Kapitel 76 – Wettschulden sind Ehrenschulden



„Hab ich behauptet, dass es leicht war?“, grinste Holger, nachdem er auch die Herausforderung des Kapitäns vernommen hatte. Nur bisher war sie ohne Wetteinsatz, was vermutlich auch so bleiben würde. „Wie willst du wetten, wenn ich der selben Meinung bin? Ich werd es wohl kaum schaffen auf den ersten Schlag einzulochen“, schmunzelte er. Wenn nicht mal Philipp – der selbsternannte Golfprofi – das schaffte, wie sollte er das dann machen? Ach ja, einfach nicht aufs Golfen konzentrieren, dann würde er schon treffen.


„Damit es trotzdem klappt, wage ich die Behauptung, dass ich auch drei brauche“, lenkte er ein.

„Ein Versuch ist es wert.“ Allerdings brauchten sie jetzt einen Wetteinsatz. „Wenn ich verliere, besuche ich das Sommer Camp auch. Und wenn du verlierst...“ Jetzt war er es, der den Satz offen ließ. Er war gespannt, was sich Philipp einfallen ließ und ob er den Wetteinsatz überhaupt annehmen würde.


Der Wetteinsatz überraschte Philipp, zauberte aber sogleich ein Lächeln auf sein Gesicht. Allerdings hinterfragte er das nur wenige Sekunden später wieder. Sollte ein Wetteinsatz nicht etwas sein, was man nicht gerne tat? Also hatte der Innenverteidiger wirklich kein richtiges Interesse an seiner Stiftung. Aber warum hatte er ihm dann erst so Honig ums Maul geschmiert? Oder ging es bloß darum, dass Holger nun mal nicht gerne im Mittelpunkt stand? Er hoffte es einfach.
Allerdings brachte ihn das nicht weiter mit seinem Wetteinsatz. Mit was konnte er Holger etwas gutes tun oder ihm helfen? Wobei "helfen" nicht der richtige Ansatz war... plötzlich hatte er eine Idee.
„Wenn ich verliere, bekommst du eine Massage aˋla Philipp“, er grinste. „Massieren kann ich nämlich ganz gut. Sagt zumindest Claudia.“ Okay, er mochte seine Frau nicht, da war das vielleicht nicht die beste Argument, aber irgendwie musste er ja seine Worte unterstreichen.


„Massage?“ Holger war verblüfft. „A´la Phlipp?“ Es musste ziemlich dämlich wirken, wie er das wiederholte, so als hätte er die Worte noch nie zuvor gehört. Aber mit so einem Wetteinsatz hatte er wirklich nicht gerechnet. Massage konnte er doch gleichsetzen mit wohltuenden Berührungen, oder? Berührungen und Aufmerksamkeit von Philipp. Wie sah eine Massage a´la Philipp überhaupt aus? Im Liegen und oben ohne, oder lediglich mit Shirt im Sitzen? Er verbot es sich danach zu fragen.


Philipp grinste breit. Holger sah ziemlich überrascht aus und irgendwie sollte er das auch sein. Wäre ja langweilig, wenn sein Wetteinsatz vorhersehbar wäre.


„Und wie darf ich mir so eine Massage vorstellen?“, interessierte er sich, bemühte sich dabei aber nicht ganz so erwartungsvoll zu klingen wie ein Kleinkind, dass auf das Christkind wartete.


Er schmunzelte auch auf die Frage hin und schüttelte den Kopf. „Das verrate ich nicht. Du musst schon die Wette gewinnen, um den Preis zu bekommen.“

Philipp wusste selber noch nicht genau, wie die Massage aussehen würde, aber das musste er ihm ja nichts sagen. Hin und wieder massierte er nur seine Frau und die lobte ihn jedes Mal und betonte, wie gut es ihr täte. Bei Holger wäre das zwar sicher anders aber vielleicht freute der sich ja auch. Obwohl er sich sicher mehr über Sarah freuen würde.


Es war etwas ärgerlich, dass Philipp nichts von der Massage erzählte. Holger wollte doch wissen, was ihn erwarten würde. Seine Neugier stieg merklich, sehnte er sich doch nach jeder Berührungen des Kapitäns. Unbeschreiblich, wie sehr er jeden Körperkontakt genoss. Anfangs hatte er sich so oft dagegen gewehrt, setzte es gleich mit einfachem Mitleid und mit dem Zwang für ihn da sein zu müssen, doch inzwischen begriff Holger, dass Philipp nicht so dachte. Dass er da war, weil er wollte und ihn mochte. Dabei aber nicht ahnte, dass der Blonde ihn noch mehr mochte, als es gut für ihn wäre.

