Finde den Kämpfer in mir

 

 

Philipp saß an seinem Schreibtisch. Der Laptop war an, aber er beachtete ihn nicht. Er hatte die Ellenbogen auf den Schreibtisch gestützt und raufte sich nun die kurzen Haare. Die Augen waren geschlossen.

Er atmete tief ein und aus. Als er die Augen wieder öffnete, waren sie glasig. Philipp wusste kaum damit umzugehen, was heute passiert war. Warum hatte Holger sich schon wieder verletzt? Warum? Und warum so schwer? Das war nicht fair…

Wie es ihm wohl ging? Auch, wenn er fast die ganze Zeit bei ihm gewesen war, so hatte er doch nicht wirklich mit ihm reden können. Aber er war da gewesen und darauf war es angekommen. Nur darauf und auf nichts anderes.

Nur zu gerne wäre er jetzt bei ihm. Leider musste er ihn verlassen, bevor er in den OP geschoben wurde. Er sollte nach Hause fahren. Er würde eh erst spät erwachen und dann wäre die Besuchszeit vorbei. Das war ihm doch egal! Er wollte doch nur bei ihm sein. Holger brauchte ihn doch… und was tat er? Stattdessen saß er hier vor seinem Laptop und starrte sich auf Facebook fest. Alle möglichen Medien berichteten schon darüber. Alle sprachen davon, was er für ein Pech hatte und wünschten ihm gute Besserung.

Er konnte das alles nicht mehr lesen. Er wollte es nicht lesen. Philipp wünschte sich, er müsste es nicht lesen. Aber die Realität sah leider anders aus. Und so lange er Holger vor Ort nicht helfen konnte, tat er es von Zuhause aus. Mehr oder weniger.

Philipp loggte sich bei Holger ein. Er wusste ja, was dieser ungefähr posten würde. Jetzt tat er das in seinem Namen.

 

Einmal ein Kämpfer, immer ein Kämpfer. Think positive. Jetzt erst recht!

#‎comebackstronger #‎PowerON

 

Das waren doch seine Hashtags. Das war seine Botschaft. So würde Holger auch jetzt wieder denken. Ganz bestimmt…

Er tat ähnliches bei Instagram und Twitter. Dann machte Philipp den Laptop zu und tapste ins Wohnzimmer. Erschöpft warf er sich aufs Sofa. Seine Gedanken drehten sich um Holger. Er sehnte sich so nach ihm, wollte wissen, wie es ihm ging, wollte bei ihm am Bett sitzen und seine Hand halten. Holger war damals auch bei ihm gewesen nach der OP. Wie hatte er das eigentlich gemacht? Irgendwie stellte er jetzt erst fest, dass damals auch die Besuchszeit schon längt um gewesen war.

Ein Seufzen entwich ihm und er fuhr sich über das Gesicht. Philipp hatte Angst. Angst um Holger, Angst um seine Karriere, Angst, dass er nicht wieder so stark zurückkam. Wobei er eben etwas ganz anderes gepostet hatte. Er sollte optimistisch sein, damit Holger es auch war. Er würde wieder zurückkommen. Vielleicht war die EM gelaufen, aber dann würde er die WM in zwei Jahren spielen. Er hatte es verdient Weltmeister zu werden. Holger war ein toller Spieler, aber leider auch ein verdammter Pechvogel. Und so sehr er dieses Wort auch hasste, so steckte es leider voller Wahrheit.

 

Ziemlich erledigt schlief Philipp irgendwann auf dem Sofa ein. Das Klingeln seines Handys riss ihn aus seinen Träumen. Noch halb am Schlafen griff er danach und schaute, wer ihn da anrief… „Holger!“

Sofort nahm er ab. „Holger! Du bist wach? Wie geht es dir?“

„Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?“

„Was?“ Philipp verstand nicht ganz, was Holger meinte.

„Du postest ihn meinem Namen? Das warst doch du, oder nicht?!“

„Holger, aber ich…“ Philipp wusste nicht, was er sagen sollte. Er war total überrumpelt. Holger klang unglaublich wütend.

„Kein aber, Phil! Was erlaubst du dir? Wie soll ich da noch positiv denken! Die EM war so schon ein schweres Ziel, aber ich habe mir Hoffnungen gemacht. Und jetzt? Was ist jetzt? Es ist nichts! Ich werde keine EM spielen, ich werde vermutlich nie wieder spielen. Andauernd werfen mich solche Verletzungen zurück. Ich kann nicht mehr und ich will nicht mehr!“

„Holger, ich…“ – „Spar es dir. Ich will heute nichts mehr von dir hören. Ich will von niemandem mehr etwas hören. Ich habe keinen Bock mehr. Ich will nichts aufmunterndes mehr hören. Lass mich einfach in Ruhe. Sieh zu, dass du deine tolle Karriere zu Ende bringst und lass mich einfach in Ruhe.“

Dann legte Holger auf.

Philipp saß regungslos auf dem Sofa. Er war in Versuchung sofort ins Krankenhaus zu fahren. Das war nicht sein Holger, der da zu ihm gesprochen hatte. Wobei, doch… es war der Holger, der seinen Mut verloren hatte. Aber er würde ihn wieder finden. Ganz bestimmt.

