Kapitel 85 – Philipps Eigentor



„Danke, dass du mit hochgekommen bist.“


Das nächste Lächeln, was Holger ihm schenkte, konnte Philipp nicht ignorieren. „Du kennst mich doch“, erwiderte er nur, lächelte ebenfalls leicht. Was genau er jetzt damit ausdrücken wollte, wusste er auch nicht. Wollte er sagen, dass er jedem helfen würde? Oder dass Holger sich immer auf seine Hilfe verlassen konnte? Beides war nicht ganz falsch. Eigentlich war beides sogar vollkommen richtig.


Holger war nicht überrascht über seine Antwort und nickte, lächelte zaghaft. Er konnte ja schon ein Lied von singen, dass Philipp nie so einfach ging und ihn zurückließ. Vor allem nicht, wenn es etwas mit seinem Knie zu tun hatte. Das schätzte er auch sehr an ihm. Dieses bedingungslose für ihn da sein, schien oft keine Grenzen zu kennen, wodurch sich der Blonde allerdings auch ab und zu wieder Hoffnung auf mehr machte.


Mit höchster Vorsicht setzte er sich auf die Ablage der Garderobe, bückte sich und zog sich langsam die Schuhe aus, seufzte erleichtert, als der rechte Schuh von seinem Fuß entfernt war.
„Bestimmt kann ich nach kurzer Ruhepause wieder die kurze Strecke zu dir fahren. Ist es okay, wenn du solange wartest?“, fragte er erwartungsvoll. „Notfalls zahle ich dir auch das Taxi... ist ja meine Schuld, dass ich nicht abgebogen bin“, fügte er kleinlaut hinzu. Wünschte sich aber gerade nichts sehnlicher als dass Philipp sich für den ersten Vorschlag entscheiden würde.


Philipp beobachtete Holger beim Ausziehen seiner Schuhe und schüttelte direkt den Kopf. „Du fährst nirgendwo mehr hin. Du gehst gleich ins Wohn- oder am besten gleich ins Schlafzimmer und ziehst du Jeans aus, während ich deine Kühlpads hole. Die sind in der Küche, oder? Und ein Taxi kann ich wenn auch gerade so noch selber zahlen.“ Er grinste leicht und streifte sich dann selbst die Schuhe ab. „Ich bin ja auch schuld daran, weil ich nicht aufgepasst habe, aber… ich war halt voll in Gedanken“, er zuckte mit den Schultern und vermied den Blick zu Holger während er die Schuhe ordentlich zur Seite stellte. Er packte sie neben seine Tasche, die er mit aus dem Auto genommen hatte.


Langsam glaubte Holger aber wirklich, dass er sich umsonst gesorgt hatte. Philipp verhielt sich normal wie immer und war womöglich wirklich nur müde nach dem anstrengenden Tag mit den ganzen Kindern. Als er von ihm ins Schlafzimmer dirigiert wurde, nickte er gehorsam. Es war wohl besser so, wenn er sein Knie erstmal wieder schonte, bevor er es wieder belastete. Aber eine Tatsache wollte und konnte er auch so nicht stehen lassen. „Der Fahrer sollte ja auf die Straße achten“, schmunzelte er. Aber das war nun mal so. „Woran hast du denn gedacht?“, erkundigte er sich neugierig. Irgendwie interessierte es ihn brennen, was Philipp so sehr abgelenkt hatte, dass er gar nicht mehr ans nach Hause fahren dachte.


Wunderte es Philipp, dass Holger wissen wollte, an was er gedacht hatte? Nein, es wunderte ihn nicht. Allerdings musste er sich jetzt ausdenken. Was sollte er ihm sagen? Was würde er ihn glauben. „Ich hab an Julian gedacht und wie er wohl in dem Alter sein wird“, erklärte er ihm. Eine glatte Lüge, aber er fand sie recht realistisch. Außerdem log Holger ihn ja vermutlich auch an, da brauchte er deswegen kein schlechtes Gewissen haben.


