Kapitel 122 – Zurück nach München, zu den Problemen



Philipp seufzte leise, als er aus dem Fenster sah. Das Flugzeug war bereit zu starten, damit sie wieder in ihre Heimat aufbrechen konnten. Das Trainingslager war viel zu schnell vergangen, wenn man ihn fragte. Nicht, dass er diese Gedanken nicht schon früher gehabt hatte, aber dieses Mal empfand er es so, weil er immer noch ratlos war. Oft hatte er überlegt Mario zu schreiben, aber es gelassen. Der musste sich erst mal eingewöhnen und abgesehen davon, wusste der Kapitän eh, was er geschrieben hätte. Er sollte nicht mit Holger spielen und ihn nicht verletzen. Wie sollte das gehen? Er würde eines von beiden tun, dem war er sich sicher.
Claudia wollte noch am selben Abend mit ihm reden. Theoretisch könnte er Schluss machen und sich ganz Holger widmen, aber das ging nicht. Egal, wie viele Gefühle da auch für Holger waren, sie war immer noch seine Frau und die Mutter seines Sohnes, die er auch liebte. Zwar konnte Philipp sich sicher sein, dass er über beide Ohren in Holger verliebt war, aber… wieder seufzte er.


„Was ist denn mit dir los?“, fragte Bastian, der an seiner Seite saß. Er sah den Älteren besorgt an.


Philipp winkte ab. „Ach… ich hatte die letzten Wochen etwas Stress mit Claudia und sie will heute Abend reden. Das ist alles.“


Bastian runzelte die Stirn. „Das klingt aber jetzt nicht so, als wenn das nichts schlimmes wäre, muss ich zugeben.“


„Nein, das wird schon wieder.“ Er rang sich ein zuversichtliches Lächeln ab. Hatte er eine andere Wahl? Er musste lügen – zumindest zum Teil.
Wieder suchte er den Blick aus dem Fenster und sah, wie sich die Maschine vom Boden erhob. Philipp beschloss lieber in der Vergangenheit als in der Zukunft zu verweilen. Er ließ die letzten Tage noch mal vor seinem inneren Augen vorbeiziehen. Jeden Abend hatte er mit Holger gekuschelt. Sie hatten sich auch geküsst und gestreichelt, aber mehr war nie passiert. Nicht einmal gab es auch nur den Punkt, an dem sie überlegten weiter zugehen. Philipp fragte sich aber, ob Holger es wohl wollte. Bestimmt, oder? Aber nicht hier. Er hatte ihn zu nichts gedrängt. Es war schön gewesen so und Philipp hatte jede Minute genossen.
Allerdings hatte Holger nicht einmal gefragt, wie es in München sein würde. Vermutlich hatte er Angst vor der Antwort. Eine Antwort, die Philipp ihm nicht geben konnte. Noch nicht.
Erneut seufzte er. Warum war das nur alles so schwer? Es wäre ja schön, wenn er in Deutschland eine Erleuchtung bekommen würde, aber da hoffte er sicher vergebens.

Holger saß im Flugzeug einige Reihen hinter Philipp, schaute aber genau wie dieser aus dem Fenster, während ein Lächeln über sein Gesicht huschte. Es war eigentlich ein tolles Trainingslager, das nur noch hätte schöner sein können, wenn er auch hätte mittrainieren dürfen. Der Kapitän hatte ihm die Tage versüßt und dafür war der Jüngere ihm dankbar und überlegte, wie er ihm in München eine Freude machen konnte. Es hatte sich auch der Gedanke festgesetzt, dass es in Deutschland weitergehen würde und er nicht auf Philipp verzichten musste. Holger hatte ihn nicht danach gefragt und der Kapitän diesbezüglich gar nichts verlauten lassen. Der Blonde hielt es aber dennoch für ein gutes Zeichen, das für ihn sprach. Er wollte daran glauben, dass das zwischen ihnen Zukunft hatte, wie auch immer sie ansonsten aussehen möge.