Und obwohl Philipp wusste, dass Holger noch unter dem Einfluss der Narkose und seinen wirren Gefühlen stand, taten die Worte weh. Er hatte es nur gut gemeint. Wobei er nicht genau wusste, was mehr wehtat. Dass Holger ihn so angemacht hatte oder die Tatsache, dass er sich mal wieder aufgegeben hatte.

//Ich liebe dich//

Mehr brauchte es heute Abend nicht mehr. Vielleicht las Holger die Nachricht ja noch. Jetzt würde Philipp erst mal ins Bett gehen. Morgen wollte er ins Krankenhaus, ehe er nach Augsburg musste.

 

Noch in dieser Nacht hatte Philipp eine Idee. Er wollte Holger zeigen, dass er nicht der einzige war, der an ihn glaubte. Er wusste, dass das ganze Team es tat und das sollten sie auch sehen.

Er klappte seinen Laptop erneut hoch und schrieb eine E-Mail an einige Verantwortliche beim FC Bayern München. Als er am Morgen erwachte, hatte er seine Antwort. Mit einem Lächeln verließ Philipp das Haus.

 

Holger hatte gerade erst sein Frühstück bekommen, als es klopfte. Er hob den Kopf, als sich die Tür öffnete. Als er Philipp erkannte, senkte sich der Kopf wieder.

Der Ältere lächelte leicht, schloss die Tür hinter sich. „Guten Morgen“, wünschte er leise, trat näher und setzte sich ungefragt an sein Bett.

„Holger…“

„Was tust du hier?“ Er starrte das Frühstück vor sich an.

„Ich wollte nach dir sehen, ehe ich los muss.“ Philipp lächelte, doch der Jüngere reagierte gar nicht. Kurzerhand schob er den Beitisch zur Seite und somit auch das Frühstück, welches er angestarrt hatte.

„Was machst du?“ Kurz hob Holger den Blick, wandte ihn aber sofort wieder ab.

„Sieh mich an, Holger.“ Philipp setzte sich auf die Bettkante, legte eine Hand an Holgers Wange und zwang ihn sanft dazu ihn anzusehen. Dieser hatte die Augen geschlossen, öffnete sie nur langsam. Seine Augen waren glasig. „Es tut weh…“

„Was? Was tut weh?“, fragte Philipp sanft.

„Die Worte, die du geschrieben hast. Ich wäre ein Kämpfer und würde positiv denken… ich bin das nicht mehr. Ich kann nicht mehr, Phil.“

„Holger, ich…“ – „Nein. Sag nichts. Ich will da nicht drüber reden. Nicht jetzt. Du musst doch eh gleich los.“ Der Innenverteidiger schüttelte seinen Kopf. Er wollte nichts hören, er war noch nicht soweit.

„Aber es ist doch nur ein Post…“ – „Darum geht es nicht mal. Du denkst, ich kann das, aber ich… ich weiß nicht, ob ich das kann.“

Milde lächelte Philipp, beugte sich vor und küsste ihn sanft. „Das musst du heute nicht wissen. Der Post steht da erst mal so. Er ist ja nicht verkehrt. Und wofür du kämpfst, das sehen wir dann noch, ja? Jetzt wirst du erst mal wieder gesund. Und sobald du aus dem Krankenhaus raus kannst, pflege ich dich, ja? Ich koche Pasta für dich und bringe dir deinen Saft, wenn du nach mir rufst.“

„Okay.“ Gegen das Schmunzeln konnte Holger nichts tun. Er wehrte sich auch nicht gegen den Kuss, der noch folgte.

Vielleicht wusste er nicht, ob er noch weiter kämpfen konnte, ob er zurück aufs Feld kommen würde, aber eines wusste er ganz genau. Er brauchte Philipp, er brauchte seinen Freund. Er wollte und konnte nicht ohne ihn. Und wenn er aus Augsburg zurück war, würde er sich für seine Worte entschuldigen. Er war gestern Abend nicht fair gewesen, aber er war auch nicht ganz bei sich gewesen. Irgendwie war er das auch jetzt noch nicht. Holger musste die ganze Situation erst mal verarbeiten. Aber das würde er schaffen und Philipp würde ihm dabei helfen.

 

Auch, wenn Holger wenig glücklich war, so verließ Philipp das Krankenhaus optimistisch. Er wusste, dass der Jüngere sich wieder fangen würde. Vielleicht mussten sie darüber nachdenken, ob es besser war die Karriere zu beenden, vielleicht kam Doc Müller-Wohlfahrt wirklich mit solchen Worten daher, aber dann… ja, was war dann? Die Angst hatte Philipp, aber er hoffte er nicht, weswegen er die Gedanken auch wieder verwarf. Er wusste nicht, was dann wäre und wollte es auch nicht wissen.

 

Dafür war er auf etwas anderes neugierig. Viel früher als er musste, traf er im Trainingszentrum an der Säbener Straße an. Er war verdammt neugierig auf seine Idee. Matthias Sammer fing ihn am Eingang ab, er hatte sein Auto gesehen.