Holger nickte bloß, beschäftigte sich damit nicht weiter. Die Antwort klang plausibel, schließlich war es nicht verwunderlich, wenn man sich als Vater so seine Gedanken machte.


Bevor Holger aber weiter nachfragen konnte, verschwand er schnell in die Küche. Auf dem Weg dahin fasste er sich an die Stirn. Wo kamen denn jetzt plötzlich diese Kopfschmerzen her? Am besten er nahm sich später von Holger eine Tablette. Das war sicher kein Problem. Philipp meinte, er hätte sie alle im Nachtschrank, um sie griffbereit zu haben. Dort würde er gleich nachschauen.


„Ja, die Kühlpads findest du in der Küche“, rief er ihm noch nach, während er sich schon auf den Weg ins Schlafzimmer machte. Philipp kannte sich hier sowieso schon ziemlich gut aus, so wie es eigentlich gar nicht üblich wäre.


„Wenn du Durst oder so hast, kannst du dir auch was nehmen“, fügte er noch hinzu, bevor er hinter der Schlafzimmertür verschwand. Dort traf ihn dann fast der Schlag.


Philipp nickte, ehe er feststellte, dass Holger das gar nicht sehen konnte. „Mach ich, danke!“, rief er zurück und nahm das Angebot gleich an. Er holte sich ein Glas und schüttete es voll Wasser. Er nahm einen Schluck, ehe er nach den Kühlpads im Kühlschrank suchte. In einer der Schubladen fand er die Stoffhülle dafür und klemmte sich die Pads unter den Arm, während er mit einer Hand das Glas hielt, um mit der anderen die Türen zu schließen.


Seine Kleidung, die er kurz bevor er fuhr, noch anprobierte und auswählte, lag noch auf dem Bett. Natürlich lag sie dort, immerhin gab es keine Heinzelmännchen, die das Zimmer aufräumten, während man unterwegs war.

Holger beschloss sie schnell aufzuräumen, als sein Knie sich stärker bemerkbar machte und ihn an seinem Vorhaben hinderte. Sich nach Erholung für sein Knie sehnend, humpelte er eifrig zum Bett und ließ sich erleichtert auf seinem Bett neben dem Stapel an Kleidung nieder. Er würde die Wäsche gleich noch wegräumen, wenn er sich aus seiner Jeans befreit hatte.

Holger fingerte am Knopf und Reißverschluss seiner Hose. Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein seliges Lächeln ab, wenn er sich vorstellte, dass Philipp auch bei ihm war und vielleicht doch noch etwas blieb. Obwohl er sich langsam aber sicher die Frage stellte, worauf das hinaus laufen sollte. Würden sie einfach hier sitzen und noch reden? Insgeheim wünschte sich der Innenverteidiger natürlich ganz was anderes, aber das musste er sich aus dem Kopf schlagen. Nur schien das nicht ganz so zu klappen, wie Holger es gerne hätte. Ganz langsam streifte er sich die Jeans ab, versuchte sich auf sein Knie zu konzentrieren, doch alles an was er dachte war, wie es wäre, wenn Philipp seine beiden Hände am Bund der Hose gelegt hätte und sie ihm abstreifen würde. Durch diesen Gedanken erschien sogar ein leichter Rotschimmer auf seinen Wangen.


Als Philipp ins Schlafzimmer kam, stellte er fest, dass Holger gerade dabei war seine Hose von den Beinen zu ziehen. Irgendwie ging Philipps Blick automatisch zu den schwarzen Shorts, aber schnell wendete er ihn wieder ab. Was sollte das?


Er hatte die Hose noch nicht ganz von seinen Beinen gezogen, da fiel bereits Licht ins Zimmer und die Tür ging auf. Holger lächelte verschüchtert, zumal er sich seiner eben vorgestellten Gedanken mehr als nur bewusst war.


„Hier“, er legte die Kühlpads neben ihm auf die Bettdecke und stellte das Glas auf seiner Seite auf den Nachtschrank, ehe er irritiert auf mit Kleidung beladene Bett schaute.


