Kapitel 32 - Abreise



Philipp verstand. Holger wollte nicht weiter darüber reden. Aus Angst er könnte zu aufbrausend werden und ihn zurückstoßen? Vermutlich. Am liebsten hätte er noch was gesagt, sich weiter entschuldigt, aber es würde nichts bringen, Vermutlich würde es bloß Holgers traurige Gefühle schüren.
„Klar“, er nickte, lächelte leicht und nahm sowohl sein Gepäck als auch Holgers. Gemeinsam machten sie sich auf zum Fahrstuhl. Herr Stevens kam ihnen schon entgegen. Er nahm Philipp Holgers Tasche ab und verfrachtete sie später in das Auto. Die Stimmung war irgendwie gedrückt. Herr Stevens sagte nichts, Philipp sagte nichts, Holger sagte nichts.

Entlassen zu werden fühlte sich gut an! Zumindest vorerst. Oktober ungefähr sollte er schließlich hierher zurückkehren. Und jetzt war Mai... eine lange Zeit lag vor ihm. Wenn er ehrlich war, war es Holger nur recht, dass sowohl Philipp als auch Herr Stevens schwiegen. Es gab nichts zu reden.

Am Flughafen bekam der Innenverteidiger sein Ticket, bevor Herr Stevens sich aus dem Staub machte. Da standen die beiden Bayernspieler nun also vor dem Eingang.
„Komm, wir geben das Gepäck schon mal auf“, meinte Philipp und ging vorweg. Sie reihten sich in der Schlange ein und schwiegen wieder. Aber der Kapitän wollte dieses Schweigen unbedingt beenden. Er hatte da eine Idee, aber er wusste nicht, ob es nicht falsch war. Konnte er ihm sagen, dass er sich freute Sonntag mit ihm auf dem Rathausbalkon zu stehen? Würde es nicht auch wieder nur schmerzen? Philipp entschied sich zu schweigen. Dafür meldete sich sein Magen zu Wort. Er hatte noch nichts gegessen.

Langsam ließ Holger seinen Blick schweifen, erinnerte sich daran, wie er hier angekommen war und irgendwie doch auch voller Hoffnung war, dass in spätestens sechs Monaten alles wieder in Ordnung sein würde. Ob es gut war, dass all die Eindrücke sich wie ein Film in seinen Gedanken abspielten, vermochte Holger nicht einzuschätzen. Das einzig Gute, was er daran finden konnte, war im Grunde Philipps Anwesenheit.

„Wollen wir hier noch was essen oder im Flugzeug?“ Fragend drehte Philipp sich um. „Oder hast du schon gefrühstückt?“, fiel ihm dann ein.

Holger drehte seinen Kopf wieder zu Philipp, der das selbe tat, wodurch sich ihre Blicke kurz trafen. „Ich hab schon“, zuckte er mit den Schultern und schaute dann etwas nach unten. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf Philipps Hände, die das Gepäck trugen. Die selbe linke Hand, die heute Nacht seine gehalten hatte. Aber ihn darauf ansprechen? Niemals, das würde peinlich enden... oder am Ende noch in einer haarsträubenden Diskussion über Mitleid.
„Ist also deine Entscheidung.“ Ob sie sich hier noch in ein Lokal setzten oder sich dann im Flugzeug schmatzend anschweigen würden, war doch im Grunde egal.

Da sie noch relativ lange auf ihren Flug warten mussten, gaben die beiden ihr Gepäck ab und suchten sich dann ein kleines, schlichtes Café, in dem sie sich niederließen. Das kleine Café war so typisch für einen Flughafen. Schick, aber teuer ohne Ende. An solchen Tagen war Philipp froh, dass er nicht immer aufs Geld gucken musste.

Philipp bediente sich an der Auswahl an verschieden belegten Baguettes und bestellte auch eine große Tasse Kaffee dazu, während Holger auf eine heiße Schokolade bestand. Er wusste nicht woran es lag, aber dieses leckere Getränk wirkte sogar etwas beruhigend auf ihn ein. Vielleicht, weil er es schon seit seiner Kindheit genoss, wenn seine Mutter ihm das Kakaogetränk zubereitet hatte? Süßes mochte Holger ja sowieso am liebsten. Auch wenn das für einen Profisportler nicht unbedingt förderlich war. Das Schweigen begünstigte, dass Holger mit seinen Gedanken wieder etwas abdriftete.