Die Ankunft in München verlief reibungslos und ruhig. Philipp und er hatten sich oft noch Blicke zugeworfen, die schließlich damit endeten, dass Holger auf ihn zu ging.


Soll ich dich heimfahren?“ Es tat ihm zwar in der Seele weh, ihn zu Claudia und Julian, seiner Familie, bringen zu müssen, aber so konnte er wenigstens noch die Zeit im Auto mit ihm genießen. Viel zu lange kam es ihm schon vor die sündigen Lippen des Kapitäns einzufangen, die er wieder und wieder küssen wollte. Jeden Abend hatte er das intensive Kribbeln gespürt, als sie sich gegenseitig anfassten. Es war nicht zu mehr gekommen und Holger fand, dass es gut so war. Ihnen ging es um Nähe und sich nahe sein. Der Schritt weiter kam für den Innenverteidiger zwar in Frage, aber dafür wollte er den perfekten Moment auswählen. Er wollte sich auch halbwegs sicher sein, dass Philipp dazu bereit war, wenn sie die Innigkeit noch weiter vertiefen würden. Es würde schön werden, denn Holger stellte es sich toll vor. Auch, wenn deutlich Lust im Spiel sein würde, stand für sie beide Gefühle ganz oben. Sanftheit, Intimität, Nähe und Vertrauen. Nur mit diesem Glücksrezept konnte es schön werden.


Bastian riss ihn dann aber aus seinen träumerischen Gedanken.

Ich kann Fips mitnehmen, liegt doch eh in meiner Richtung. Du müsstest extra umfahren.“


Es gab Momente, in denen war Philipp ein Profi. In Interviews zum Beispiel ließ er selten durchblicken, wie es wirklich in ihm aussah und auch auf dem Platz konnte er private Probleme komplett ausblenden.
Gerade war wieder so ein Moment.


Damit hatte Bastian schon recht, aber das passte Holger nicht so ganz. Dem Vize passte es aber ganz gut, denn er wollte den Kapitän wieder einmal versuchen auszuhorchen. In Trentino hatte Basti nachgegeben und nicht weiter nachgebohrt, aber so wollte und konnte er das nicht stehen lassen.


„Danke, Holger, echt nett von dir, aber Basti hat Recht, das wäre echt umständlich.“ Warum er ablehnte? Weil er nicht auffällig sein wollte. Zu spät allerdings beschlich ihn der Gedanke, dass Bastian Hintergedanken haben könnte. Jetzt hatte er seine Worte aber schon ausgesprochen. Im schlimmsten Falle würde Bastian ihn entführen und erst Zuhause absetzen, wenn er geredet hatte, aber dann konnte er immer nicht flüchten, wenn sie mal tanken mussten.

Holger wusste es, und doch fühlte es sich an wie Ablehnung. Aber er musste damit lernen umzugehen. Es war besser so, auch wenn das sein Herz nicht wahrhaben wollte. „Stimmt“, stimmte er also mit einem aufgesetzten Lächeln zu.


Aber trotzdem danke.“ Philipp suchte Holgers Blick. Versuchte ihm irgendwie zu verdeutlichen, dass er sich melden würde und es so aber besser war. Er hoffte, dass er verstand. Sonst spätestens in der SMS, die er bekommen würde.


Dann machts mal gut ihr beiden“, verabschiedete er sich ziemlich schnell von Bastian und Philipp. Er entzog sich sogar den Blicken des Kapitäns, weil er sie jetzt nicht sehen wollte. Es war so komisch in München, obwohl er gehofft und gebetet hatte, dass es sich nicht verändern würde.


