Kapitel 91 - Ist später zu spät?



Den Tag über meldete er sich nicht bei Holger und auch am nächsten Tag nicht. Er reagierte aber auch nicht auf Marios Anruf und die SMS. Deswegen durfte er sich eigentlich nicht wundern, dass er Samstagnachmittag plötzlich bei ihm vor der Tür stand.


„Lässt du dich abwimmeln?“


„Nein.“


Seufzend trat Philipp zur Seite, damit Mario reinkommen konnte. Just in dem Moment kam Claudia mit Julian auf dem Arm in den Flur.


„Oh, hallo Mario. Wie geht es dir?“ Sie klang überrascht, hatte wohl nicht mit dem Besuch gerechnet.


„Gut, danke“, er lächelte und ging auf sie zu, um sie zu begrüßen, ehe er sich Julian widmete. „Na, kleiner Mann? Bist fast schon so groß, wie dein Papi.“


Der Stürmer grinste breit, während Philipp die Augen verdrehte. „Bring dem Jungen nichts falsches bei“, schmunzelte er aber dann.


„Das ist nur die Wahrheit“, gab Mario zurück.


„Ich wollte mit ihm raus an die frische Luft. Ihr bleibt hier, nehme ich an?“ Ihr Blick lag auf Philipp, der nickte.


Ihm passte das ganz gut, so konnten sie reden. Das wollte der Jüngere doch, oder? Er selber wiederum wollte es eigentlich nicht. Er wusste nicht worüber. Also schon, aber nicht was. Was sollte er ihm sagen? Was wollte er denn überhaupt hören?

Wenig später saßen die beiden also auf dem Balkon.


„Wie geht es dir?“


Philipp wusste, dass die Frage ehrlich gemeint war. Er zuckte mit den Schultern, sah den Stürmer nicht an, richtete den Blick lieber in den Himmel. „Wie soll es mir schon gehen. Besser als Holger, oder?“


„Du hast dich noch nicht bei ihm gemeldet, oder?“


„Ich wüsste nicht, was ich sagen sollte…“ Kurz sah er ihn an, ehe er den Blick senkte. „Ich weiß nicht, was ich darüber denken soll, weißt du. Mein Kopf ist so voll und doch auch so leer.“


Marios Mimik war mitleidig. Holger tat ihm leid, aber Philipp tat es auch. Doch Holger war ihm schon immer der bessere Freund gewesen. „Du machst ihn fertig, wenn du dich nicht meldest.“


„Will er denn, dass ich mich melde?“ Philipp blickte fragend in Marios Augen. „Will er, dass ich einfach bei ihm vor der Tür stehe? Und dann? Soll ich ihm um den Hals fallen und leidenschaftlich küssen?“


„Jetzt übertreibst du.“


„Weiß ich doch“, brummte Philipp und seufzte. „Kommt Holger mit nach Trentino?“


„Ich weiß es nicht“, gab Mario zu. „Ich bin davon ausgegangen, aber eigentlich ist das eine gute Frage. Wieso fragst du? Willst du es bis dahin lassen und es dort auf ein Treffen anlegen? Wenn alle dabei sind?“


„Ich weiß es nicht. Ich kann nicht zu ihm im Moment. Ich will ihn nicht alleine lassen, aber ich kann damit im Moment noch nicht umgehen.“ Aber konnte er es je? Jetzt gerade konnte er es zumindest nicht sagen. Er wollte es zwar, aber wenn es um die Frage ging, ob er es konnte, interessierte dieser Punkt wohl nicht.



Die morgige Reha lenkte Holger zum Glück von diesem peinlichen Traum ab. Jetzt war es doch noch schwieriger Philipp wieder gegenüber zu treten, wenn er seinen Körper und sein Gesicht mit diesen Handlungen im Traum verband. Hoffend, dass er ihm nicht begegnete, schlich er schon fast in die Behandlungsräume. Merkliche Fortschritte gab es noch immer nicht, was ihn zusätzlich runterzog.
Aber er musste dran bleiben und durfte nicht aufgeben. Stark sollte er sein, damit er Philipp damit beeindrucken konnte... das war einfacher gesagt, als getan.