Als er sich die Erwähnung von Claudias Name in Erinnerung rief, versuchte er das zu umgehen, sie möglichst zu ignorieren, aber der Gedanke, dass er die selbe Massage wie seine Frau bekam, bereitete ihn irgendwie Freude. Egal, wie diese Massage auch aussehen würde, Holger wollte sie haben und würde sich anstrengen, sie auch zu bekommen.


Enthusiastisch legte er sich den Ball zurecht und imitierte Philipps Spielweise. Zumindest versuchte er das.


Philipp beobachtete Holger dabei, wie er sich den Ball zurecht legte, war aber in Gedanken weiter bei Sarah. Damit verbunden dann auch wieder bei seiner Theorie, dass Holger etwas für ihn empfinden würde. Er konnte wirklich machen, was er wollte, andauernd kam er darauf zurück anstatt es einfach zu vergessen, wie er sollte.


Der Golfball schlug glücklicherweise die selbe Richtung ein, die auch der Kapitän erzielte. So kam Holger der Massage wieder einen Schlag näher. Es war zwar schwierig es mit nur noch zwei übrigen Abschlägen zu schaffen, aber längst nicht unmöglich.


Philipp schüttelte wegen seiner Theorie kaum merklich den Kopf und schaute Holgers Ball hinterher, der gar nicht so schlecht war.


Der war ja ganz gut“, anerkennend nickte Philipp. „Aber brauch doch trotzdem vier Schläge, ja? Die Kids würden sich sicher freuen.“ Er grinste Holger an und zog den Trolley hinter sich her während sie der runden Kugel nachgingen. Es war ja nicht so als würde er ihn nicht auch gerne massieren – und in gewisser Weise würde er das wirklich gerne tun – aber er gewann halt auch gerne Wetten. Philipp war nun mal ein Mensch, der nicht spielte, um zu verlieren, sondern um zu gewinnen.


Die Massage muss ja was ganz besonderes sein, wenn du so ein Geheimnis draus machst“, merkte er schmunzelnd an und begann, während sie dem Ball folgten, darüber nachzudenken, wie es sein würde, wenn er ohne Shirt in Philipps Bett lag und der ihn nach allen Regeln der Kunst verwöhnte. Seiner Haut entlang strich, sie knetete und sanft berührte. Das Lächeln auf seinem Gesicht wurde augenblicklich um eine leichte Schamesröte bereichert. Er durfte diesen Gedanken auf dem Golfplatz auf keinen Fall weiterspinnen!


Es wäre ja langweilig, wenn ich jetzt schon alles erzählen würde“, grinste Philipp. „Und dabei wirft man mir immer vor, ich wäre neugierig, dabei bist du nicht besser. Stellst eine Frage nach der anderen, dabei geht es doch nur um eine dumme Massage.“
Theoretisch hatte Philipp Recht, aber die Praxis sah nun mal ganz anders aus. Das ahnte er allerdings nicht.


Holgers Grinsen schwächte etwas ab, als plötzlich die Rede von einer dummen Massage war. Der Innenverteidiger konnte ihm nicht einmal einen Vorwurf machen. Für Philipp bedeutete es auch nicht wirklich was, während es für den Jüngeren nicht nur einen bloßen Wetteinsatz darstellte.

Ich hoffe, ich brauche keine vier Schläge. Ich bin jetzt richtig gespannt auf die Massage“, grinste er ihm dennoch entgegen. Es war nicht so, dass er darüber total verzweifelt wäre, wenn er mit ins Sommer Camp musste, aber das hieß auch, dass er die Massage nicht bekommen würde.
Holger hielt den Schläger dicht vor den Golfball und atmete noch einmal tief durch. Wie genau hatte der Kapitän ihn geschlagen? Fest? Leicht? Hoch? Ach, einfach drauf. Er hatte ja schon einmal miterleben dürfen, dass er besser spielte, wenn er sich nicht konzentrierte. Verhindern konnte der Blonde aber auch nicht, dass er sich trotzdem dem Schlag widmete, mit dem er den Ball wieder ein deutliches Stück näher ans Ziel brachte.


Als Philipp und er näher traten, stellte er missmutig fest, dass es reine Glückssache sein würde, ob er beim nächsten, dritten und letzten vorgenommenen Schlag treffen würde. Holger seufzte fast schon enttäuscht. Er hätte sich so auf die Massage gefreut.