Holger folgte dem Blick und sah ihn ertappt ab. Er hatte gedacht er würde länger in der Küche verweilen. „Die wollt ich noch wegräumen.“

„Lass“, wies Philipp an. „Ich mach das schnell.“ Der Kapitän wollte nicht, dass der Jüngere sein Knie zu sehr belastete und öffnete den Kleiderschrank, um die ganze Kleidung wieder an die Stange zu hängen.
„Hast du ausgemistet, oder warum lag die Kleidung hier?“


Ausmisten? Ja, das klang doch gut. „Ja, aber dann war die Zeit zu knapp und ich musste losfahren.“


Philipp nickte nur und lächelte, auch wenn er ihm seltsamerweise nicht einmal das glaubte. Verband er diesen Gedanken mit den Gefühlen, die Holger für ihn hegen könnte, erschloss er sich darauf eine andere Antwort.

Recht zügig war alles wieder verstaut. Die Schranktür schloss er leise und wandte sich wieder an Holger.


„Danke“, freute Holger sich ehrlich über die Hilfe mit den Kühlpads und der Kleidung, hatte sich die Hose währenddessen von den Beinen gestrampelt, damit er gemütlich nach hinten rutschen konnte und sich mit den Kühlpads das Knie einzubandagieren.


„Und zu welchem Schluss bist du eigentlich gekommen? Wie denkst du, dass dein Sohn später sein wird?“, interessierte er sich und drehte den Kopf zu Philipp, wodurch er überrascht feststellte, dass dieser ihn mit einem leichten Grinsen betrachtete.


Stumm seufzte Philipp. Holger wollte doch sonst auch nicht immer alles wissen, so wie er. Warum hakte er dann jetzt nach?

„Deine Medizin hast du hier, oder? Kann ich eine Schmerztablette haben? Mein Kopf dröhnt irgendwie ziemlich“, Philipp grinste leicht und sah ihn an. Dabei fiel ihm auf, dass Holger etwas rot war?

Lag das am Licht? Oder an der Anstrengung mit dem Knie? Er hätte doch die Krücken mitnehmen sollen… aber die Worte sparte er sich. Holger würde diese Belehrung nicht hören wollen und außerdem war es jetzt eh zu spät.


Kopfschmerzen? Ach so … das erklärte es natürlich nur noch deutlicher, warum er nicht mehr zu den Hasen wollte. Jetzt waren für Holger erstmal alle Zweifel aus dem Weg geräumt, dass Philipp eventuell mehr von seinen Gefühlen ahnen oder wissen könnte.
„Nimm dir ruhig eine“, nickte er in Richtung des Nachtschranks und sah ihn etwas besorgt an.


„Danke“, meinte er aber erst mal und kniete sich neben Holger vor den Nachtschrank, um dort die passenden Tabletten heraus zusuchen. Währenddessen antwortete er ihm: „Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass man das nicht sagen kann und ich lieber nicht genauer darüber nachdenke. Was bringt es auch? Julian wird sich entwickeln und seinen Weg gehen und egal, was dabei rauskommt, ich werde stolz auf ihn sein.“ Dessen war Philipp sich sicher. Er würde seinen Sohn unterstützen, egal, was er plant. Selbst wenn er lieber Ballett tanzen würde als Fußball zu spielen… wobei er das sicher zu verhindern wüsste. Er freute sich immerhin schon darauf mit seinem Sohn im Garten zu kicken.


Er lauschte Philipps Worten, während er das Kühlpad etwas fester auf sein Knie drückte. Sein Blick fiel auf den freien Platz in seinem Bett. Sollte er es Philipp direkt anbieten sich zu ihm zu legen? Dass es für den Blonden in Ordnung so war, oder musste er sich dann wieder fürchten, dass der Kapitän etwas anderes denken könnte? Zumal Philipp wusste, dass es auch ein Gästezimmer und die Couch im Wohnzimmer gab.

„Hört sich vernünftig an“, nickte er nach kurzer Überlegung leicht. Auch wenn er es als kinderloser Junggeselle nicht wirklich beurteilen konnte, aber von einem Vater verlangte man doch Toleranz gegenüber den Lebenswegen seiner Kinder, oder?