Mit grimmiger Miene fuhr er nach den vielen Stunden arbeiten an seinem Knie nach Hause und wagte es endlich wieder sein Handy einzuschalten. Es überraschte ihn nicht, dass keine Nachricht von Philipp auf dem Display erschien. Stattdessen kam genau in dem Moment, als er es wieder beiseite legen wollte, ein Anruf einer unbekannten Nummer. Gespannt nahm er den Anruf entgegen und staunte nicht schlecht, als sich der Herr am anderen Ende als Pep Guardiola zu erkennen gab. Anfangs hatte er etwas Probleme das gebrochene Deutsch zu verstehen, aber er gewöhnte sich immer mehr daran. Er hatte auch eine halbe Stunde lang Zeit dafür sich mit dem neuen Trainer zu unterhalten. Holger war positiv überrascht, dass er ihm Mut zusprach und ihn dazu animierte mit nach Trentino zu kommen. Er stellte ihm die Entscheidung frei, ob er wollte oder nicht und beendete das Gespräch mit einem netten Gruß.
Wäre das Problem nicht, dass er so auf Philipp treffen würde – und da führte kein Weg daran vorbei – hätte er sicher sofort eingewilligt. Jetzt musste er sich zwischen einer unangenehmen Begegnung mit dem Kapitän und dem Trainingslager entscheiden. Was wäre besser und was schlimmer?
Holger schob die Entscheidung erstmal auf, wollte abwarten, ob Philipp sich in den nächsten Tagen meldete.



Mario hatte noch einige Fragen gestellt, aber es gab nur eine, die Philipp Tage später noch beschäftigte. Warum konnte er damit nicht umgehen? Wo genau lag das Problem?
Gut, das waren schon zwei Fragen, aber das änderte nichts daran, dass er keine Antworten darauf hatte. Oder er wollte sie nicht haben. Wenn Philipp ehrlich war, dann hatte er den Verdacht, dass er eigentlich Angst vor der Antwort hatte und sie deswegen irgendwo in sich verschloss.


„Was hältst du davon, wenn wir Julian zu meinen Eltern bringen?“ Claudia kam zu ihm in die Küche und lächelte ihn an.


„Ich hätte mal wieder Lust auf einen ruhigen und romantischen Abend mit dir.“


Philipp rang sich ein Lächeln ab, nickte dann. „Okay.“


Vielleicht war es besser so. In drei Tagen ging es in das Trainingslager, da sollte er sich vielleicht noch mal um seine Frau kümmern. Er griff nach ihrer Hand und zog sie zu sich. „Das klingt nach einem guten Plan“, hauchte er und gab ihr einen zärtlichen Kuss.


„Ich freu mich“, gab sie zu.


„Ich mich auch.“ Wieder fing er ihre Lippen ein und ließ den Kuss leidenschaftlicher werden. Eigentlich wollte er sich so ablenken und nicht mehr an Holger denken, aber der Plan ging nach hinten los. Er dachte nur noch an den Innenverteidiger.
Und zum wiederholten Male musste er sich fragen, was hier eigentlich schief lief, dass dem so war.



Philipp meldete sich auch in den nächsten Tagen nicht bei Holger. Dieser konnte ihm deshalb auch keinerlei Vorwürfe machen. Schließlich wäre doch jedes Wort verkehrt. Durch Mario wusste er ja, wie schwer diese Situation auch für Philipp war, was Holger nachvollziehen konnte. Er selber fand auch keine Worte, die ihre verklemmtes Verhältnis kitten würden. Womöglich gab es aber auch kein falsches und kein richtiges Verhalten.


„Holger? Hey, ich rede mit dir.“ Sanft rüttelte Gerry an seiner Schulter und er musste sein Starren auf das Bild an der Wand des Behandlungsraums abrupt unterbrechen. „Hab gehört Pep hat sich mit dir in Verbindung gesetzt. Wofür hast du dich denn entschieden?“


„Ähm... ich hab hin und her überlegt und -“


„Na ist doch eigentlich klar, dass du mitfährst. Du gehörst zum Team und das Beisamensein mit der Mannschaft wird dir gut tun. Deine Übungen können wir auch in Trentino mit dir machen.“


Und wer schirmte ihn vor Philipp ab, damit er ihn nicht voller Scham ansehen musste? Basti bestimmt nicht. Der wartete immer noch auf die Wahrheit.


