Kapitel 146 – Häschen im Glück



Philipp sah zu ihm auf und hörte neugierig zu. Chatten passte irgendwie nicht zu Holger. Oder passte es nur nicht zu ihm selber, weil er nicht so der Typ dafür war? Es lagen immerhin auch ein paar Jahre zwischen ihnen, da war es verständlich, dass diese ganzen Sachen mehr Holgers Ding waren. Er postete zwar auch hin und wieder was, aber nicht so oft und schon gar nichts über sein Privatleben. Doch darum ging es jetzt nicht. Es ging um Cora. Sie schien jemand zu sein, der zu Holger passte. Eine Cathy Fischer war nicht seins, würde nie seins sein. Aber gerade war es ja irgendwie eh keine Frau, die was für ihn wäre. Eine Tatsache, die ihn gleichsam ehrte, aber auch mit Angst erfüllte irgendwie. Angst vor einer ungewissen Zukunft.
Der Kuss ließ ihn lächeln. Sofort beugte er sich hoch und küsste sanft seine Lippen.


Philipp verbesserte den Kuss, in dem er ihre Lippen zusammenführte. Die Eifersucht schien bei dem Kapitän verschwunden. Holger hoffte, dass es wirklich so war und er sich nicht nur zurückhielt. So wie er selber es eben in der Vergangenheit schon immer gern getan hatte.


Ich freue mich, wenn du in ihr eine Freundin gefunden hast“, gab er ehrlich zu. „Ich bin aber auch froh jetzt mehr über sie zu wissen. Schon allein, wenn Basti mich mal fragen sollte.“ Es wäre nicht richtig, wenn er gar nichts wüsste oder etwas anderes erzählen würde.


Basti wird wohl jeden über sie ausfragen, wenn er von mir keine Informationen bekommt“, seufzte Holger. Aber er wollte jetzt nicht mehr über Bastian reden, sondern die Zeit mit Philipp ausschließlich genießen. Und mit July und Milly, die durfte er nicht vergessen.


„Gehen wir ins Wohnzimmer? Kuscheln auf der Couch?“, schmunzelte Philipp und zupfte an Holgers Shirt. Das klang doch nach einem Plan, oder?


Holgers Blick huschte zu Philipps Händen, grinste und schaute wieder auf. „Klingt super.“ Wie könnte er auch jemals verneinen? Er würde ihn immer hinter sich her ins Wohnzimmer schleifen. So wie jetzt auch. Er setzte sich zuerst, damit er seine Beine ausstrecken konnte und machte Platz, damit Philipp sich auch an ihn kuscheln konnte.


Philipp ließ sich gerne mitziehen und kam der Aufforderung auch direkt nach. Er setzte sich neben Holger und kuschelte sich direkt an seine Seite. Tief atmete er durch.


Holger legte seinen Arm ohne zu zögern um ihn, als er das Gewicht an seiner Seite spürte, von dem eine unfassbare Wärme ausging. Ob es jemals zu einem Moment kommen sollte, an dem Kälte von diesem kleinen, liebevollen Mann ausgehen würde?


Du riechst gut, hab ich das eigentlich schon mal gesagt?“, flüsterte er, seufzte sogar leicht dabei. Der Jüngere roch wirklich total gut. Irgendwie wirkte das beruhigend auf ihn. Aber nachdem Holger ihm seine Sorgen genommen hatte, war er eh viel ruhiger geworden.


Das Kompliment ließ ihn lächeln, da sein Duft nun auch etwas war, was Philipp an ihm anziehend fand. Es lenkte ihn perfekt von dieser Frage, die er sich eben selbst gestellt hatte, ab. Noch mehr lenkte ihn im nächsten Augenblick sein Handy ab, das sich lautstark bemerkbar machte. „Sorry“, entschuldigte er sich dafür, streckte seine Hand danach aus, weil er es vor dem Duschen auf dem Couchtisch deponiert hatte, und seufzte wegen des Namens, der unaufhörlich auf dem Display erschien. Musste seine Mutter gerade jetzt anrufen?


Philipp erhaschte einen Blick auf den Namen und schmunzelte leicht. Ja, ja, die lieben Mütter. Da ging man lieber dran bevor sie eine Vermisstenmeldung aufgaben. Seine Mutter hatte sogar mal Timo damals angerufen, weil er in Stuttgart nicht zu erreichen gewesen war. Aber das war eine andere Geschichte.


Hey“, hob Holger schließlich doch noch ab. Nicht, dass sie sich sonst Sorgen machte.


„Wie geht’s dir, Holger?“, erkundigte sie sich, konnte aber dem Seufzen ihres Sohnes gerade noch entgehen. „Was machen July und Milly? Geht’s den beiden Schätzen gut?“


Über die Hasen redeten beide gerne. Das war auch jetzt ein sehr gutes Thema. „Die beiden sind noch total munter. Ich frag mich eh manchmal wann die beiden schlafen. Nachts laufen sie rum, kratzen, buddeln und streiten sich“, erzählte der Innenverteidiger schmunzelnd. Bald schon würde sie es selbst erleben, mit welch charakterstarken Häschen sie es in Zukunft leben musste.