Der Kaffee war noch heiß, also biss Philipp erst mal in das Baguette. Sein Blick fiel auf Holgers heiße Schokolade und irgendwie musste er an den Albtraum heute Nacht denken. Sollte er ihn darauf ansprechen? Vielleicht war es ihm unangenehm und für heute waren schon genug negative Worte zwischen ihnen gefallen.
Gedankenverloren nahm er einen Schluck von dem Kaffee und stellte fest, dass er noch nicht schmeckte. Er stand auf, um sich Milch und Zucker zu holen. Er musste sich erst mal orientieren, da er erst Zimt in der Hand hatte. Warum gab es Zimt in Tüten? Diese Amerikaner waren echt seltsam manchmal.

Der Innenverteidiger war so in Gedanken, weswegen er nicht einmal bemerkte, dass Philipp aufstand, um sich Milch und Zucker von der Theke zu holen. Wieso drängte sich gerade jetzt der Kuss im Klinikgarten in seine Gedanken? Holger konnte nicht verhindern, dass sich ein Lächeln in sein Gesicht schlich. Der Kuss war seltsam, ungewohnt und vor allem durfte es ihn gar nicht geben. Aber trotzdem war er das schönste, was Holger in der letzten Zeit passiert ist.
Obwohl man anmerken musste, dass er die Messlatte seit dem 18. Mai nicht ganz so hoch angesetzt hatte...

Mit der richtigen Mischung ging Philipp also zurück zum Tisch. Er hatte Holger direkt im Blick, weswegen ihm das Lächeln nicht verborgen blieb. Freute er sich doch, dass er endlich nach Hause konnte? Oder ging es um etwas anderes?
„Du lächelst ja so glücklich. An was denkst du?“, fragte er direkt als er sich wieder auf den Stuhl fallen ließ. Philipp lächelte Holger kurz an, ehe er sich dem Kaffee widmete, damit er besser schmeckte. Konzentriert schaute er auf das Zuckertütchen, was er aufriss und im Kaffee leerte. Auffordernd sah er wieder auf und wartete auf Holgers Antwort. Oder wollte er nichts dazu sagen? Aber worüber sollte er nachdenken, was ihn glücklich stimmte, es Philipp aber nicht sagen konnte?

Ertappt sah Holger auf, das Lächeln schwand langsam, als er Philipp entgegen blickte. Dieser schien auf eine Antwort zu warten, die der Innenverteidiger ihm schlichtweg nicht geben konnte. Er wollte aber auch nicht, denn so müssten sie zwangsläufig über den Kuss sprechen.
„Ich hab nur an...“ Genau das war nun mal die Frage. Nur an den Kuss gedacht, das wäre die korrekte Antwort. Und auf die Schnelle fiel Holger auch nichts ein, woran er stattdessen gedacht haben könnte. Würde Philipp ihm abkaufen, dass er sich so auf zu Hause freute? Sicher nicht, schließlich war er immer noch enttäuscht, dass er nicht mit nach Berlin konnte. Dass er sich auf das bevorstehende Triple freute, glaubte der Kapitän dann erst recht nicht. Holger saß in der Zwickmühle. Aber nicht nur, weil er nichts zu antworten wusste, sondern auch, weil er tatsächlich glücklich lächelte bei dem Gedanken an den Kuss und ihm das nochmal so richtig bewusst wurde.

Philipps Augenbraue zuckte kurz. Er war irritiert, wartete aber ruhig ab.

Um etwas Zeit zu schinden, trank Holger aus seiner Tasse und richtete seinen Blick auf den Tisch.

Je mehr Zeit verstrich, desto mehr beschlich Philipp das Gefühl, dass Holger nicht die Wahrheit sagen würde. Oder überlegte er nur, ob er die Wahrheit sagen konnte? Was war so schlimm?
Philipp trank erneut einen Schluck Kaffee und auch Holger nippte an seiner Schokolade. Während er seine Tasse weiter festhielt, stellte Holger seine ab.

„Ich hab mich gefreut, dass du heute Nacht geblieben bist“, sagte Holger dann, wollte so vom Thema ablenken, als die Tasse wieder den Tisch berührte. Das konnte jetzt auch falsch rüberkommen und zwar so richtig falsch. Holger biss sich auf die Unterlippe und wich den Blicken des Kapitäns aus. Ihn jetzt ansehen ohne rot zu werden, war unmöglich, deshalb ließ er es auch sicherheitshalber bleiben. Philipp glaubte bestimmt, dass er wegen dieser Tatsache so glücklich lächelte und hielt ihn sicher für total bescheuert. In Kombination mit diesem Kuss war es nun mal auch seltsam.