„So früh schon hier?“, er schmunzelte, ahnte, weswegen Philipp da war.

„Ich will das Ergebnis sehen“, machte der Kapitän keinen Hehl daraus, dass Sammer Recht hatte.

„Komm mit.“ Der Sportvorstand führte ihn durch die Gänge in das Büro von Pep, der gerade nicht anwesend war. „Hier.“ Aus einer der Kisten, die dort auf dem Tisch standen, holte er ein knallrotes T-Shirt und reichte es Philipp.

Sofort erkannte er die Rückennummer. Die 28 und der Name „Badstuber“, der wie bei einem Trikot auf den Rücken gedruckt war. Dann drehte er es um. In großen Buchstaben war dort zu lesen:

Wir sind bei dir

Du schaffst es wieder

Darunter das Logo des FC Bayern.

„Hast du es dir so vorgestellt?“

„Es ist perfekt.“ Dankbar lächelte Philipp Sammer an. „Das können wir auch gut beim Einlaufen tragen und dann wieder ausziehen.“

„Ja, ich hab es extra größer bestellt, dass es gut über die Trikots passt“, erklärte er. „Die Idee ist toll. Pep war total begeistert. Ich glaube, Holger wird sich auch freuen.“

„Er braucht das auch, glaube ich. Wobei ich wünschte, wir müssten das nicht tun…“

Sie unterhielten sich noch eine ganze Weile, ehe Pep dazu kam. Irgendwann wurde es Zeit und sie mussten zum Bus, der sie nach Augsburg bringen sollte.

Immer wieder warf Philipp einen Blick auf sein Handy, aber es kam keine Nachricht von Holger. War das jetzt gut oder schlecht?

 

Der Innenverteidiger war beschäftigt. Nach seinem Frühstück musste er eine Untersuchungen über sich ergehen lassen. Ohne zu murren, nahm er das alles hin, aber wohl war ihm nicht dabei. Er wollte dieses Prozedere nicht schon wieder erleben müssen. Der Arzt machte ihm Mut und sagte ihm, die OP sei gut verlaufen, aber was brachte das schon? Er wollte keine OPs mehr. Nie wieder…

 

Nach dem Mittagessen lag Holger stumm in seinem Bett. Immer wieder glitt der Blick zu seinem Handy. Irgendwann siegte die Neugier. Es waren nicht nur die SMS und WhatsApp-Nachrichten, die ihn interessierten, auch die Posts bei Facebook und Instagram. Der BVB wünschte ihm alles Gute und gefühlt jeder andere Verein auch und jede Zeitung, jedes Medium. Jeder Fußballer, jeder Fan…

Ohne es zu merken verbrachte Holger Stunden damit sich alles anzuschauen. Und auch, wenn er es sich nicht eingestehen wollte, so tat das gut. Es tat wirklich verdammt gut. So viele glaubten an ihn und schrieben, dass er wieder zurückkommen würde. Unter der Voraussetzung konnte er doch auch wieder an sich glauben, oder?

 

Der Nachmittagssnack war zum Glück Schokokuchen, weswegen sich die Laune des Fußballers wieder hob. Er beschloss sich bei allen für die Wünsche zu bedanken. Sie hatten ja nichts damit zu tun, ob er selbst daran glaubte oder nicht.

 

Danke für eure überwältigenden Genesungswünsche. Ihr seid großartig!

Thanks for all your messages and your support. You are the best!!

#‎thinkpositive #‎jetzterstrecht #‎PowerON

 

Dazu ein Foto aus einem Spiel, wo er beide Daumen nach oben reißt. Vermutlich Richtung Südtribüne, wo die Fans stehen, die ihm in diesem Minuten alles erdenklich Gute wünschen.

Holger seufzte leise, sperrte den Bildschirm und dachte an Philipp. Er musste sich unbedingt für die garstigen Worte vom Vorabend entschuldigen. Das war alles andere als fair ihm gegenüber gewesen. Aber es sollte persönlich passieren, weswegen er ihm nicht schrieb. Trotzdem rief er sich das Chatfenster auf. Die letzte Nachricht sorgte immer noch dafür, dass sich ein Lächeln auf seinen Lippen bildete.

„Ich liebe dich auch“, hauchte er leise.

 

In der Zwischenzeit lächelte Philipp ebenfalls. Der ganze Bus applaudierte und grölte. Die Idee mit den T-Shirts kam unglaublich gut an. Alle waren dafür, dass man Holger zeigen musste, dass sie da waren. Am Vortag war das ja kaum gegangen und da sie alle nicht wussten, wann sie ihn wieder sehen würden, war das eine tolle Idee. Er hatte Sky in seinem Krankenhauszimmer und würde das Spiel bestimmt gucken. Da hatte keiner Zweifel dran.