„Aber besser so, als wenn ihnen was fehlen würde“, entgegnete Helga lachend. „Ich würd die beiden ja gerne wieder besuchen kommen... und dich natürlich auch“, fügte sie scherzend hinzu.


Brav lauschte Philipp dem Gespräch. Sein Blick ging zu den beiden Hasen, als sie genannt wurden. Neugierig saßen sie vor dem Gitter und beobachteten ihre Umgebung. Zumindest July. Milly war eher am Schlafen, so wie es aussah.


„Aber eher die Hasen?“, hakte Holger nach. Er nahm es ihr nicht übel. Im Gegenteil. Holger genoss es auch, dass sie so viel Freude und Spaß an July und Milly hatte. Irgendwie war es schön zu wissen, dass sie dadurch nicht mehr alleine leben in dem großen Haus leben musste.


„Du hast mich ertappt“, lachte sie. So ein Gespräch genossen beide viel mehr als eines über seine Verletzung und seine Reha.


„Übrigens habe ich grade noch Besuch, ich würd das Handy ja an July und Milly weiterreichen, aber die sind nicht so gesprächig.“ Ein kleiner Hinweis, dass er das Gespräch kurz halten wollte.


Helga verstand, fragte aber neugierig – wie Mutter halt nunmal waren – wer denn ihrem Sohn Gesellschaft leistete.


„Philipp“, antwortete er ehrlich. „Wir zocken, damit er mit Thomas und Bastian mithalten kann.“ Holger schenkte Philipp ein warmherziges Lächeln.


Als sein Name genannt wurde, sah Philipp Holger an und erwiderte dieses Lächeln sofort, grinste eigentlich viel mehr wegen dem Grund, den er seiner Mutter nannte. Auf Zocken hatte er nun wirklich keine Lust, aber Holger auch nicht, wie er ihn kannte. Ausnahmsweise zumindest mal nicht.


„Sag ihm bitte einen schönen Gruß.“ Helga klang unglaublich zufrieden und erleichtert. So als wüsste sie, welch ein Engel Philipp für Holger war. „Und viel Spaß euch noch. Tschüss!“


„Tschüss.“ Das Gespräch war beendet und Holger konnte sein Handy wieder weglegen. So konnte er sich wieder Philipp widmen, dem er so unglaublich viel zu verdanken hatte.


Philipp rutschte wieder näher, nachdem Holger das Handy weggelegt hatte. „Ihr redet mehr über die Hasen als über dich, oder?“, schmunzelte er und strich mit einer Hand über seine Brust. Philipp war aber auch froh, dass Holger sie so gerne mochte und seine Mutter ja anscheinend auch.


Ertappt grinste Holger. „Ist das so offensichtlich?“ Er drehte den Kopf, neigte ihn und versuchte einen Blick in Philipps Gesicht zu erhaschen. „In der Reha gibt es sowieso nichts neues, deshalb sind July und Milly ein schönes Thema. Meine Mutter vergöttert die beiden und da redet sie auch gerne über sie. Das letzte Mal, als sie da gewesen ist, hat man wirklich meinen können, dass sie nur die Hasen besucht hat.“

Er lächelte und zupfte an einer von Philipps Haarsträhnen. „Ich bin froh, dass du mir die beiden gebracht hast, aber...“ Wie konnte er das am besten anfangen? Würde Philipp sauer sein? „Die beiden brauchen einen großen Garten zum Hoppeln. Das kann ich ihnen in der Innenstadt nicht bieten. Irgendwann werde ich auch wieder mit der Mannschaft unterwegs sein und das heißt sie müssen lange alleine bleiben.“ Holger redete ziemlich schnell, weil er sich blöd vorkam, die beiden einfach wegzugeben. Es fiel ihm ja selber schwer die Häschen abzugeben, aber da er genau wusste, dass er July und Milly jederzeit besuchen konnte und sie in der Familie blieben, war der Trennungsschmerz nicht ganz so groß. Und Philipp konnte sie auch sehen, wenn er das wollte.


Philipp war etwas überrascht, was sein Gesichtsausdruck wohl auch zeigte. Aber er verstand, was Holger ihm sagen wollte und er hatte vollkommen Recht. Sanft lächelte er. Irgendwie war es süß, dass er sich beinahe verhaspelte beim Sprechen. Dachte Holger etwa, dass Philipp ihm das übel nehmen würde? Würde er doch nie.


„Da meine Mutter die beiden ja so mag, dachte ich, dass es besser ist, wenn sie die Hasen bekommt. Ich hätte sie bestimmt auch nicht einfach so abgegeben. Nur in die besten Hände“, versicherte Holger aufrichtig.