„Entschuldige, ich hab dich unterbrochen“, lachte Gerry. „Aber so wie ich dich kenne, steht deine Antwort schon fest. Du fährst natürlich mit! Die anderen werden sich bestimmt freuen.“


Holger kam gar nicht mehr dazu etwas zu sagen, sondern nickte einfach nur. Vielleicht war es besser so. Philipp würde er sowieso früher oder später in seinem Leben wieder über den Weg laufen, für immer vor ihn verstecken, war also zwecklos. Das wollte er auch gar nicht. Er wollte doch bei ihm sein und jetzt, wo zwischen ihnen diese Funkstille herrschte, merkte er wieder einmal deutlich, wie gut ihm der Kontakt zu Philipp tat. Vor ihm konnte er sich so geben, wie er war – bis auf die Gefühle, die er für ihn hegte natürlich. Und jetzt war das vorrangige Gefühl, was ihm heimsuchte, wenn er an Philipp dachte, Angst. Große Angst vor einer Zurückweisung, die er durch den Kontaktabbruch deutlich zu spüren bekam. Da konnte auch Mario nichts dagegen tun, dass er sich leer und allein gelassen fühlte. Wer könnte schon seinen Philipp ersetzen? Niemand. Daran bestanden keinerlei Zweifel, auch wenn ihm klar war, dass er dagegen für den Kapitän komplett ersetzbar war. Claudia konnte ihn immerhin auch mit ihren Stimmungsschwankungen nervlich fertig machen. Er hatte ihn ja sowieso schon mit ihr verglichen und einige Parallelen gezogen.


Mario stattete Holger wie so oft einen Besuch ab. Er wollte ihn auf dem Laufenden halten, wie es Philipp momentan erging und er machte sich auch Sorgen, weswegen er das lieber genauer beobachtete.


Der Innenverteidiger öffnete ihm die Tür, humpelte aber zurück ins Wohnzimmer und legte einen Umschlag auf den Tisch. Darauf stand in großer Schrift „An Philipp“. Er hatte überlegt ihn Mario mitzugeben, anderseits wäre es auch eine Option ihn selber vorbei zu bringen... und den Inhalt doch zu behalten.


„Geht die Reha voran?“ Mario ließ sich gemütlich in den Sessel fallen. „Gibt es da schon Neuigkeiten?“


„Nein, nur, dass ich mit dazu entschieden habe, mit nach Trentino zu kommen“, berichtete Holger. „So kann ich Peps Trainingsstil wenigstens aus der Ferne beobachten und mitdenken.“


„Und Philipp wieder näher sein“, merkte Mario seufzend an, versuchte sich aber an einem Lächeln, auch wenn er wusste, dass es nicht gut enden würde, wenn sich die beide bis zu Trentino aus dem Weg gingen und dann aufeinander trafen. „Ich freu mich, dass du mitkommst. Ohne dich wär das auch gar nicht das selbe.“


Holger griff das Thema Philipp sofort auf. „Wie geht es ihm?“


„Er kommt noch nicht so damit klar“, erklärte er. „Aber er will dich nicht alleine lassen, das hat er mich wissen lassen.“


„Macht er aber gerade“, nuschelte Holger. In ihm stritten sich seine Gedanken. Einerseits war der Abstand vielleicht ganz gut, anderseits brauchte er Philipp. Das musste er auch gar nicht mehr hinterfragen, es war so und fertig.


„Ich hab ihm auch gesagt, dass ich das nicht gut finde. Aber was soll er schon tun, wenn er nicht weiß, wie er jetzt mit dir umgehen soll. Er will dir doch nicht wehtun.“


Träge nickte der Blonde, ihm war es ja auch klar, dass es schwierig war und Philipp das beste für ihn wollte, aber so wie es jetzt im Moment war, war es eben auch nicht gerade schön.


„Was ist denn in dem Umschlag?“


Holger sah traurig lächelnd zu Mario. „Ein Shirt von ihm“, hauchte er, versuchte es aber ins Lächerliche zu ziehen, obwohl die Worte ihn innerlich zerrissen. „Vielleicht bekomme ich so meine Jacke endlich wieder.“ Er presste die feinen Lippen dicht aneinander, sodass sie leicht an Farbe verloren, während Mario nach dem Umschlag griff und das Shirt hervorzog. Ihm stellte sich die Frage, was besser war. Wenn Holger damit abschloss oder doch noch etwas von Philipp behielt. Etwas, woran er sich festhalten konnte, wenn er schon jetzt nicht bei ihm sein konnte. Vor allem würde es doch schwieriger werden, wenn Holger das Shirt zurückgab und den Eindruck erweckte, als wäre er sauer, wütend oder böse auf Philipp.