Philipp auch nicht. Vor allem nicht, nachdem er den Post gesehen hatte. Wobei er sich fragte, woher das kam. Jetzt erst Recht? Meinte er das so, oder schrieb er es nur der Gewohnheit wegen? Er hoffte, dass das Erste der Fall war…

 

Gegen halb Sechs waren beide ziemlich nervös. Holger wusste gar nicht genau, warum. Weil sie das Spiel für ihn gewinnen wollten? Philipp wusste es. Er hoffte, dass Holger das Spiel sah und die Botschaft verstand. Eine Botschaft, die er mit Stolz trug, wenn man das so sagen konnte. Auch die Augsburger Spieler sprachen für diese Aktion ihren Respekt aus und fanden das eine super Sache.

Gestärkt durch diese Worte führte Philipp seine Mannschaft auf den Platz.

 

Eine Nachricht von Ute lenkte ihn ab, weswegen Holger die Augen vom Fernseher nahm. Seine Ohren hingegen waren noch voll da…

„Die Mannschaften betreten das Feld. Augsburg wie gewohnt im heimischen Weiß. Der FC Bayern in Rot, aber heute mit einem ganz besonderen T-Shirt. ‚Wir sind bei dir, du schaffst es wieder‘, steht da, wenn ich es richtig lese und… ja, tatsächlich. Alle elf Spieler des FC Bayern haben die Rückennummer 28 des verletzten Holger Badstubers auf dem Rücken. Eine tolle Geste! Da zeigt sich wieder mal…“

Mehr bekam Holger nicht mit. Sein Blick klebte förmlich auf dem Fernseher. Ute war auch vollkommen vergessen. Das Handy fiel ihm aus der Hand auf die weiche Bettdecke. Nur langsam realisierte er, was seine Mannschaft, was seine Jungs da für ihn taten. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Diese Jungs waren unglaublich. Das waren nicht nur Kollegen, das waren Freunde. Der FC Bayern war wirklich so was wie seine Familie. Immer und immer halfen sie ihm wieder auf. Holger musste an die Vertragsverlängerung bei seiner ersten Verletzung denken, die ihm Mut gegeben hatte. Die Zuversicht, die ihm zugesprochen worden ist. Die Tatsache, dass er nie ausgeliehen worden war… nicht, dass er es gewollt hätte, aber der Verein hatte es ihm nie nahegelegt. Sie alle hatten auf ihn gesetzt und ihn nie im Stich gelassen.

Der ganze Verein nicht, aber vor allem Philipp nicht. Sein kleiner Gartenzwerg, der inzwischen bei der Seitenwahl zu sehen war. Natürlich war er der kleinste unter den dort stehenden Personen. Wie sollte es auch anders sein. Ein Lachen entfloh seiner Kehle. Er musste sich unbedingt bei ihm entschuldigen für seine bösen Worte. Unbedingt.

 

Im Laufe des Spiels merkte Holger aber, dass nicht nur der Verein hinter ihm stand.

 

Immer weiter machen!

Niemand aufgeben, Holger

 

Zu dem Banner die Rufe seines Namens, die er dank der Mikros deutlich hören konnte. Sie alle glaubten an ihn. Nur er fehlte noch. Warum zweifelte er, wenn es alle anderen nicht taten? Er durfte nicht mehr zweifeln. Er würde es schaffen. Er hatte doch Recht mit dem, was er gepostet hatte. Jetzt erst Recht!

 

3:1 gewann der FC Bayern das Spiel für Holger. Vor allem Pep betonte später in der Pressekonferenz, dass es für Holger gewesen war. Der Innenverteidiger las dies später nur online. Er achtete schon gar nicht mehr auf den Fernseher. In seinen Händen hielt er sein Smartphone, wollte Philipp schreiben, aber er wusste nicht was. Die Entschuldigung wollte er ihm persönlich sagen. Und er wollte ihm danken. Am liebsten auch persönlich, aber er wollte auch nicht schweigen, weil er wusste, dass der Kapitän sich Gedanken machen würde.

 

//Danke! ♥//

 

Philipps letzte Nachricht hatte ihn dazu animiert. Sie brauchten nicht immer viele Worte. Manchmal reichten ein paar aus, wenn die Nachricht dahinter stimmte. Und in diesem Fall tat sie das. Genau wie zuvor Philipps „Ich liebe dich“. Es reichte einfach. Der Ältere würde verstehen.

 

Philipp wusste, dass er für die Besuchszeit zu spät wieder in München sein würde. Aber es war okay. Die Nachricht reichte vollkommen. Es war erleichtert, denn das Herz zeigte ihm, dass er wirklich dankbar war und es nicht nur ironisch meinte. Das war wichtig.

 

//Weißt du schon, wann du entlassen wirst?//

 

//Das will der Doc morgen entscheiden. Sieht aber gut aus, dass ich morgen früh raus kann. Ute ist informiert und holt mich ab, wenn es soweit ist//

 

//Gib mir bitte Bescheid. Morgen ist Training, komme dann abends vorbei. Dienstag ist aber frei//

 

//Ich freu mich, wenn du herkommst :-*//

 

Philipp lächelte selig. Er freute sich auch.

 

Sie tauchten noch ein paar Nachrichten während der Fahrt aus. Diese Zeit nutzte Holger aber auch, um zu posten.

 

Ich bin sehr stolz, Teil der Bayern-Familie zu sein!! Danke für die Unterstützung!