„Du solltest dich vielleicht auch hinlegen“, schlug er vor. Sein Gewissen machte sich bemerkbar. Philipp hatte Kopfschmerzen und er vergaß ihn natürlich gerade dann nach Hause zu bringen. Jetzt durfte er sich mit Kopfschmerzen bei ihm herumquälen. Nicht, dass es Holger stören würde, dass er bleiben musste – ganz im Gegenteil, er genoss Philipps Anwesenheit, aber es tat ihm auch Leid. „Neben den Tabletten müsste auch ein Eukalyptusöl und ein Tuch liegen, was bei Kopfschmerzen relativ gut hilft.“


Immer noch so völlig in Gedanken drückte er eine Tablette aus der Verpackung und legte sie wieder zurück. Das Öl nahm er nicht. Meist bekam er davon noch mehr Kopfschmerzen. Zumindest hatte Claudia mal so ein Öl für sich genommen. Ihr ging es später besser aber Philipp lag dann selber in der Ecke mit Kopfschmerzen.


Allerdings klang hinlegen ganz gut. Wobei er nicht einmal daran zweifelte, dass er sich neben Holger legen würde. Philipp ging um das Bett herum und nahm die Tablette mit einem großen Schluck Wasser. Dann zögerte er kurz. Er war in Versuchung seine Jeans auszuziehen. Es wäre bequemer. Aber… da war auch Holger… er entschied sich sie anzulassen. In Gedanken war die Begründung, dass er ja eh nicht lange hier wäre und gleich wieder fahren würde. Also nahm er bloß das Kopfkissen und schüttelte es kurz auf, ehe er sich auf die Bettdecke legte und den Kopf zu Holger drehte.


Still beobachtete er, wie Philipp die Tablette zu sich nahm und sich dann zu ihm nach einem kurzen Zögern, was Holger keinesfalls entgangen war, zu ihm ins Bett legte. Er hoffte, dass die Kopfschmerzen bald nachließen und die Tablette seine Wirkung entfaltete, denn wirklich was tun konnte er nun auch nicht für Philipp.

„Liegst du bequem? Du kannst auch noch ein Kissen haben“, bot er an. Instinktiv fiel sein Blick auf die Wolldecke am Fußende des Bettes. „Oder dich zudecken“, lächelte er. Das war sicher bequemer, weshalb er seinen Oberkörper aufrichtete, nach der Decke griff und sie über Philipp ausbreitete. Mit ziemlich zögerlichen und unsicheren Hangriffen zog er sie zurecht, ehe er sich wieder hinlegte.


Philipp wollte eigentlich verneinen und sagen, dass alles gut war. Er würde ja eh bald wieder gehen, aber Holger kam ihm zuvor. Etwas irritiert nahm er zur Kenntnis, wie der Innenverteidiger eine Decke über seine Beine und seine Oberkörper zog. Er hatte noch nicht mal mit den Augen blinzeln können als Antwort, weswegen es ihn irritierte, dass Holger ihm einfach die Decke übergezogen hatte. Aber… vermutlich meinte er es nur gut, oder? Oder Philipp redete es sich wieder ein und dachte absichtlich nicht daran, dass vielleicht mehr dahinter steckte.


Holger drehte seinen Kopf etwas zur Seite, da es ihm im Nachhinein ein wenig peinlich war, dass er nicht mal die Antwort abwartete, ob Philipp überhaupt eine haben wollte oder nicht.


Das würde sogar Sinn machen, so, wie Holger den Kopf wegdrehte. Oder war das keine beschämte Reaktion? Wie sollte er es sonst verstehen? Er wusste es nicht. Aber er wollte da auch jetzt nicht dran denken. Sein Kopf dröhnte zu sehr.


Philipp äußerte sich nicht mehr zu der Decke. Entweder er wollte sie gar nicht oder aber war zu überrascht, dass Holger ihm ohne nachzufragen eine übergeworfen hatte. Aber da er sie nicht wegnahm, wie er feststellte, als er seinen Kopf wieder herumdrehte, glaubte er, dass es ihn zumindest nicht störte.