Am liebsten wäre Philipp Holger hinterher, aber es ging nicht. Er musste abwarten, sich gedulden und würde ihn später anrufen. Holger sollte nicht denken, dass es so jetzt auseinander ging, denn dem war nicht so. Er sehnte sich doch auch nach dem großgewachsenen Innenverteidiger. Er hatte sich doch verliebt…


„Wollen wir dann?“, wandte Philipp sich an Bastian. „Ich möchte schnell nach Hause. Ich hab Julian vermisst.“ Bei diesen Worten dachte er nur daran, dass Bastian nicht auf die Idee kommen sollte Umwege zu fahren. Ob die Worte Holger Schmerzen bereiteten, wusste er nicht. Da dachte er auch nicht dran. Julian war sein Leben. Claudia und Holger hin oder her.
Abgesehen von allen Gründen war es ihm aber irgendwie auch lieber, wenn Bastian ihn fuhr, damit Holger es nicht tun musste. Er wollte diese Konfrontation noch nicht. Holger und seine Familie. Er wusste noch keinen Ausweg daraus und er würde ihn Holger auch nicht nennen können, wenn sie vor der Tür stehen würden.


„Ich fahre extra schnell, okay?“ Bastian grinste und sperrte seinen Wagen auf. „Bestimmt kommt irgendwann der Tag, an dem Julian froh sein wird, wenn du nicht ganz so schnell nach Hause kommst. Immerhin hätte er dann sturmfrei“, sinnierte Bastian lachend. Aber jetzt war der Sohnemann ja noch nicht in dem Alter diese Ansprüche zu stellen.


Die Zeit kommt noch früh genug“, schmunzelte Philipp. „Noch freut er sich aber, wenn ich nach Hause komme.“


Doch anstatt extra schnell zu fahren, fuhr Bastian extra langsam. Richtig auffällig beschleunigte er träge, wartete auch brav bei der Ampel, über die man eigentlich noch hätte fahren können.


Philipp ahnte schon, dass Bastian so etwas in der Art vor hatte, als er übertrieben langsam fuhr. Es war ja nicht so als würde er die Frage und die Sorgen nicht verstehen, aber Philipp konnte es ihm nicht sagen. Wieder musste er Bastian abweisen, obwohl es ihm wehtat. Er war immerhin auch ein sehr guter Freund von ihm. Aber das änderte nichts daran, dass er schweigen musste.


Basti lehnte sich zurück, sah kurz zu Philipp und dann wieder zu Ampel. „In Trentino hab ich mich die ganze Zeit zurückgehalten und nichts gesagt. Auch Mario zuliebe, weil er mich drum gebeten hat, aber ich würde gerne wissen, warum mir Holger nichts mehr sagt. Und bitte komm mir nicht damit, dass du es nicht weißt. Ihr hängt zu oft in letzter Zeit zusammen. Traut er mir nicht zu sagen, in wen er sich verliebt hat? Oder dass ihn die ganze Situation zu sehr fertig macht?“


„Basti… ich glaube nicht, dass ich der richtige bin, mit dem du darüber reden solltest.“


„Doch, da bin ich von überzeugt. Du weißt was, Fips.“


Philipp seufzte und schaute stur aus dem Fenster. „Ich werde aber bestimmt nicht Holgers Geheimnisse weitererzählen.“


„Aber du weißt was los ist.“ Bastian klang verletzt, was der Kapitän durchaus verstand. Er wäre auch nicht erfreut, wenn er plötzlich die zweite Geige spielen müsste irgendwo und anscheinend das Vertrauen eines sehr guten Freundes verloren hatte.


„Sprich mit ihm, nicht mit mir. Bitte.“ Was sollte er Bastian auch sagen? Er konnte und wollte nicht. Das war Holgers Ding. Gut, er hing da auch mit drin, wenn er ihm die Wahrheit offenbaren würde, aber das wäre okay immerhin redeten sie hier von Bastian. Was er wohl tun würde? Würde er ihm das ausreden und auf seine Ehe beharren? Es wäre interessant zu wissen. Aber er konnte ihn nicht fragen. Wer wusste es schon, vielleicht war es so ja sogar besser.


