Kapitel 70 – Julians Einfall



Sonntag fuhr Philipp schon morgens zu dem Ort an dem sein diesjähriges Sommercamp am nächsten Tag starten würde. Er vergewisserte sich, dass alles fertig war und es den Kindern an nichts fehlen würde. Das war ihm wirklich ein großes Anliegen. Er machte das hier für die Kinder und da war es das Wichtigste, dass diese sich wohl fühlten.
Er ging mit den Betreuern, mit denen er sich getroffen hatte, die Pläne durch. Mittwoch sollte Bastian dann nachmittags vorbeikommen und den Kindern Fragen beantworten und mit ihnen etwas arbeiten. Er freute sich. Natürlich würde er sowohl am Tag er Eröffnung als auch am Mittwoch dabei sein. Das ließ er sich nicht nehmen.

Zwischen neun und zehn Uhr wurden die Kinder gebracht. Philipp empfing sie mit den Betreuern herzlich. Erst mal wurden alle Kinder in ihre Unterkünfte gebracht, ehe es nach einer ersten Information und Fragerunde mit Philipp zum gemeinsamen Mittagessen ging.
Danach verschwand er aber wieder und legte alles in die Hand der geschulten Betreuer.

Das Auto stellte er wie immer vor dem Haus ab und während er ausstieg, zückte er schon sein Handy, um Bastian eine SMS zu schreiben.
//Hey, die Kids sind gut angekommen und freuen sich auf deinen Besuch am Mittwoch ;) also der Termin um 13:30 Uhr steht, oder? Liebe Grüße Phil//


Noch bevor er die Haustür aufgeschlossen hatte, schickte er die SMS weg.


„Ich bin wieder da“, rief er in den Flur und streifte seine Schuhe ab.


„Das trifft sich gut“, Claudia kam mit Julian auf dem Arm aus der Küche. „Dann kann ich eben noch einkaufen fahren. Wie war es denn?“ Sie gab ihm einen Kuss und direkt auch den kleinen Knirps auf den Arm.


„Echt super“, strahlte ihr Mann direkt. „Es ist immer wieder schön zu sehen, dass es eine der besten Entscheidungen meines Lebens war diese Stiftung zu gründen und das Camp ins Leben zu rufen.“


„Das freut mich“, sofort lächelte auch Claudia, zog ihre Schuhe an und gab ihm direkt noch einen Kuss. Dieses Mal war er etwas intensiver. „Ich liebe dich“, hauchte sie.


„Ich dich auch“, erwiderte er direkt und sah ihr hinterher. „So, und wir beiden haben sturmfrei? Was machen wir jetzt?“, fragend sah er Julian an, der mit großen Augen zurückblickte.


Auf dem Weg ins Wohnzimmer spürte Philipp sein Handy vibrieren und zog es mit der freien Hand aus der Tasche.


//Mittwoch? Da bin ich mit Sarah bei ihren Eltern… die feiern Hochzeitstag. Es war doch Dienstag geplant, oder nicht?!?!//


Nein… nein, das war nicht wahr. Sofort wählte Philipp Bastians Nummer, der auch prompt abnahm.


„Was hab ich verpasst?“, begrüßte der Mittelfeldspieler ihn. „Mittwoch?“


„Ja, das haben wir doch umgelegt… schon vor Wochen! Mensch, Basti…“


„Tut mir echt leid, Phil, ich hatte echt den Dienstag im Kopf. Ich kann da Mittwoch nicht wegbleiben… vor allem nicht um die Uhrzeit. Die haben für 12:30 Uhr in ein schickes Restaurant zum Mittagessen eingeladen.“


Philipp seufzte. „Ja… ich… vielleicht kann ja Thomas oder so. Ist ja jetzt nicht zu ändern.“


„Kann man das nicht ändern?“ Man konnte förmlich hören, wie unangenehm Bastian das jetzt war. Er hatte groß versprochen, er würde vorbei kommen und verpennte dann, dass der Termin ja ein anderer war.