Überrascht sah Philipp auf. War das sein ernst? War es wohl. Er hatte also wirklich überlegt, ob er ihm sagen konnte, was er dachte. Ein seliges Lächeln schlich sich auf die Lippen des Kleineren. Gerne hätte er Holger jetzt in die Augen geguckt, aber der drehte fast schon beschämt seinen Kopf weg. Biss er sich auch auf die Unterlippe? Philipps Lächeln wurde intensiver.
Gerade wollte er antworten, da schob der Innenverteidiger einen Satz hinterher.

„Wir sollten uns etwas beeilen“, lenkte er schon zum zweiten Mal in nur wenigen Minuten ab, was hoffentlich besser klappte, als das erste Mal. Aber es bot sich eben gerade gut an. Zu lange trödeln sollten sie wirklich nicht, auch wenn schon noch etwas Zeit bis zum Flug blieb.

„Nein, sollten wir nicht“, meinte Philipp direkt. Er stellte seine Tasse ab und lächelte Holger weiterhin einfach nur an. „Ich bin gerne geblieben“, stellte er klar.

Jetzt errötete Holger wegen Philipps Kommentar auch noch und dabei hatte er ihn nicht einmal angesehen. Was hatte er auch erwartet? Dass der Kapitän seine Aussage einfach überging? Gehofft hatte er es, aber insgeheim doch gewusst, dass Philipp das niemals tun würde. So war er einfach nicht.

Süß war das erste Wort, was Philipp in den Sinn kam als er sah, dass Holgers Gesicht eine zarte Röte annahm. Er schluckte den Kommentar aber hinunter und verbannte den Gedanken auch schnell wieder.
„Ich konnte auch nicht anders.“ Er erinnerte sich doch an den Albtraum, oder? Aber selbst wenn er den nicht gehabt hätte, so war sich Philipp gar nicht mehr so sicher, ob er trotzdem hätte gehen können. Vielleicht klang das echt komisch, aber es fiel ihm einfach schwer Holger alleine zu lassen im Moment. Aber er würde es bald tun müssen. Es ging zurück nach Deutschland. München und Berlin.
Nicht dran denken, mahnte Philipp sich und vor allem nicht ansprechen.

„War der Film etwa noch nicht zu Ende?“, stellte Holger ohne nachzudenken die Gegenfrage. Schon in der nächsten Sekunde wurde ihm schlagartig bewusst, was er da überhaupt wieder von sich gegeben hatte. Er wusste doch genau, warum Philipp nicht anders konnte und dann kam er mit dieser dummen Unterstellung an. Nur weil es ihm unangenehm war, dass sie eventuell auf diesen Albtraum zu sprechen kamen. Holger erinnerte sich zwar nicht mehr an alles, doch er war sich ganz sicher, dass er sogar Philipps Namen gemurmelt hatte, nachdem er erst unruhig geworden war, weil dieser sich nur mit den Neuzugängen vergnügte. Aber das würde er dem Kapitän sicher nicht auf die Nase binden, nein, das durfte er niemals erfahren. Oder hatte er das auch gemurmelt? Hoffentlich nicht...

Die Aussage Holgers ließ Philipp aber stutzen. Was sollte das? Wollte er ihn verarschen? Philipp sagte erst mal nichts darauf. Er wusste auch nicht, was er sagen sollte. Ihm fehlten da echt die Worte. Wollte Holger von sich ablenken, weil es ihm peinlich war? Sollte er es nicht eigentlich besser wissen inzwischen?

„Tut mir Leid... das war nicht so gemeint. Ich hab nicht nachgedacht“, entschuldigte er sich kleinlaut. „ Ich weiß doch, warum du nicht gehen konntest.“ Es war ihm wichtig, dass Philipp wusste, dass Holger der wahre Grund nicht verborgen geblieben war.

Lächelnd sah der Kapitän nun auf. Holger wusste es wohl doch besser.

„Aber der Traum hatte gar nichts zu bedeuten.“ Holgers Blick war plötzlich entschlossener geworden, als er Philipp doch noch ansah. Er wollte kein Mitleid deswegen und irgendwie ahnte er, dass der Kapitän es bestimmt empfinden musste. Kein Wunder, er war ja auch wirklich bedauernswert. „Vergessen wir es einfach und haken es ab.“

„Gut, wenn du das sagst.“ Philipp glaubte ihm nicht, aber er beließ es dabei. Holger würde sich schon melden, wenn er Hilfe brauchte… nein, würde er nicht. Innerlich seufzte Philipp. Er sollte auch in der Sommerpause ein Auge auf den Innenverteidiger haben. Nicht, dass er noch in Depressionen oder ähnliches verfiel.

