick auf der Tür, durch die Holger verschwunden war. Philipp konnte gar nicht sagen, wie lange er da saß als er plötzlich aufstand. Er musste ihm hinterher.
Bastian und Mario sahen ihn erschrocken an, weil er so abrupt aufgestanden war. „Ich gehe auch. War ein anstrengender Tag. Bis Morgen.“
Er ließ ihnen keine Chance ihn aufzuhalten oder etwas zu sagen, denn er verschwand direkt.



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Kommentare: 2
  • #1

    Julia -28 (Donnerstag, 18 Dezember 2014 19:56)

    Hii :)
    Das Mario wechselt war abzusehen und das Holger so reagiert auch... Mario ist ja schließlich der einzigste der von Holgers Gefühlen so RICHTIG weiß.
    Und so was zu hören ist natürlich immer was anderes als einfach nur in den Medien davon was zu HHören.
    Das Philipp hinter Holger her ist find ich gut vllt kommt es endlich zu einem Gespräch weil im großen und ganzen wollen die beiden doch eigentlich das selbe..

    LG Julia :)

  • #2

    Engel (Freitag, 19 Dezember 2014 22:26)

    Ich möchte schon wieder aufs Gas drücken
    Euer Tempo macht mich manchmal wahnsinnig ;)
    Da geht überhaupt nichts vorwärts ^^
    Aber vielleicht jetzt
    Philipp ist ja schon mal aufgesprungen
    Bleibt zu hoffen, dass er seine Courage nicht gleich wieder verliert
    Wenn er doch nur mal diese Ladehemmung abschütteln könnte...