„Nein, der Plan für die Woche steht und ich will da nicht dran rütteln… die Kinder haben ihn ja auch bekommen und ich will ihren Rhythmus nicht stören. Ich frage einfach jemand anderes.“


„Hast du eine Namensliste für mich? Dann schreibe ich Autogramme für jeden mit Widmung und schmeiße sie dir in den Briefkasten. Ist das eine Idee?“


„Das würde sie sicher freuen“, er nickte.


„Gut… und… tut mir echt leid, Phil.“


„Schon okay.“


Sie quatschten noch kurz, ehe sie auflegten und Philipp seinen Sohn ansah.


„Pata?“, fragte dieser.


„Ja, warte, ich gebe ihn dir.“ Der Kapitän fand den kleinen Elefanten auf dem Sofa und setzte sich auch auf eben jenes. Julian hockte auf seinem Schoß, während er ihm das Stofftier reichte.


„Dann versuche ich mal mein Glück bei Thomas“, seufzte er und öffnete wieder das Telefonbuch seines Handys als Julian mit dem Elefanten vor seiner Nase rumwedelte.


„Juli, jetzt nicht. Papa muss eben telefonieren. Gleich, ja?“


„Holla?“


„Nein, ich telefoniere nicht mit Holger, sondern…“, er stockte und sah seinen Sohn an. Das war doch die Idee. Holger wäre ja auch gekommen, wenn er die Wette verloren hätte, warum also nicht? Zumindest war es ein Versuch wert. „Du bist ein Schatz“, schmunzelte er und gab seinem Sohn einen Kuss, ehe er Holgers Nummer raussuchte und ihn anrief.



Holger hatte am nächsten Morgen sogar einmal mit Basti gesprochen. Aber das auch nur, weil sie sich zufällig an der Säbener Straße begegneten. Sonderlich viel bequatschen konnten sie aber nicht, da Jupp zwischen ihnen stand. Holger fand aber, dass das ganz gut so war. Er hätte Basti sowieso nichts gesagt von seinen Gefühlen zu Philipp. Nicht, weil er Basti nicht vertraute, aber vor Mario fühlte es sich schon seltsam an, dieses Gefühl brauchte er dann nicht auch noch von seinem besten Kumpel. Aber waren sie das jetzt überhaupt noch? Eher nicht. Das einzige was sie füreinander übrig hatten, war ein Gruß. Mehr auch nicht. Bastian schien darauf zu warten, bis Holger endlich mit der Wahrheit rausrückte und da er ihm diese nicht geben würde, beließ er es bei dem Stillschweigen zwischen ihnen.

Mit Mario hingegen hatte er nach der frühmorgentlichen Reha telefoniert. Aber auch er erfuhr nichts von der Massage, weil Holger sich irgendwie dämlich vorkam. Vor allem ärgerte ihn die Tatsache, dass er schon wieder gemogelt hatte. So war er doch sonst nicht, oder? Erst beim Schiffe versenken und jetzt auch noch beim Golfen...

Nachdem er das Handy zur Seite gelegt hatte, piepste es gleich wieder. Es war schon fast peinlich, wie er jedes Mal, wenn eine neue Nachricht sich ankündigte, zu seinem Smartphone hechtete, nur um dann enttäuscht festzustellen, dass die Nachricht nicht von Philipp war. Ständig lebte er in der Angst, dass der Kapitän ihn meiden würde, weil er doch viel zu viel Signale ausgesendet hatte. Sich fragend, ob er heute noch rausgehen und sich mit Jerome treffen sollte, meldete sich das Handy wieder. „Ach, er ist es doch sowieso nicht“, murmelte er und legte den Kopf in den Nacken, als er sich auf seiner gemütlichen Couch niederließ. Es klingelte zweimal, ehe Holger den Kopf drehte und zum Smartphone schaute, das sich vibrierend auf den Tisch herum bewegte. Vielleicht sollte er doch mal schauen, wer was von ihm wollte...

Ohne Krücken war er gleich viel schneller, um die Distanz zu überwinden und nach dem Handy zu greifen.