„Hilft das Kühlen schon?“


Holger nickte bloß, hatte den Gedanken an sein Knie konsequent verdrängt. Außerdem waren die Schmerzen dank der Kühlpads schon fast wieder verschwunden. So fiel es ihm natürlich leicht nicht mehr daran zu denken. Zögerlich behielt er seinen Kopf in Philipps Richtung und sah ihn erschrocken an, als zwei warme Augen ihm entgegen blickten. Auch, wenn das Bett groß war, sie lagen doch recht nah beieinander, wie Holger nun wieder bewusst wurde. Beklommen schluckte er... Philipps Lippen war so nah, er musste nur den Mut haben. Aber der Kapitän stieß ihn schon einmal von sich, als er ihn küsste. Und nochmal sagen, dass es nur ein Versehen war und er sich Sarah dabei vorstellte, würde er niemals glauben.


Auch, wenn seine Kopfschmerzen sich noch nicht bessert, nahm er trotzdem wahr, dass es Holger schon besser ging, was ihn freute. Er wollte noch etwas sagen, aber die blauen Meere, in die er plötzlich blickte, hinderten ihn daran. Er hatte wirklich schöne Augen. So richtig hatte Philipp noch nie darauf geachtet, aber er mochte sie irgendwie.


„Ich fand den Tag heute wirklich schön“, gab Holger mit einem niedlichen Lächeln zu. Was er damit bezwecken wollte? Holger wusste es selber nicht so genau, er konnte nur sagen, dass es ihm wichtig war, das nochmals zu betonen. Dass er gerne seine Zeit mit Philipp verbrachte, dass er die Idee ihn zu begleiten gut fand und es nicht bereute.


Der Kapitän kaufte ihm das Lächeln ab. Zumindest interpretierte er es als ehrlich. Und irgendwie war er auch froh, dass dem so war, so musste er kein schlechtes Gewissen haben.
„Freut mich“, lächelte er ebenfalls kurz, ehe er den Kopf wieder zur Decke richtete und die Augen schloss. Angestrengt fuhr er sich über die Stirn und gähnte im nächsten Moment auch noch.
„Danke noch mal, dass du mit warst.“ Die Augen hielt er geschlossen, aber seine Lippen zierte ein Lächeln. Er war wirklich froh. Trotz der Erkenntnis, die er gewonnen hatte. Also vielleicht gewonnen hatte. Oder war er gerade deswegen froh? Er sollte erst mal Gewissheit bekommen und sich dann weiter den Kopf zerbrechen. Jetzt war das eh nicht sonderlich von Vorteil.


Holger freute sich über das Lächeln, das Philipp ihm schenkte, aber schon im nächsten Moment wurde die Mimik des Innenverteidigers besorgter. Es erübrigte sich die Frage, ob seine Kopfschmerzen sich schon gebessert hatten.
„Gerne“, antwortete er prompt, neigte seinen Körper in Philipps Richtung, ehe seine Hand sich schneller als Holger Herr über sein Handeln werden konnte, auf seinen Arm legte. Etwas erschrocken über die unüberlegte Geste sah er auf die Hand, dann wieder zu dem Kapitän hoch.


Plötzlich spürte Philipp die Hand auf seinem Arm und öffnete die Augen minimal, schielte hindurch und sah das, was er sich schon gedacht hatte. Aber was sollte das? Er erwartete, dass da noch etwas folgen würde, weswegen er erst mal die Augen wieder schloss. Das war doch angenehmer für ihn.


„K-kann ich noch was für dich tun? Mir tut es Leid, dass ich dich nicht gleich heimgebracht habe, gerade wenn es dir nicht gut geht.“ Auch wenn er die Anwesenheit mehr als nur genoss, quälte ihn sein schlechtes Gewissen. Ganz zaghaft streichelte sein Daumen der festen, weichen Haut am Arm entlang, während er der Bewegung mit seinen blauen Augen folgte und ein Lächeln sich auf seine Lippen schlich. Einmal mehr ereilte ihn die Bestätigung, dass er sich wirklich in den Kapitän verliebte. Diese unscheinbare Nähe zu ihm fühlte sich für ihn unbeschreiblich gut an, doch umso mehr schmerzte es, dass Philipp unerreichbar war. Für ihn. Philipp war verheiratet... und sicher nicht schwul, oder?