„Wir können noch in Ruhe austrinken, ehe wir weiter sollten“, ging er dann noch auf Holgers Versuch der Ablenkung ein. Eigentlich wollte er selber nicht ablenken, aber Holger war nun mal nicht der gefühlsduseligste Mensch und da war es vielleicht besser einfach darauf einzugehen.

Zufrieden nickte Holger. Hieß doch, dass er es gut sein ließ, oder?

Es dauerte nicht lange, da hatte Philipp seinen Kaffee und das Baguette verschlungen und auch Holger leerte seine heiße Schokolade.
„Dann wollen wir mal“, sagte Holger aus einer Mischung aus Seufzen und Euphorie. Er wollte hier ja unbedingt weg, nur wäre es ihm lieber in dem Wissen, dass er mit Philipp nach Berlin fliegen konnte. Oder Philipp mit nach München kam. Aber beides war lediglich ein Wunschtraum. Wie wohl der Sonntag ablief, wenn er die Mannschaft inklusive Philipp wiedersah?

Wenig später saßen sie dann im Flugzeug. Ein Stück ging es gemeinsam, ehe sich ihre Wege trennen würden. Die Stewardess erklärte wieder die Anweisungen. Langsam wusste Philipp wirklich, wie das war. Vor allem nachdem er jetzt ein paar Mal hin und her geflogen war.
„Ich muss zugeben, ich bin froh, nicht mehr herfliegen zu müssen“, fing er ein Gespräch an und sah an Holger vorbei aus dem Fenster. „Das schlaucht doch ganz schön immer diese 17 Stunden oder wie lange das geht im Flugzeug zu sitzen. Da fahre ich lieber fünfmal täglich eben zu dir“, er grinste ihn leicht an.

Erst als Philipp mit ihm sprach, drehte Holger seinen Kopf vom Fenster weg und sah zu ihm. Irgendwie saß er immer am Fensterplatz, aber Philipp hätte schon etwas gesagt, wenn ihn das störte. Mit einem Mal kam sich Holger richtig dumm vor. Der Flug schlauchte Philipp, die wichtigen Spiele strengten an und Holger strapazierte dessen Nerven noch zusätzlich. Und es war auch nicht so, dass Philipp Single und unabhängig war. Nein, der hatte Verantwortung für seine Familie zu tragen. Jupp wusste das und trotzdem schickte er den Kapitän nach Vail. Zweimal.
Durch diese Überlegungen kam ihm auch wieder in den Sinn, dass er Philipp sogar vorgeworfen hatte, dass er von seiner Familie erzählte. Da vermochte man gar nicht mehr zu sagen, wer von beiden in Vail als „Armer“ betitelt werden durfte. Die Ausnahmesituation, in der Holger steckte, entschuldigte schließlich nicht alles.
Aber wie war das? Fünf mal täglich? Holger würde nicht ablehnen, aber das war sicher als Scherz gemeint, was das Grinsen des Kapitäns auch bestätigte. Dieser schaute aber eher an ihm vorbei und beobachtete wie das Flugzeug an Höhe gewann.
„Es gibt ja auch schöneres als über fünfzehn Stunden in einem Flugzeug zu sitzen“, meinte Holger bestätigend dazu. Zum Beispiel mit der Mannschaft zu trainieren, aber das sparte er sich. Philipp würde es genauso sehen, dass das tausend mal besser war als ständig herumzufliegen.


Bis nach Oslo, an dem sich ihre Wege trennen würden, dauerte es noch ziemlich lange. Es hätte Holger auch gewundert, wenn sie so lange ein Gespräch hätten aufrecht erhalten können. Gelangweilt tippten seine Finger immer wieder auf die Armstütze.

Philipp wunderte sich nicht darüber, dass sie wieder mal schwiegen. Er kannte es inzwischen auch nicht anders. Gerade war es keine unangenehme Stille. Es war nicht so, dass irgendetwas vorgefallen war und sie sich beide verpflichtet fühlten etwas sagen zu müssen, aber keiner wusste was.
Zwar würde er gerne etwas sagen, aber was? Die Angst schwang mit, dass es wieder falsch sein könnte, was er zu sagen hatte. Er konnte nicht über Berlin reden. Über München kam ihm auch falsch vor. Sollte er Holger sagen, dass er froh war, wenn der Flug endlich vorbei war, weil es auf seinem Rücken ziepte, wenn er die ganze Zeit in dem bequemen Sitz lehnte? Für den Kaffee-Unfall konnte Holger ja nichts, aber würde er dann wieder an den blauen Fleck denken?
Innerlich seufzte Philipp. Das war doch zum Kotzen, dass er jedes Wort auf die Goldwaage legen musste. Hoffentlich würde das mit der Zeit besser werden.