Er legte den Umschlag auf den Tisch und das Shirt oben drauf. „Behalt es noch. Du kannst es Pippo doch immer noch zurückgeben.“ Der Stürmer wusste es einzuschätzen, dass sein Freund einen Halt brauchte. Einen bestimmten Halt. Und zwar den von Philipp.



Philipps Shirt lag immer noch unverändert auf dem Tisch im Wohnzimmer. Gewagt es wegzubringen, hatte sich Holger noch nicht. Es war albern, da es sich nur um ein ganz normales Kleidungsstück handelte, aber doch war es das Shirt von dem Mann, für den er Gefühle entwickelte.
Wohl war ihm nicht dabei, dass er morgen auf ihn treffen würde. Sollte er ihm also einfach aus dem Weg gehen und so tun, als wäre nichts gewesen? Die bessere Frage für den Innenverteidiger wäre wohl eher, ob er das überhaupt konnte. Es war jetzt schon schwer genug nicht einfach nach seinem Handy zu greifen, ihn anzurufen und nur deshalb, damit er seine Stimme hörte. Anderseits würde ihm ohnehin vor Peinlichkeit die Stimme versagen, sobald Philipp den Anruf entgegen nahm. Es war so seltsam für Holger, wenn er sich vorstellte, dass der Kapitän nun darüber Bescheid wusste. Durch diese ungewollten Gefühle drohte er ihn nun auch als Freund zu verlieren... war es das alles wert? Wütend auf sich selber warf er seine Jeans in den Reisekoffer und fuhr sich angestrengt übers Gesicht. Kein Kreuzband und jetzt auch kein Philipp mehr. Und wenn er den Wechselgerüchten Glauben schenken konnte, dann bald auch kein Mario mehr, der ihm zur Seite stand.
Er sollte einfach zu Hause bleiben und in München die Reha weitermachen. Es half doch nichts, wenn er sich den lieben langen Tag nur verkriechen würde, damit er Philipp nicht begegnen musste. Eben jene Hose, die im Koffer gelandet war, fischte er wieder heraus und legte sie aufs Bett.



Zum wiederholten Male starrte Philipp auf die Uhr. Es war der 3. Juli. Morgen würde es ins Trainingslager gehen, dementsprechend war heute die letzte Gelegenheit, um mit Holger zu reden. Das Handy hatte er in seinen Händen und eine SMS an Holger geöffnet, aber es ging nicht. Er konnte ihm nicht schreiben, obwohl er wollte. Er fühlte sich so dermaßen mies, das war echt nicht mehr feierlich. Philipp wusste genau, dass Holger ihn brauchte und er wollte ja auch für ihn da sein, aber es ging einfach nicht.
Aber es schlich sich die Angst ein, dass Holger glaubte, er hätte ihn vergessen. Eben diese Angst ließ seine Finger nun doch über den Bildschirm fliegen.


//Lieber Holger, ich wollte dich besuchen kommen, aber es ging nicht. Es tut mir leid. Aber wir sehen uns ja morgen an der Säbener Straße. Ich freue mich dich zu sehen. Bis Morgen. Phil//


Obwohl er sich fragte, ob das wirklich richtig war. Machte er ihm nicht unnötige Hoffnungen, wenn er ihm schrieb, dass er sich freute ihn zu sehen? Aber irgendwie war es doch auch so… und jetzt eh zu spät. Die SMS war weg.
Philipp stellte das Handy stumm und legte es beiseite. Dann widmete er sich wieder seinem Koffer. Er musste noch zu Ende packen. Den Rest würden sie morgen sehen.



Gerade als Holger gedanklich den Entschluss fasste in München zu bleiben und sich kurzfristig doch gegen Trentino zu entscheiden, geriet Holger doch wieder ins Wanken, als sein Handy eine Nachricht anzeigte und er sehnsüchtig den Namen des Kapitäns las. Augenblicklich schlug sein kleines, verliebtes Herz schneller, als er schwer schluckend die Nachricht öffnete und die Zeilen las. Es schmerzte zu lesen, dass Philipp es nicht schaffte zu ihm zu kommen. Dass er damit nicht umgehen konnte, verstand Holger, aber dennoch tat es ihm weh, weil er es selber nicht konnte, auf Philipp zuzugehen. Er hatte Angst vor seiner Zurückweisung.
Die SMS ließ ihn hoffen. Vor allem der Teil, dass er sich freute ihn zu sehen. War das wirklich so oder nur eine der üblichen Floskeln? Obwohl er davon ausging, dass ihn eventuell sogar Mario zu einer Nachricht drängte oder er sich sonst einfach dämlich vorgekommen wäre, verwarf er den Gedanken doch in München zu bleiben und legte die Jeans doch wieder in den Koffer, der fast fertig gepackt war. Die Kleidung von adidas für morgen lag auch schon bereit. Allerdings fragte er sich, ob er Mario zu verdanken hatte, dass Philipp wusste, dass er mit nach Trentino fuhr. Oder meinte Philipp etwa allgemein, dass sie sich morgen noch treffen würden an der Säbener Straße, da er normalerweise dort um die selbe Uhrzeit seine Reha absolvierte, wie der Mannschaftsbus nach Italien fahren würde? Es interessierte ihn brennend, weswegen er sich auch vornahm genau das herauszufinden.