Ohne es zu wollen, schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. „Hör auf dich zu entschuldigen, du konntest es doch nicht wissen. Mir sind die Kopfschmerzen ja auch hier erst richtig bewusst geworden“, erklärte er und öffnete blinzelnd die Augen, drehte den Kopf in Holgers Richtung. Irgendwie war die Berührung auf seinem Arm sogar richtig sanft, als wollte er es dadurch wieder gut machen. Dabei musste er nichts wieder gut machen. Oder suchte Holger nur einen Grund, um ihm nah zu sein? Konnte er ihm das unterstellen?


„Trotzdem“, widersprach der Innenverteidiger. Er hätte ihn einfach nach Hause bringen sollen und fertig. Dann hätte er dort die Kopfschmerzen wahrgenommen und hätte sich entspannt hinlegen können. Dennoch blieb ihm sein leichtes Lächeln nicht verborgen, da Holger ihn ohnehin genau musterte, als er die Augen geschlossen hatte. Freute er sich, dass er sich kümmerte? Er hoffte das dem so war.


„Du musst dir keinen Druck machen, dass du unbedingt heute noch hier weg sollst. Du kannst gerne über Nacht hier bleiben und dich ausruhen“, bot er an. „Morgen kann ich dich dann nach Hause fahren.“
Unsicher ob das Angebot nicht zu aufdringlich war, suchte er Blickkontakt.


Philipp merkte, wie Holgers Augen seine fanden. War er unsicher, oder kam es ihm so vor? Brauchte er doch nicht zu sein, wenn man davon ausging, dass sie Freunde waren. Ganz normale Freunde.


„Nein, schon gut, ich hau gleich ab“, gähnte er wieder.


Er war so in das Mustern vertieft und dazu seine Unsicherheit zu unterdrücken, dass er erst die zwei warmen Augen, die ihn ansahen, bemerkte, als Philipp ihm mitteilte, dass er gleich fahren würde. Am liebsten hätte er sofort verneint und ihn zurückgehalten, doch er ließ seinen Arm los und sah ihn nur traurig an.


„Ich bin auch echt müde“, stellte er fest, gähnte direkt noch mal. „Das ist echt heftig. Ich hätte mich nicht hinlegen sollen. Oder ist das eine Nebenwirkung von den Tabletten? Machen die nicht schon mal müde? Wobei ich das so extrem noch nie hatte…“


„Vielleicht sind die für dich zu stark...“, murmelte Holger seine Theorie. Aber als Nebenwirkung war ihm Müdigkeit nicht bekannt. Zumindest wurde er von denen nicht sonderlich müde.


Philipp setzte sich schwerfällig auf, fuhr sich übers Gesicht und durch die Haare. Er wollte aufstehen, wollte schon mal ein Taxi rufen, aber seine Beine und Arme waren schwer wie Blei. Das Sitzen alleine strengte schon ungemein an. Was war das? Das konnte doch nicht von den Schmerztabletten kommen, oder?


„Ich kann ja mal nachlesen“, schlug Holger vor, doch gerade als er sich zu seinem Nachttisch drehte, fiel ihm auf, wie schwer Philipp alleine das Aufrichten seines Oberkörpers fiel. Er konnte die Anstrengung förmlich unter dem genauen Blick wahrnehmen. Normal war das nicht...

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Kommentare: 1
  • #1

    Ronna (Donnerstag, 02 Oktober 2014 19:53)

    Hallo, schön wieder von euch zu lesen.
    Das Kapittel war ja mal echt heftig am Schluss....
    da macht man sich ja richtig Sorgen!
    Ich hoffe Philipp hat nichts schlimmes....
    Freu mich natürlich schon sehr auf das nächste Kapittel,
    ihr schreibt echt super toll :)
    Glg Ronna