Bei eurer Geheimniskrämerei kann man wirklich denken, dass es etwas mit mir zu tun hat“, brummte Basti. „Ist es denn so? Bin ich das Problem? Oder um was geht es hier denn?“ Angefangen hatte das ganze doch in Vail, oder? Eigentlich fing es erst an, als er ihn verkuppeln wollte, weswegen das wohl des Rätsels Lösung war. Holger war in jemanden verliebt, von dem Bastian aber nichts wissen sollte. Dann war es entweder er selber, in den Holger verliebt war oder aber...
„Steht Holger etwa auf meine Freundin?!“


Philipp schluckte beklommen. Was sollte er darauf antworten? Er wusste nicht, was Holger Bastian erzählen wollte. Aber keine Antwort war auch eine Antwort, oder?
„Bitte, Basti, besprich das nicht mit mir, sondern mit Holger.“


Also hab ich Recht!“ Bastian sah ihn kurz an, ehe er sich wieder auf den Verkehr konzentrierte, da die Ampel umsprang. „Holger steht auf Sarah…“ Fassungslos schüttelte er den Kopf.


Der Kapitän zögerte. „Ich weiß es nicht sicher. Er hat mal so Andeutungen gemacht… es muss nicht stimmen.“ Er wollte es wenigstens versuchen für den Fall, dass Holger ihm doch etwas anderes erzählen wollte. Anders wäre es doch sehr suspekt, dann würde Bastian ihm gewiss nicht mehr glauben.


Bastian nickte nur, stellte den ganzen Weg über keine Fragen mehr, sondern dachte daran, wie es möglich war, dass Holger mehr für Sarah empfinden konnte. So oft trafen sich die beiden doch nun auch wieder nicht, oder?


Irgendwie wollte er die ganze Zeit etwas sagen, aber er wusste nicht was. So schwiegen sie beide bis sie angekommen waren.


Basti hielt an der Straße vor dem Haus, in dem Philipp wohnte.


Philipp suchte den Blick in Bastians Augen. „Wie gesagt, ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich will nichts bestätigen oder widerlegen, was ich nicht weiß. Aber hör ihm erst zu, bevor du ihn verurteilst, egal, was es ist, ja?“


Bastian brummte etwas. Philipp wusste, dass er verstanden hatte, auch, wenn es ihm schwer fallen würde.


Danke fürs Fahren.“


Sag Claudia und Julian einen schönen Gruß.“ Seine Stimme klang nicht sonderlich erfreut, denn seine Gedanken kreisten um Holger und dessen Gefühle. Er verstand es nun sehr gut, warum er ihm nie etwas erzählte, aber das machte es nicht besser für den Vize. Er musste mit dem Innenverteidiger reden. Philipps Zögern sprach doch Bände, es konnte gar nicht anders sein.


Philipp stieg aus, holte seine Sachen aus dem Kofferraum und ging ins Haus.



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Kommentare: 2
  • #1

    Engel (Samstag, 04 April 2015 10:59)

    Hey :)
    Ich freu mich immer wenn es ein neues Kapitel gibt
    Leider war das hier nur so ein zwischen Tür und Angel Kapitel oder?? :(
    Es ist halt leider gar nichts passiert, außer dass sie angekommen sind
    Und Philipp hat ja wohl einen an der Meise Basti so einen Mist zu erzählen
    Wäre ich Holger würde ich ihm den Kopf abhacken ;)
    Stellt Philipp doch nicht immer so unfähig dar. Das ist er nicht, denke ich

  • #2

    Mailiw Alba (Freitag, 08 Mai 2015 22:56)

    Hei ho :)

    Ach Bastian, das alte Nervkästchen, aber wäre ich er würde ich auch
    wisssen wollen was denn mit den Leuten um mich herum los ist. Aber
    bin gespannt wie das Gespräch aussehen wird.. bestimmt wird das nicht
    so prickelnd.

    Entschuldigt das ich solange abstinenz war. Ausbildung / Prüfungen ;D