„Philipp...“, hauchte er. Seine Augen waren geweitet und auf das Display gerichtet. Er beschloss für ihn einen extra Klingelton einzurichten, damit er immer gleich wusste, dass er es war. Fast vergaß er das Telefonat anzunehmen, weil er sich schon überlegte welche Melodie er ihm zuordnen würde.


Es dauerte einen Moment bis Holger abhob und er hatte schon wieder auflegen wollen, da er dachte er hätte vielleicht Besuch oder eine Reha-Einheit oder so etwas.


„Hey, Phil, was gibt’s denn?“, fragte er betont locker, obwohl er spürte, wie seine Aufregung sich wieder Stück für Stück aufbaute.


„Hey Holger“, grüßte er direkt zurück und lächelte unwillkürlich. „Ich hab einen Anschlag auf dich vor“, begann er zögerlich. „Oder eigentlich eine riesengroße Bitte.“


Philipp klang direkt freundlich. Naja, war sicher förderlich, wenn man einen Anschlag auf einen vorhatte.


Erst jetzt fiel ihm auf, dass die ganze Sache einen Haken hatte. Holger sollte für Bastian einspringen. Die beiden hatten ja gerade leider nicht das beste Verhältnis… na ja, er hoffte einfach mal, dass Holger darüber hinweg sah. Immerhin half er nicht Bastian, sondern Philipp.
„Ich hab Basti doch groß für Mittwoch im Sommercamp angekündigt. Der Depp hat aber gedacht Dienstag und kann Mittwoch nicht. Ich weiß, du hast die Wette gewonnen, aber würdest du trotzdem mitkommen? Den Kids ein paar Fragen beantworten und mit ihnen etwas arbeiten? Um 13:30 Uhr erwarten die uns und dann halt für ein paar Stunden. Bitteeeeeee.“


Er unterbrach den Kapitän nicht, sondern wartete erstmal ab, was er denn wollte. Zeit genug sich selber was zusammenzureimen, hatte er gar nicht, denn Philipp rückte schnell raus mit der Sprache. „Und da kommst du als nächstes auf mich?“, war er erstaunt. „Oder hat dir noch jemand anderes abgesagt, dass du mich in Erwägung ziehst?“, schmunzelte er, da er ja wusste, dass er an Popularität mit Basti keinesfalls mithalten konnte. Holger lächelte, als er Philipps flehendes, langezogenes Bitte vernahm und hatte sich da eigentlich schon entschieden einzuwilligen. Holger wollte Philipp nicht enttäuschen und schon gar nicht im Stich lassen. Außerdem war es auch für ihn gut, da er so wieder seine Nähe genießen konnte ohne, dass es auffällig werden würde. Es war einfach leichter für den Blonden, wenn die Initiative von Philipp kam.


„Holla?“, Julian sah zu ihm auf und lächelnd strich Philipp ihm durch die Haare.

Als Holger Babygebrabbel hörte, das offensichtlich von Julian stammte, wartete er erst noch ab, bevor er seine Zusage wiederholen musste, weil Philipp sich gerade seinen Sohn zu widmen schien.


„Ja, ich telefoniere mit Holger“, erklärte er ihm und hielt den Hörer dabei etwas weg vom Gesicht. Vermutlich hatte Holger ihn trotzdem gehört, aber der konnte sich ja denken, dass das nicht ihm galt. Gespannt wartete er auf die Antwort. Hoffentlich hatte Holger Zeit. Und vor allem auch Lust.


Holger wartete einen Moment und räusperte sich leicht. „Hat Julian mich etwa vorgeschlagen?“ Philipp hatte also nicht gelogen, er spukte immer noch in den Gedanken seines Sohnes herum. Irgendwie freute ihn das.


„Ja, ich muss zugeben, Juli war nicht ganz unbeteiligt“, gab Philipp schmunzelnd zu. „Aber ich weiß ja auch, dass ich bei dir an einer ganz guten Adresse bin.“ Okay, er hatte erst an Thomas gedacht, aber das musste er Holger ja nicht auf die Nase binden. Das würde er auch gewiss nie erfahren.