Philipp drehte sich etwas und legte Holger einen Finger auf die Lippen. „Pscht“, wisperte er dazu, suchte den Blick in die blauen Augen. „Es ist doch okay. Ich habe sie dir ja auch hier hingesetzt und dich vorher zu fragen. Sie sollten die Freude bereiten und dich zum Lächeln bringen. Das haben sie getan. Gib sie deiner Mutter, vielleicht können sie auch ihr Freude bereiten und sie zum Lächeln bringen.“


Vorsichtig suchte Holger Philipps Blick und war durch das sanfte Lächeln erleichtert, dass er es nicht so interpretierte, als schob er July und Milly einfach so ab.
Er spürte den Finger an seinen Lippen, der kurz darauf durch seinen Mund ersetzt wurde. „Ganz bestimmt.“ Seine Mutter würde sich an ihrem Geburtstag riesig freuen, das glaubte Holger ganz fest.


Der Kapitän beugte sich vor und küsste Holger sanft. „Es ist die richtige Entscheidung, da bin ich mir sicher.“


Und ich hab ja noch das Gute-Besserungs-Häschen.“ Der Blick wanderte automatisch zu dem Regal, auf dem platziert hatte.


Stimmt ja, das Häschen, was er am Flughafen gekauft hatte… irgendwie war Philipp froh, dass Holger es noch hatte. „Betätigst du das Ohr manchmal?“, fragte er ihn. Er selbst würde wohl jedes Mal einmal drauf drücken, wenn er daran vorbei ging. Okay, zumindest zu lange, bis es ihn nervte.


Ab und zu schon noch“, gab er zu. Eigentlich betätigte er das Öhrchen immer, wenn er alleine war und er von einer frustrierenden Reha nach Hause gekommen war. Dann schaffte es das Häschen oft ihn aufzuheitern mit diesem niedlichen Spruch und den Gedanken daran, wie Philipp es ihm geschenkt hatte. „Wo hast du das eigentlich gekauft? So einen Hasen hab ich noch nirgends gesehen“, erkundigte er sich ahnungslos. Immerhin war dieses Geschenk ein purer Notkauf gewesen, von dem er nichts ahnte.


Am Flughafen“, erklärte Philipp ehrlich. „Ich hab es aber seitdem auch nie wieder gesehen.“ Musste er aber ja auch nicht. Er war froh, dass er das Häschen damals gesehen hatte.


Und dich hab ich ja auch“, nannte Holger auch Philipp und küsste ihn neckend auf die Lippen. Noch hatte er ihn...
Instinktiv legte er beide Arme um ihn und zog ihn noch ein Stückchen dichter heran.


Mich hast du noch, da hast du Recht. Ich hoffe mal, dass du mich nicht zu deiner Mutter geben wirst.“ Er lachte und ließ sich näher ziehen. Tief atmete er durch. Gott, der Mann roch wirklich traumhaft. Einfach toll. In Holgers Armen fühlte er sich wirklich wohl. Philipp wollte noch lange in diesen Armen liegen, dachte deswegen gerade gar nicht erst an Claudia. Das kam erst später wieder.


Außer du brauchst Auslauf“, lachte Holger amüsiert. Nein, er würde Philipp bestimmt nicht mehr mit einer weiteren Frau teilen. Claudia genügte ihm schon.


Auslauf? Hab ich täglich, danke“ Er stimmte in das Lachen mit ein. Beim Training hatte er wirklich genug Auslauf. Er könnte ihn höchstens manchmal von Claudia gebrauchen, aber das sagte er besser nicht.


Holger lehnte seinen Kopf an die Sofalehne und genoss die Stille, die Wärme und die unglaubliche Ruhe, die sich von Philipps Körper auf seinen zu übertragen schien. Genießend schloss er seine Augen, lauschte verträumt den ruhigen Atemzügen seines Kapitäns und hielt ihn fest in seinen Armen. Fehlte nur noch ein Kamin mit dem knisterndem Feuer, das die Romantik noch einmal unterstreichen würde. Stattdessen knisterten die Häschen, die an dem Heu mümmelten.


Nach dem Lachen wurde es ruhig. Wunderbar ruhig. Es war schön, wenn man jemanden zum Reden hatte, aber schweigen konnte man mit den wenigsten.
Doch das alles änderte nichts daran, dass Philipp irgendwann wieder fahren musste. Er ließ Holger ungerne alleine, weil er die Traurigkeit in seinen Augen sah, aber es ging nun mal nicht anders. Claudia durfte nicht misstrauisch werden, das wussten sie beide.

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Engel (Montag, 09 November 2015 11:38)

    Hey :)
    tolles Kapitel!!
    Die Stimmung zwischen ihnen auf der Couch war toll eingefangen.
    Ruhig und gleichzeitig voller Zuneigung.
    Leider ist Holger einfach das warme Schwein in der Beziehung.
    claudia dürfte ruhig misstrauisch werden, aber nachdem Philipp sich nicht entscheiden kann, will er diesesn Konflikt ganz sicher nicht.
    Ich frage mich, was passieren muss, damit Philipp sich endlich damit auseinander setzt.
    Da bleibe ich gespannt ;)

    Bis zum nächsten mal