So proud of being part of the Bayern-family.

#‎fcbayern #‎MiaSanMia #‎PowerON

 

Dazu ein Foto der Banner der Fans und eines, welches die Spieler mit dem T-Shirt zeigt. Philipp war dort nicht drauf zu sehen. Aber das war nicht schlimm. Immerhin war das jetzt sein neuer Hintergrund auf dem Handy. Zufrieden schloss Holger die Apps, um sich das Bild ansehen zu können. Was war er froh diesen Mann sein Eigen nennen zu können. Er kicherte wie ein kleiner Junge und atmete dann durch. Es ging bergauf. Ganz bestimmt.

 

 

Der nächste Schritt in Holgers Leben war die Entlassung aus dem Krankenhaus. Er durfte wirklich Montagmorgen gehen. Ute brachte ihn zu Müller-Wohlfahrt und anschließend in seine Wohnung. Danach fuhr sie sogar noch für ihn einkaufen.

Holger lümmelte unterdessen auf seiner Couch und ging wieder einige Nachrichten durch. Dabei fiel ihm ein Bild besonders ins Auge. Ein Fan hatte ihn gezeichnet. Durch die markanten Gesichtszüge war deutlich zu sehen, dass es um ihn ging. Die Haare lagen gut und er hatte sogar ein paar Bartstoppeln am Kinn, die er sich extra für Philipp mal wachsen ließ. Das Besondere an dieser Zeichnung war aber, dass bei seiner linken Gesichtshälfte Haut fehlte und ein Cyborg darunter zu sehen war. Dazu noch eine Sprechblase „I’ll be back…“. Es war passend. Mehr oder weniger war er ein Roboter, der sich immer wieder nach oben kämpfte. Zwar konnte man sich die Frage stellen, warum er überhaupt verwundet worden war, wenn er doch ein Cyborg war, aber das ließ er mal außen vor. Die Botschaft dahinter gefiel ihm einfach, weswegen er das Foto auch prompt postete.

 

;)

Thanks to Sikander Goldau for sending me this pic!

#immerweiter #jetzterstrecht #fanart #PowerON

 

Dazu die üblichen Hashtags. Fand man überhaupt jemand anderen außer ihm darunter? Aber es war egal. Dann gehörten sie halt ihm. Es gab schlimmere.

 

 

Es war etwa halb Sechs als Holger die Wohnungstür hörte. Er hatte fast den ganzen Tag auf dem Sofa gesessen, um das Bein hochzulegen, aber jetzt griff er nach den Krücken. Er hatte sich gerade aufgestützt und stand, als die Tür zu seinem Wohnzimmer aufging. Ihre Blicke trafen sich. Wieder waren keine Worte nötig. Philipp eilte zu ihm herbei und schlang seine Arme um den Jüngeren. Dieser ließ seine Krücken fallen und krallte sich an Philipp. Der würde ihn stützen, dass er nicht fallen würde. Da hatte er keine Zweifel dran.

„Ich bin froh, dass du da bist“, flüsterte Holger nach einer gefühlten Ewigkeit, drehte den Kopf und küsste Philipps weiche Haare.

„Ich auch“, gab Philipp zu, drückte sich etwas von Holger weg, gab ihm aber weiter Halt. „Wie geht es dir?“ Er suchte den Blick in die tiefblauen Meere.

„Gut“, antwortete Holger direkt. Es klang ehrlich. „Wobei… nein… so richtig gut fühle ich mich erst, wenn du meine Entschuldigung angenommen hast. Phil, es tut mir leid, was ich da Samstag gesagt habe, ich…“ – „Du musst dich nicht entschuldigen“, warf Philipp dazwischen, aber vehement schüttelte Holger den Kopf. „Nein, hör mir bitte zu. Ich war nicht fair dir gegenüber. Ich war sogar gemein und das tut mir leid. Ich liebe dich und das letzte, was ich möchte, ist dich zu verletzen, aber das habe ich getan durch meine fiesen Worte. Denk bitte nicht, dass ich dir deine Karriere nicht gönne. Das tue ich und ich bin ungemein stolz auf dich. Aber an dem Abend… ich war so niedergeschlagen und dann habe ich den Post gelesen und dachte, du hättest gut reden…“ Holger machte eine kleine Pause, schloss die Augen. Philipp wartete geduldig ab.

„Du hattest von Anfang an Recht. Das habt ihr mir gezeigt gestern. Und all die Menschen, die an mich glauben. Ich habe die ganze Zeit gedacht, dass ich das nicht mehr kann, dass mein Körper langsam nicht mehr will, aber ich war der einzige. Alle anderen haben geschrieben, dass ich zurückkomme. Und ich dankte dir, dass du der erste warst, der an mich geglaubt hat.“

„Ich werde immer der erste und der letzte sein. Auch, wenn ich der einzige sein werde“, wisperte Philipp, stellte sich auf Zehenspitzen und küsste ihn sanft.

Dieser Kuss tat Holger ungemein gut. „Also nimmst du meine Entschuldigung an?“

„Klar“, Philipp nickte. „Ist schon wieder vergessen.“

„Danke…“

 

Zufrieden seufzte Holger auf.