Sollte es Holger komisch vorkommen, dass Philipp gar nicht auf seine erste Frage einging? Hatte er einfach nur Angst, dass er nicht zusagen würde, wenn er ihm offenbarte, dass er nicht seine erste Wahl war? Holger beschloss so etwas nicht weiter zu hinterfragen und einfach darüber zu grinsen, dass Julian anscheinend bei der Entscheidung geholfen hatte.

„Gegen eine zweite Massage komm ich gerne mit“, fuhr Holger dann unüberlegt fort. Warum dachte er denn nicht einfach nach, bevor er etwas sagte. Er wollte doch gerade einfach nur zusagen mitzukommen, was musste er jetzt wieder nach der Massage betteln? Philipp dachte jetzt bestimmt sonst was von ihm.

„Was ich eigentlich sagen wollte ist, dass ich gerne mitkomme“, korrigierte er sich, ohne dass er Philipp vorher zu Wort kommen ließ. Er sollte sich da am besten gar nicht dazu äußern.


Philipp stutzte im ersten Moment, lächelte aber dann. „Das freut mich“, antwortete er ehrlich. „Über die… na, sagen wir ‚Bezahlung‘ können wir gerne noch verhandeln. Ich bin echt froh, dass du zugesagt hast. Und die Kids freuen sich bestimmt auch darüber, dass du da bist.“ Das meinte Philipp sogar ernst. Holger war ja nun mal auch ein bekannter Spieler. Wobei das ja ein Camp war, in dem es nicht um Fußball ging. Vielleicht ganz gut, wenn Holger kam, dann konnte er über Bewegung abgesehen von Fußball berichten. Und wie man sich vor allem bei wenig Sport gesund ernähren konnte.


„Hoffentlich“, erwiderte Holger. Ein bisschen Zweifel hatte er schon, schließlich war es nicht so, dass er von Beginn an angekündigt wurde und sie sich auf niemand anderen einstellten. Er musste Basti vertreten. Den sehr berühmten Basti. Er stritt nicht ab, dass er auch einen gewissen Bekanntheitsgrad genoss und er selber auch seine Fans hatte, aber trotzdem sah er es einfach realistisch, dass die Freude über den Vize wohl größer sein würde. Eigentlich war es aber nichts, worüber er sich den Kopf zerbrechen musste. Holger machte den Kindern am Mittwoch damit eine Freude, dazu Philipp auch noch und konnte dessen Nähe genießen. Das genügte dem Blonden, um für den Moment zufrieden mit sich und der Welt zu sein. Über die ''Bezahlung'' so wie Philipp sie nannte, wollte er sich erstmal keine Gedanken machen... das klang irgendwie seltsam, wenn man es von einer objektiven Seite betrachtete. Philipp meinte es aber ganz sicher nicht so, wie er es gerne hätte.


„Ach, sicher“, bestätigte Philipp ihm noch mal. „Sie werden sich freuen, du wirst es sehen.“ Da war er sich sogar sehr sicher. Vielleicht würde der ein oder andere Fragen, warum nicht Bastian da war, aber das hatte sich bis Mittwoch hoffentlich gelegt, er würde nämlich gleich direkt im Camp anrufen und die Info rausgeben.


„Soll ich dich abholen oder willst du die Adresse haben… wie machen wir es? Du kannst auch gerne mich abholen, wenn du fahren möchtest.“ Er hatte ja selbst erlebt, wie Holger es genoss selber hinter dem Steuer zu sitzen. Er konnte das ja auch vollkommen nachvollziehen.


Holger überlegte, was besser war. Irgendwie wollte er selber wieder fahren und da Philipp ihn damals so oft gefahren hatte, konnte er sich dadurch gleich revanchieren. „Ich kann dich abholen. Wann müssen wir losfahren?“ Er kannte die Adresse ja nicht, weswegen es schwer war einzuschätzen wie viel Zeit sie für den Hinweg einkalkulieren mussten.