„Komm schon, ein Schlag noch, das kriegst du doch wohl hin“, spornte Philipp ihn an. „Du willst wissen, wie die Massage aussieht, dann musst du jetzt auch einlochen. Sonst werden sich die Kinder auf dich freuen, Holger, denk daran.“ Eigentlich hingegen jeder Logik feuerte er ihn auch noch an. Aber Holger war so interessiert an der Massage, da wollte er ihn unterstützen. Generell aber auch Mut machen und ihn anfeuern. So würde er vielleicht nicht den Spaß daran verlieren und öfter mit ihm Golfen gehen. Es war angenehm ruhig, wenn er ehrlich war. Es war ja nicht so als würde er mit Thomas nicht gerne golfen, aber der war einfach immer so aufgedreht und das passte nicht immer. Manchmal brauchte auch Philipp seine Ruhe und die brachte Holger ja generell gesehen mit. Abgesehen davon mochte er den Innenverteidiger ja auch und verbrachte gerne Zeit mit ihm.


Erstaunt blickte er in Philipps Gesicht, als dieser doch tatsächlich anfing ihn anzufeuern. Fand er den Gedanken, dass er mit ins Sommer Camp kam, doch nicht mehr ganz so ansprechend wie zu Beginn? Seine negativen Gedanken wurden kurz darauf entkräftet. Philipp meinte es gut mit ihm, das musste er sich endlich vollständig begreiflich machen. Holger nickte und richtete den Blick dann wieder auf den Golfball. Ob es Glück oder das Schicksal seine Finger im Spiel hatte, wusste Holger nicht, aber Fakt war, genau in dem Moment, als er den Ball abschlug und innerlich schon mit der Massage abschloss, kippten seine Krücken vom Trolly und lenkten Philipps Aufmerksamkeit auf eben jene.


Holger holte gerade zum Schlag aus als etwas ein komisches Geräusch veranstaltete. Dieses "etwas" waren die Krücken. Völlig abgelenkt von dem geschlagenen Ball kümmerte Philipp sich um eben jene Krücken und befestigte sie wieder am Trolley.


Auch Holger hob die Lider, schaute zu Philipp, dann wieder zum Ball, der knapp das Loch verfehlte. Mist aber auch! Sollte er also nachhelfen? Die Gelegenheit war günstig und schrie förmlich danach. Er wollte die Massage... und vor allem wollte er Philipp.


Unauffällig, aber flink überbrückte er die Distanz von ihm und dem Golfball und gab ihm mit dem Schläger noch einen kleinen Stoß, damit er ins Loch kugelte.


Philipp wandte sich wieder um und stellte erstaunt fest, dass Holger triumphierend auf das Loch deutete und auch noch den Ball daraus holte.


Gerade rechtzeitig, als der Kapitän sich wieder zu ihm drehte, die Krücken befestigt hatte und in Holgers überraschtes Gesicht blickte. Er miemte den Gesichtsausdruck wirklich gut.

„Geschafft...“ Grinsend holte er den Golfball wieder aus dem Ziel und hielt ihn stolz hoch.„Glückssache, aber jetzt habe ich die Massage sicher.“ Ein schlechtes Gewissen? Nein, zumindest kein besonders überzeugendes. Es ging hier nicht um Leben oder Tod. Oder um eine Meisterschaft, lediglich um eine Wette unter Freunden. Auch beim Schiffe versenken hatte Holger sich den Sieg über Philipp mithilfe Schwester Annas erlogen. Doch bevor er jetzt über das Schummeln philosophieren wollte, freute er sich lieber über seinen Sieg, der bedeutete, dass Philipp für die Zeit, die die Massage beanspruchte, nur ihm gehörte. Der Kapitän würde die Wahrheit schon noch erfahren. Die ganze Wahrheit. Irgendwann.


„Ja, das hast du wohl“, stellte Philipp fest, fragte sich aber im nächsten Moment, wie das werden würde.

Bei seinen Massagen mit Claudia, lag sie schon immer oben ohne auf dem Bett und meist verwöhnte er sie so weit, dass es später eh beim Sex endete. Wäre bei Holger nicht der Fall. Aber wie war das? Zusammen im Bett waren sie ja schon mehr oder weniger gelandet. Allerdings war es bisher trotzdem bei einem harmlosen Kuss geblieben. Nein, zweien. Mit der Meisterfeier sogar drei. Aber beim letzten dachte Holger an Sarah also doch wieder zwei, oder? Egal. Es würde ja eh nicht darauf hinauslaufen.

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