Es passierte ohne darüber nachzudenken, denn Holger war so in Gedanken vertieft, dass er gar nicht so genau wahrnahm, dass er mit Daumen und Zeigefinger plötzlich sanft über Philipps Hand, die auf der Armlehne neben der seinen lag, strich. Vielleicht lag es daran, dass er gerade überlegte, wie er den Kapitän auch etwas Gutes tun konnte, wo dieser doch schon allen Strapazen strotzte, und streichelte ihn deshalb intuitiv.

Während der Kapitän so seinen Gedanken nachhing, fühlte er plötzlich eine Hand auf seiner. Er richtete den Blick darauf. Strich Holger gerade mit seinen Fingern über seine Hand? Unwillkürlich schlich sich ein Lächeln auf Philipps Lippen und insgeheim genoss er es irgendwie auch. Ihm gefiel die Geste und die Tat an sich auch. Es fühlte sich einfach gut an.

Nicht unbedingt lange dauerte es aber, dass Holger doch den Blick zu den Händen suchte und sich seiner Tat schlagartig klar wurde. Irritiert weiteten sich seine Augen, ehe sich auch wieder die Röte in sein Gesicht schlich. Seine Hand zog er natürlich weg. Das gab es doch nicht...was machte er denn da bloß? Er benahm sich fast wie ein verliebter... verliebt? Dachte er gerade ernsthaft über das Wort nach? Wie konnte er überhaupt nur so in Gedanken sein, dass er seinem unterbewussten Verlangen so sehr hatte nachgeben können?
Geschockt schaute er einen kurzen Moment zu Philipp, öffnete sogar ganz leicht den Mund, um etwas zu sagen, ließ es aber besser bleiben und wandte sich wieder dem äußerst spannenden Fenster und dem Ausblick zu.
Es waren ja „nur“ noch zehn Stunden...

Philipp sah auf und direkt in die geschockten Augen des Jüngeren. Warum sah er so erschrocken aus? Er schien, als wollte er etwas sagen, tat es aber nicht und schaute lieber aus dem Fenster.
Was war das denn jetzt? War ihm die Aktion etwa peinlich? Philipp würde sogar behaupten, dass Holger leicht rot geworden war im Gesicht. Irgendwie konnte er darüber nur schmunzeln. Das war süß. Süß? Schon wieder dieses Wort. Wieso brachte er es im Moment immer mit Holger in Verbindung? Er verstand es nicht. Aber war das wichtig? Er wusste es nicht und entschied sich einfach mal dagegen. Sollte es nicht so sein, würde er es früher oder später schon noch herausfinden.
Jetzt wollte Philipp aber auf Holgers Tat reagieren. Er wollte sie nicht komplett unkommentiert lassen. Er wollte ihm auch das Gefühl geben, dass es ihm nicht peinlich sein musste.
Philipp griff einfach nach Holgers Hand und drückte sie. Er lächelte ihn dabei an, ehe er seine Hand wieder auf die Armlehne legte und auch den Blick abwandte. Das Lächeln in seinem Gesicht aber blieb.

Philipp hatte noch nichts dazu gesagt. Also war es abgehakt, oder? Holgers Blick ging aus dem Fenster, wodurch ihm die Spiegelung auffiel. Der Kapitän lächelte... oder schmunzelte. Über die Geste oder wegen der Geste? Das würde einen entscheidenden Unterschied machen. Doch etwas anderes, vielleicht sogar die Antwort auf seine gedanklich gestellte Frage, erregte seine Aufmerksamkeit. Philipps Hand bewegte sich zu seiner, wodurch Holgers Kopf automatisch herum schnellte, damit sein Blick direkt auf den Händen lag. Der Kapitän drückte sie kurz und zog sie dann wieder weg. Wollte er damit sagen, dass es okay war? Auf eine andere Erklärung kam er im Moment jedenfalls nicht und nachfragen wollte er nicht. Also blieb es wohl dabei... Mit einem zufriedenen, fast schon glücklichen, Lächeln im Gesicht drehte er seinen Kopf wieder zum Fenster.
Vielleicht sollte er jetzt einmal über seinen dämlichen Gedankengang nachdenken, in dem er sich als verliebt betitelt hatte.

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