„Hm… komm am besten so Viertel vor Eins, dann kann ich dir das Camp noch etwas zeigen. Oder wollen wir vorher was essen fahren? Wie hast du denn Reha?“, überlegte er weiter. Die Reha sollte ja nicht darunter leiden, da würde er schon drauf achten.


Holger hoffte einfach mal, dass Philipp die Wahrheit sprach und sich die Kinder auch wirklich auf ihn freuen würden. Es sollte einfach ein angenehmer Tag werden, so schwer konnte das doch auch nicht sein. Es kam zu einer kurzen Pause, da Holger sich zu einem Kalender bewegte, in dem er immer alle Termine eintrug. „Ich hab Mittwoch keine Reha, erst Donnerstag wieder“, erklärte er, da er am Mittwoch den von Jupp angewiesenen Termin bei Dr. Engbert wahrzunehmen hatte. „Also Mittwoch ab zehn stehe ich dir zur freien Verfügung. Wir können also auch vorher noch was essen gehen.“ Oder würde das nur wieder im Chaos enden, wer für wen bezahlte? Vielleicht sollte einfach jeder für sich bezahlen, dann kam das Problem erst gar nicht auf.


„Ja, das klingt doch sehr gut“, Philipp nickte und dachte nach. Gab es nicht in der Nähe von dem Camp ein gutes Restaurant, in das sie gehen konnten? Wenn er sich nicht irrte, war da irgendwo das „Deutsche Haus“.
„Kommst du so gegen halb Zwölf? Ich weiß ein gutes Restaurant in der Nähe, dann reserviere ich uns einen Tisch für Zwölf. So können wir in Ruhe Essen und sind direkt vor Ort.“
Er dachte an ihren letzten Restaurantbesuch. Eigentlich wäre es nur normal, wenn er als Dankeschön zahlen würde, aber er würde das Thema nicht anreißen. Wenn Holger nichts sagte, würde er für beide zahlen, aber erst am Ende.


Holger stimmte der Uhrzeit zu. Das war praktisch, dann hatte er noch genug Zeit sich vom Besuch beim Psychologen auch gleich wieder zu erholen. Aber leider auch genug Zeit, um sich verrückt zu machen und sich darüber den Kopf zu verbrechen, wie der Tag wohl ablaufen würde. Irgendwie sehnte er sich den Tag schon herbei, anderseits aber auch nicht. Diese gemischten Gefühle waren langsam aber sicher auch belastend für den Innenverteidiger. Ständig musste er diese Fassade aufrecht halten und durfte Philipp belügen. Obwohl gerade er der Mensch war, zu dem er offen und ehrlich sein wollte.


„Ach ja... muss ich noch was beachten... oder mich über ein Thema informieren, wenn ich da einen halben Vortrag halten soll?“, witzelte er. Obwohl er es schon ernst meinte. Holger wollte sich da nicht blamieren.

„Ich erwarte eine zehnseitige PowerPoint-Präsentation“, lachte Philipp.


Einen Augenblick glaubte Holger das sogar und reagierte geschockt, aber eigentlich lag es auf der Hand, dass das nur ein Witz sein sollte. Philipp hörte er ja auch lachen am anderen Ende der Leitung.


„Nein, ähm… nimm mal ein paar Autogrammkarten mit für die Kids. Und es ist halt kein Fußballcamp, es geht generell um Bewegung, Ernährung und um Persönlichkeit. Vielleicht… also… macht es dir was aus von den letzten Monaten zu erzählen?“ Er zögerte leicht. Wie stellte er die Frage am besten? Und vor allem: war es okay für Holger? Sollte es inzwischen, oder?


Holger brauchte lange mit der Antwort, aber Philipp gab ihm auch alle Zeit der Welt. Er wollte schon zurückrudern und sagen, er müsste das nicht machen, als er doch zustimmte.