„Was ist?“, schmunzelte Philipp. Er lag auf einem dicken Kissen gestützt im Bett. Der Jüngere lag mit dem Kopf zwischen Brust und Bauch und genoss es einfach nur, wie an seinen Haaren gezupft wurde.

„Ich bin glücklich.“ Holger griff mit seiner Hand nach Philipps freier, verschränkte ihre Hände und drehte dann den Kopf, damit er ihn ansehen konnte.

Philipp lächelte. „Ich auch.“ Er beugte sich herab und küsste ihn sanft. Aus sanft wurde aber schnell leidenschaftlich und aus leidenschaftlich wurde noch mehr…

 

Der nächste Morgen war ein gutes Beispiel dafür, dass die Verletzung ihnen nicht die Normalität genommen hatte. Blinzelnd öffnete Philipp die Augen und blickte direkt in zwei blaue Meere, die ihn voller Liebe anschauten.

„Du bist schon wach?“, gähnte er und kniff dabei direkt wieder die Augen zusammen.

„Guten Morgen“, schmunzelte Holger und strich ihm durch die zerzausten Haare. „Du bist halt einfach im Gegensatz zu mir ein Langschläfer. Außerdem weißt du, wie gerne ich dir beim Schlafen zusehe.“

„Ich weiß“, Philipp fuhr sich über die Augen, wischte die Tränen weg und lächelte Holger an. „Hast du gut geschlafen?“

„So gut wie schon lange nicht mehr.“ Die Hand fuhr aus den Haaren zu Philipps Wange und blieb dort liegen, ehe er ihn sanft küsste.

Der Ältere lächelte in den Kuss. „Das freut mich“, murmelte er gegen seine Lippen. „Wollen wir aufstehen und ich mache uns Frühstück? Du musst doch sicher später zur Säbener Straße.“

Holger verzog das Gesicht. „Ich würde lieber noch liegen bleiben…“

„Muss ich den Kapitän raushängen lassen?“, drohte Philipp gespielt und brachte Holger dazu leise zu lachen. „Nein, ganz sicher nicht.“ Er küsste ihn erneut. Holger wusste ja auch wofür er aufstand und er wusste auch, dass sie noch genug Zeit zu zweit bekommen würden.

 

Brötchen mümmelnd saßen sie beide am Frühstückstisch, als sich Holgers Handy bemerkbar machte. Ute hatte ihm ein Bild geschickt. Der Innenverteidiger öffnete es und sofort verzog sich seine Miene zu einem nicht besonders glücklichen Gesicht.

„Was ist?“ Philipp hatte Holger nicht aus seinen Augen gelassen und diese Regung durchaus bemerkt.

Wortlos schob er ihm sein Handy rüber. Philipp starrte auf das Bild. Holger war in der Mitte zu sehen und daneben einiges an Text:

 

Die Verletzungen des Holger Badstuber…

…und wie lange er ausfiel

 

Rechtes Knie

- Dez. 2012: Kreuzbandriss

- März 2013: Reizung

- Mai 2013: Kreuzbandriss

Insgesamt 28 Tage (124 Spiele)

 

Hüfte und Becken

- Nov. 2010: Schambeinentzündung, 74 Tage (11 Spiele)

- März 2015: Entzündung im Hüftbeuger, 12 Tage (1 Spiel)

 

Linker Oberschenkel

- Sep. 2014: Sehnenriss, 153 Tage (21 Spiele)

- Okt. 2012: Muskelfaserriss, 21 Tage (4 Spiele)

- April 2015: Muskelriss, 198 Tage (25 Spiele)

 

Linkes Springgelenk

- Feb. 2016: Knöchelbruch, voraussichtlich 195 Tage (17 Spiele)

 

„Was fällt denen ein?“, eschauffierte sich Holger.

Philipp schwieg erst mal. Diese Aufzählung war schon krass. Das konnten Verletzungen einer ganzen Mannschaft sein, aber es waren die Verletzungen eines einzigen Menschen. Aber eben diese Verletzungen haben ihn zu dem gemacht, was er jetzt war. Und wer wusste schon, wo er jetzt wäre, wenn das alles nicht gewesen wäre. Trotzdem war es einfach zu viel. Das hatte dieser wunderbare Mensch nicht verdient.

„Liest du das jetzt ausführlich?“, brummte Holger.

„Dir passt das nicht?“ Philipp hob den Blick und sah noch, wie der Jüngere die Augen verdrehte.

„Natürlich nicht. Das klingt, als wäre ich so ein… ein Schwächling oder so. Ich zeige denen mal, wie das eigentlich aussehen sollte.“

„Was willst du tun?“, fragte Philipp ihn.

Holger griff nach seinem Tablet, welches am Rande des Küchentisches lag. Er hantierte etwas damit rum und schien mit dem Touchpen etwas zu schreiben, ehe er es zu Philipp drehte.

Die Änderungen waren offensichtlich mit rot gekennzeichnet. „Verletzung“ war durchgestrichen und stattdessen hat er die Wörter „Topfit“ und „Stärke“ dazu geschrieben.