//Ich kann es ja irgendwie verstehen... Mario kümmert sich anscheinend wieder um den Flurfunk oder wäre es dir neu, wenn ich mit nach Trentino komme? ;) Bis morgen, Holger//


Er schickte sie ab, ignorierte den ersten Part von Philipps Nachricht und hatte bewusst darauf geachtet, dass sie distanzierter klang und er nicht wieder aus Versehen „dein Holger“ eintippte. Wobei sich ihm nun die nächste Frage stellte. Warum fragte er denn Philipp und nicht einfach Mario? War das der präsente Wunsch wieder mit ihm in Kontakt zu treten?



Philipp hatte eigentlich nicht mit einer Antwort gerechnet aber als die SMS eintrudelte, fragte er sich, wieso eigentlich nicht. Er las die Nachricht und lächelte leicht. Was würde er in diesem Moment darum geben, dass alles wieder normal war zwischen ihnen? Oder lag es an ihm, dass es wieder so sein würde? Konnte es überhaupt wie vorher sein?
Er seufzte leise und verfasste erst mal eine Antwort.

//Mario kümmert sich doch immer um den Flurfunk, oder hattest du da Zweifel? ;) nein, ich weiß, dass du mitfliegst. Deswegen freue ich mich ja auch. Auch, wenn es nicht den Anschein macht, vermisse ich dich. Dafür haben wir in den letzten Wochen zu viel Zeit miteinander verbracht.//
Vielleicht war das ja das Stichwort. Es war zu viel Zeit. Vielleicht war Philipp schuld. Hätte er sich nicht immer so aufgedrängt, wäre es vielleicht niemals so weit gekommen, dass Holger sich in ihn verliebt hätte… oder war das Schwachsinn? Vermutlich.
Er starrte auf die SMS und überlegte, ob er sie so abschicken konnte. Er zweifelte und schrieb sie noch mal um:


//Mario kümmert sich doch immer um den Flurfunk, oder hattest du da Zweifel? :) nein, ich weiß, dass du mitfliegst. Deswegen freue ich mich ja auch. Wir haben uns jetzt lange nicht gesehen. Also lange, wenn man bedenkt, dass ich dich vorher fast jeden Tag genervt habe ;) bis Morgen, Phil//


Er nahm sich vor in Trentino mit ihm zu reden. Danach konnten sie sich immer noch aus dem Weg gehen. Was genau er ihm sagen wollte, wusste er zwar noch nicht, aber… irgendetwas mussten sie sagen. Danach würde sich jeder in seinem Zimmer verschanzen und fertig. Philipp legte das Handy beiseite und widmete sich wieder seinem Koffer. Ob er wohl wieder mit Manuel auf einem Zimmer sein würde? Das hatte ja ganz gut geklappt letztes Mal.
In diesen Gedanken packte er weiter und ahnte nicht im Geringsten, dass alles ganz anders kommen würde.