Autogrammkarten waren kein Problem, hatte er genug in seinen Schränken herumliegen. Das andere stellte aber schon eher eher ein Problem dar, da es Holger Überwindung kosten würde. Genau wie Philipp bei der Frage zögerte, antwortete auch der Blonde nicht gleich darauf. Der Erinnerung an das Interview auf dem Rathausbalkon drängte sich wieder in seine Gedanken. Da hatte er darüber sprechen müssen, aber konnte man die Situation mit dem hier und jetzt vergleichen? Jetzt war Holger deutlich stabiler, aber dennoch war es für ihn nicht ganz so schön darüber zu reden. Peinlicherweise konnte er aber außer über seine Verletzung nichts interessantes erzählen, was nicht auch Philipp bieten konnte.


„Vielleicht was du gelernt hast oder so. Und generell, was du dazu erzählen kannst. Sie werden dich sicher auch was fragen. Und sonst arbeiten wir in kleinen Workshops mit ihnen.“
Irgendwie freute er sich. Hoffentlich war das alles okay für ihn, dann könnte das ein richtig schöner Tag werden.


Holger schmunzelte über die Wortwahl des Kapitäns. Was hatte er denn bisher gelernt? Er hatte Philipp beispielsweise lieben gelernt, aber das konnte er den Kindern ja nicht erzählen.

„Okay, ich werd mir was einfallen lassen, was ich ihnen erzählen werde“, antwortete er endlich etwas. Vielleicht war es ganz gut, dass er vorher mit einem Sportpsychologen redete und sich Rat holte. Aber auch wollte er zeigen, dass er mittlerweile wieder neuen Mut fasste und nicht mehr aufgeben würde, bevor er nicht wieder auf dem Platz stand. Wenn nur nicht alles so schwierig war.


„Es muss ja nicht viel sein“, erklärte Philipp. „Nur, stell dich auf Fragen ein. Kinder sind ja gerne wissbegierig.“ Und vor allem auch direkt. Aber Philipp traute es Holger zu, dass er das konnte. Die Frage war nur, ob Holger sich das auch zutraute.


„Ich werds schon schaffen die richtigen Worte zu finden und die Fragen zu beantworten“, versuchte er optimistisch zu bleiben. Philipp sollte sich da keine Sorgen deshalb machen oder ein ungutes Gefühl bei der Sache haben. So ausflippen wie bei Philipp in Vail würde er sowieso nicht. Konnte er sich auch gar nicht leisten, wenn er seinem Image nicht schaden wollte. Der Kapitän war alt genug, er verstand, dass diese Abwehrhaltung und das Schüren von Streitigkeiten nur mit totaler Verzweiflung verbunden war, aber für die Kinder war das noch nicht möglich zu verstehen, weswegen er sich da ohnehin zusammenreißen würde. Egal, welche Frage auch auf ihn zukommen würde.


„Danke, dass du das machst. Du hast echt was gut bei mir. Von mir aus auch noch eine Massage“, schmunzelte Philipp und fuhr Julian durch die hellen Haare, während der am Rüssel des Elefanten rumzog.


„Ist ja das Mindeste, was ich mal für dich tun kann“, lächelte er. Er freute sich darauf, dass er Philipp so aus der Patsche helfen konnte. Das war ihm wirklich ein Bedürfnis. „Na, vielleicht lass ich mir auch was anderes einfallen“, lachte er leicht.

Aber eigentlich wollte er gar nichts von ihm verlangen. Philipp hatte so viel in letzter Zeit für ihn getan, da konnte er sich jetzt revanchieren. Das war ein gutes Gefühl, was sich in Holger breit machte. Natürlich blieb diese Unsicherheit, aber sie war jetzt nicht ganz so präsent wie sonst.


„Dann sehen wir uns Mittwoch um halb Zwölf bei mir. Mach’s gut und viele Grüße von Julian.“


„Sag ihm auch einen schönen Gruß“, schmunzelte er, ehe sie das Gespräch beendeten. Holger legte das Smartphone zur Seite und seufzte. Vielleicht war es peinlich und albern, aber sein Weg führte ins Schlafzimmer zu seinem Kleiderschrank, um sich Anziehsachen für Mittwoch bereit zu legen. Dabei machte er sich schon unbewusst über seine Frisur Gedanken. Mit Haargel oder besser ohne?

Eher ohne. Vielleicht aber mit Cappy.

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