„Ich finde es so besser“, war Holger felsenfest von seiner Tat überzeugt. „Ich poste das so später auch. Was meinst du?“

Philipp schmunzelte. „Selbst wenn ich es doof finden würde, würdest du es trotzdem posten, oder?“

„Du findest das doof?“

„Nein“, Philipp lächelte leicht und widmete sich wieder seinem Kaffee. „Ich finde es gut. „Poste das so.“ Es würde seinem Selbstwertgefühl und seiner mentalen Stärke gut tun, also sollte er es auf jeden Fall posten. Das war der Holger, den er sehen wollte.

 

Philipp setzte Holger an der Säbener Straße ab und fuhr dann nach Hause zu seinem Sohn. Auf seinen Lippen ein breites Grinsen. Er wusste ja, was kommen würde… was Holger wohl dazu sagte? Er freute sich auf das Video später, denn der FC Bayern stellte bestimmt etwas dazu online.

 

Nach dem Termin bei Müller-Wohlfahrt hatte Holger einen kurzen Interviewtermin mit der Frankfurter Allgemeinen, ehe ein Treffen mit Karl-Heinz Rummenigge im fcb.tv-Studio anstand. Er wurde auch wie erwartet mit einem Mikro versehen, aber damit hatte er kein Problem. Er konnte sich den Fans präsentieren. Es ging ihm gut und er war voller Optimismus. Diese Interviews lagen ihm zwar immer noch nicht so, aber… da musste er durch.

Sie tauschten etwas Smalltalk aus, ehe plötzlich der Monitor flackerte und Rafinhas Stimme erklang. Erst er, dann Franck, dann Sammer… sie alle wünschten ihm nur das Beste und erwarteten ihn alsbald wieder auf dem Feld zurück. Just in dem Moment, in dem Holger sich fragte, ob auch Philipp dabei war, erschien dieser auf dem Monitor, hielt deutlich seine Rückennummer in die Kamera.

„Äh, ich drücke alle Daumen und ich weiß, du bist ein Kämpfer, du wirst es schaffen.“

Aber nicht nur Philipp, alle sorgten dafür, dass er breit grinste. Das fühlte sich gut an, das fühlte sich so verdammt gut an. Es war unglaublich diesen Zuspruch zu bekommen, ihn so zu sehen und zu hören. Er wusste, warum er so gerne Teil dieses Teams war. So fiel ihm auch dieses Interview gar nicht mehr so schwer…

Anschließend musste er auch noch zur Physio, ehe er von Philipp wieder abgeholt wurde.

Er stieg ins Auto ein und grinste direkt. „Wie viele Daumen hast du eigentlich?“

Der Ältere lachte auf. „Ich wusste doch, dass dir das Video gezeigt wird.“

„Warum hast du nichts gesagt?“

„Und dir dann die Überraschung vermiesen? Nein, das wollte ich nicht. Außerdem bin ich ziemlich überrumpelt worden. Mir wurden das Shirt und das Mikrophone in die Hand gedrückt und dann sollte ich lossprechen.“

„Das erklärt das ‚äh‘ am Anfang.“ Holgers Grinsen wurde immer breiter.

„Hätten die das nicht rausschneiden können?“, Philipp seufzte gespielt auf.

„Das macht das ganze doch erst sympathisch.“ Die Hand des Größeren legte sich auf Philipps Oberschenkel. „Aber lass uns nach Hause fahren, okay?“

„Das nicht vorhandene Kuscheln von heute Morgen nachholen?“, fragte der Kapitän und erhielt nur ein dickes Grinsen als Antwort. Das war so klar gewesen. Aber er hatte dagegen ja auch nichts einzuwenden. Also fuhr er direkt zu Holgers Wohnung.

Der Patient im Auto quasselte fast die ganze Fahrt ohne Punkt und Komma. Ihm war anzumerken, dass er wirklich gut gelaunt und total optimistisch war. Es war Philipp fast schon unheimlich, wenn man bedachte, wie down er noch am Samstagabend gewesen war. Aber er fragte nicht nach. Er freute sich einfach nur, dass es so war. Denn so wollte er Holger erleben. Er wollte dieses Lächeln sehen…

 

Auch, wenn Holger protestierte so kochte Philipp heute Abend für sie beide. Der Jüngere bestand darauf wenigstens beim Schneiden des Gemüses zu helfen, aber dagegen hatte der Koch nichts einzuwenden, immerhin ging das ja ganz gut im Sitzen.

Als die Lasagne dann im Ofen vor sich hin schmorrte, begaben sich die beiden wieder ins Wohnzimmer, wo Holger sein Bein hochlegen konnte.

„Du verwöhnst mich immer so… das behalten wir bei, wenn ich wieder spielen kann, oder?“

Philipp lachte auf. „Wenn du wieder spielen kannst? Sobald du wieder vernünftig laufen kannst, wird das aufhören.“ Er bettete ein Kissen unter Holgers Fuß und setzte sich dann zu ihm. Der Jüngere zog eine Schnute. „Kann ich das verhindern?“

„Hm…“ – „Biiiitte.“ Holger strich über Philipps Wange und fuhr mit einem Finger über seine Lippen. Doch der Ältere blieb hartnäckig und schüttelte den Kopf, ehe er spielerisch nach Holgers Finger schnappte. Doch dieser zog den sofort zurück.