Holger hatte seinen Koffer gerade geschlossen, als sein Handy erneut piepste. Wieder war er nervös und er fragte sich, wie das erst morgen werden sollte, wenn sie sich begegneten. Das würde er ja rein körperlich gar nicht überleben. Die Nachricht erhellte augenblicklich seine Miene. Bestimmt wusste er es von Mario, anders konnte er sich das gar nicht vorstellen. Am liebsten hätte er ihm sofort geantwortet und geschrieben, dass er ihn nicht nervte. Dass er seine Anwesenheit und Sorge um ihn genossen hatte, aber jetzt, wenn man bedachte, dass Philipp wusste, wie sehr Holger ihn mochte, war das falsch. So kam für den Blonden aber die Frage auf, was der Kapitän mit solchen Aussagen bezwecken wollte. Womöglich machte er sich da aber wieder nur zu viele Gedanken, wie so oft, als er glaubte, dass Philipp sich auch zu ihm hingezogen fühlte durch die Küsse aufs Haar, die Umarmungen und das Streicheln. Seufzend legte er das Handy weg und entschied sich dafür ihm nicht mehr zu antworten. Er wüsste auch gar nicht was er dazu noch sagen sollte, außer dass er sich darüber freute, dass es Philipp anscheinend gefiel, dass sie sich wiedersahen und er mit nach Trentino kam. Konnte aber auch nur einfach so geschrieben sein... Wieder geriet Holger ins Wanken, was er glauben konnte und wie er das alles verstehen sollte.

Dass er aus Nervosität in der folgenden Nacht kaum schlafen konnte, hatte Holger kommen sehen. Seine Gedanken drehten sich rund um verschiedene Szenarien, wie sie morgen stattfinden konnten. Wie würden sie sich begegnen? Begrüßten sie sich wie immer? Konnten sie normal miteinander umgehen?
Holger konnte sich die Fragen nicht beantworten und war im Grunde froh, als die Nacht letztendlich vorbei war und er nicht mehr darüber spekulieren musste, wie das Aufeinandertreffen aussehen würde. Es würde so kommen, wie es vorherbestimmt war...
Nach dem Frühstück hüpfte Holger unter die Dusche und zog sich die rote Trainingskleidung an, die er noch am Ärmel zurecht zupfte, bevor er einen prüfenden Blick in den Spiegel warf. Er hätte sich ohrfeigen können, weil er nun schon wieder darüber nachdachte, wie er seine Haare stylen konnte. Aber nicht, weil er es selber so gern machte, sondern nur, weil er Philipp gefallen wollte.
„Das ist doch lächerlich“, sagte er zu sich selber, nahm eine Bürste und kämmte sich die blonden Haare ganz normal durch, bevor er nach dem Autoschlüssel und seinen Koffer griff, um die Wohnung zu verlassen.

An der Säbener Straße angekommen, sah er schon einige seiner Kollegen. Philipp schien noch nicht da zu sein. Zumindest konnte er ihn nicht erkennen.


„Holger! Hey!“, rief Thomas schon von weitem und winkte ihn zu sich und einigen seiner Kollegen.


Holger grüßte zurück, hielt aber kurz inne, als er bemerkte, dass Basti ihn leicht anlächelte, ehe er den Blick wieder von ihm nahm. Mit ihm hatte er die ganze Zeit über nicht mehr geredet. Warum auch? Er konnte ihm nicht die Wahrheit sagen und was anderes wollte der Vizekapitän auch nicht hören.


„Echt cool, dass du mitkommst“, nickte Thomas anerkennend und legte den Arm um Holger.


Claudio und Rafinha lächelten ihm ebenfalls freundlich zu und führten ihre Unterhaltung über Autos fort. Auch Holger redete mit. Er konnte nicht genau sagen, warum, aber er war froh, dass Philipp jetzt nicht die Möglichkeit bekommen würde, mit ihm über seine Gefühle zu reden. Vielleicht konnte er dem kleinen Kapitän die ganze Zeit über irgendwie ausweichen. Denn mit jeder Minute, die verstrich und Philipps Ankunft unmittelbar näher rücken ließ, steigerte sein Unbehagen und seine Aufregung.

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Kommentare: 2
  • #1

    Engel (Donnerstag, 30 Oktober 2014 23:12)

    Hey :)
    Ein Super Kapitel!
    Love it!
    Vor allem der Satz, dass alles anders kommen wird als Philipp denkt^^ taucht ihn ruhig bisschen rein, den kleinen naiven schisser
    Aber sehr interessant, dass er innerlich schon eine Ahnung hat ;)
    Holger schlägt sich tapfer, wie ich finde. Super kleiner!
    Ich würde mir wünschen, dass er sich Basti anvertraut. Vor allem in Anbetracht von Marios Wechsel. Wäre schön, wenn Basti positiv reagieren würde. :)

  • #2

    Shari (Sonntag, 02 November 2014)

    Hallo, bin ausm Urlaub wieder da ;)
    Hab das Kapitel gelesen und find weiter machen und super! Ich freu mich auf mehr, was ja morgen
    kommen wird höhö! Perfekt getimet!

    Macht nur weiter so! :)