„Das ist gemein.“

„Findest du?“ Philipp schmunzelte amüsiert.

„Ja“, blieb Holger trotzig und seufzte auf.

Der ehemalige Nationalspieler legte eine Hand auf Holgers Oberschenkel. „Keine Sorge. Du weißt doch, dass ich trotzdem hin und wieder ganz gerne verwöhne.“

Jetzt grinste auch der Jüngere und schielte zur Seite. „Das stimmt…“

 

Am nächsten Morgen saß Philipp schon in der Küche beim Frühstück, als Holger hineinkam. Den Kaffee in der einen Hand, strich er mit der anderen über sein Tablet, schien interessiert etwas zu lesen.

Holger setzte sich zu ihm, wurde aber nicht beachtet.

„Was liest du da?“, fragte er, während er nach einem Brötchen griff. Er schnitt es auf und trank sogar noch einen Schluck seines Kakaos, ehe Philipp ihm antwortete.

„Dein Interview mit der Frankfurter Allgemeinen“, erklärte er. „Du hast gestern gar nicht erzählt, dass du das hattest.“

Holger zuckte mit den Schultern. „War ja nichts Besonderes…“

Jetzt erst hob Philipp seinen Kopf. „Ich finde schon. Das ist ziemlich bedeutsam und sagt einiges über dich aus, finde ich.“

„Findest du?“ Holger spürte, dass er verlegen wurde. Ihm lag so was einfach nicht.

Sein Freund merkte das, lächelte leicht. „Ja, finde ich. Es ist toll. Ich mag deine Antworten. Das bist einfach du und das ist toll.“

„Wie meinst du das?“ Jetzt wurde er neugierig.

„Na ja“, Philipp trank von seinem Kaffee und stellte die Tasse ab. „Du bist positiv gestimmt und auch, wenn die Frage wieder in der Negative abrutschte, so hast du dich davon nicht beeinflussen lassen. Du redest auch wirklich nicht gerne über deine Verletzungen. Und du hast kurzfristige Ziele – ganz anders als ich. Da unterscheiden wir uns ziemlich, aber es gehört zu uns. Nur… du sagst, du hättest nie Zweifel gehabt… hattest du die wirklich nicht? Am Samstag?“

Holger wich dem Blick aus, der ihn so durchdringend ansah, suchte nach Worten und Philipp gab ihm die Zeit dazu. Er griff über den Tisch und hielt einfach nur seine Hand fest. Dem Jüngeren half das ziemlich, denn er musste sich da was eingestehen. Auch, wenn er gedacht hatte, dass es anders gewesen war, so machte ihm dieser Moment bewusst, wie es wirklich gewesen war an diesem Abend und auch in den folgenden Stunden.

„Ich hatte keine Zweifel. Ich hatte Angst. Angst, dass ich nicht mehr zu flicken bin. Angst, dass niemand mehr an mich glaubt.“

Ohne zu zögern stand Philipp auf und kam um den Tisch herum, stellte sich zu ihm und schlang seine Arme um den so zerbrechlich erscheinenden Körper. Der Jüngere rutschte zurück, zog ihn zu sich auf den Schoß, versteckte sein Gesicht in dessen Haar. „Phil…“

Dieser sagte nichts. Er hielt ihn einfach nur fest und spürte, wie sehr Holger diesen Halt brauchte. Auch, wenn er noch so optimistisch und froh gelaunt war, so brauchte er doch auch diesen Halt, der dafür sorgte, dass er den Kopf oben behielt.

„Hast du immer noch Angst?“, fragte Philipp leise nach einer gefühlten Ewigkeit.

Wieder dauerte die Antwort etwas. „Nein.“ Auch, wenn er sich mit dieser Aussage Zeit gelassen hatte, so war Holger davon überzeugt, dass sie stimmte. „Ich habe keine Angst mehr. Du hast sie mir genommen.“

Er drückte Philipp sanft von sich und legte eine Hand an seine Wange. „Danke…“ Eine Erwiderung ließ er nicht zu, beugte sich einfach vor und küsste ihn. Er wusste auch so, dass Philipp protestieren und ihm sagen würde, er müsste sich nicht bedanken. Aber er wollte es, also tat er es. Denn er war ihm dankbar. Sein kleiner Gartenzwerg hatte schon so viel für ihn getan. Wie sollte er das je wieder gut machen?

Philipp löste den Kuss. „Du weißt, dass du dich nicht bedanken musst.“

„Ich möchte aber.“

„Dann kämpfe weiter und streng dich bei der Physio an.“

„Versprochen.“ Als Zeichen, dass er die Worte ernst meinte, drückte er ihm erneut seine Lippen auf. Und wie er das Versprechen einhalten würde. Immerhin hatte Philipp den Kämpfer in ihm wieder freigelegt, also würde er kämpfen. Für Philipp und für sich.

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