Kapitel 86 – Küss mich, halt mich, lieb mich



Holger beeilte sich und nahm die erste Schachtel direkt heraus, von denen Philipp sich an einer Tablette bedient zu haben schien. Doch schon, als er die Schachtel öffnete, wurde ihm der Grund klar, wegen dem Philipp von extremer Müdigkeit geplagt war. Es sei denn, er hatte die gar nicht genommen. Kontrollierend zog er die Tabletten hervor und sah, dass bereits vier fehlten. Er selber erinnerte sich, dass er drei schon aufgebraucht hatte, als er wegen dem Knie nicht besonders gut schlafen konnte. Und nach diesen Tabletten schlief er sogar tief und fest und auch ziemlich schnell ein.


„Du bleibst heute wirklich besser hier, okay?“, beharrte er erneut darauf, legte die Tabletten auf den Nachttisch und wandte sich wieder zu Philipp, um zärtlich seinen Arm festzuhalten und sanft daran zu zerren. „Du hast statt den Schmerztabletten, die Schlaftabletten erwischt“, erklärte er die Müdigkeit Philipps.


„Was?“, Philipp drehte seinen Kopf zu Holger und sah ihn aus großen Augen an. Das konnte doch nicht wahr sein. War er wirklich so blöd? Er hatte doch auf die Verpackung geguckt… anscheinend aber nicht genau genug.


„Die sind ziemlich stark“, lächelte er schwach. „Ich will, dass du bleibst. So schaffst du es sicher nicht mal die Treppe runter ohne benommen zu torkeln oder mittendrin doch einzuschlafen.“ Für Holger stand fest, dass er ihn heute sicher nicht gehen ließ. Auch, weil er sich für den miesen Zustand verantwortlich fühlte. Immerhin waren es seine Tabletten.
Fühlte sich Philipp nicht damals auch für die Magenkrämpfe verantwortlich, obwohl Holger selber entschied Wein zu trinken? Jetzt konnte Holger nachvollziehen, warum.


Ergeben seufzte Philipp und nickte. „Gut, von mir aus.“ War vermutlich wirklich besser so. Allerdings gab es dann noch zwei Dinge zu erledigen. In Jeans würde er nämlich sicher nicht schlafen.


Richtig begeistert, dass er heute hier bleiben musste, wirkte Philipp nicht. Aber Holger wollte sich von dieser Tatsache nicht runterziehen lassen. Vielleicht war er einfach zu müde um eine Emotion wie Freude zu zeigen. Holger jedenfalls freute sich, dass er hier blieb. Wenn auch die Wahrscheinlichkeit sehr hoch wäre, dass er gar nichts von Philipp haben würde, da dieser bald einschlafen würde. Er verbot sich ihm neugierig beim Ausziehen seiner Hose zu beobachten. Das durfte er einfach nicht, sollte er natürlich auch nicht.


Philipp machte sich also an seiner Hose zu schaffen, öffnete sie und hob dann seinen Hintern an, damit er sie sich von den Beinen ziehen konnte. Bevor er sie achtlos vom Bett strampelte, holte er noch das Handy aus der Tasche. Das Shirt behielt er einfach an, konnte dann ja morgen in die Wäsche.


Und trotzdem verlagerte sich der Blick immer wieder automatisch dorthin. Ob er sein Oberteil auch ausziehen würde? Holger wartete ja schon irgendwie darauf, aber als er sich mit dem Handy wieder ins Bett legte, verpuffte seine Hoffnung darauf. Wäre auch zu schön gewesen...


Mit dem Handy in der Hand ließ er sich wieder in die Kissen fallen, gähnte und öffnete eine SMS an Claudia. Philipp drehte sich auf die Seite, zu Holger gerichtet. Seine Augen wurden immer schwerer und es war alles andere als leicht sie aufzubehalten. Aber er musste seiner Frau doch Bescheid sagen, dass er gar nicht nach Hause kommen würde.
//Hallo Schatz, komme heute nicht nach Hause. Erkläre dir morgen warum. Ist aber alles gu//
Das Handy fiel Philipp aus der Hand. „Mist“, murrte er, griff wieder danach, verlor es aber direkt wieder. Was bitte waren das für hammer Tabletten? Die hauten ihn ja voll aus den Latschen.


Amüsiert schmunzelnd betrachtete er ihn, wie er hilflose Versuche startete eine SMS zu schreiben. An wen sie ging, war ihm klar, aber damit wollte er sich jetzt nicht beschäftigen. Philipp war heute Nacht bei ihm und das war gut so.


„Kannsu die SMS zuenne schreiben?“, fragte er träge, schloss wieder die Augen. „Danke…“ Und damit war Philipp auch schon eingeschlafen. Diese Tabletten waren eindeutig zu stark für ihn. Aber ein gutes hatte es. Seine Kopfschmerzen waren ihm egal.


„Was?... achso, ja“, murmelte er überrascht über diese Bitte und nahm das Handy zögerlich in die Hand, während Philipp die Augen schloss. War er etwa jetzt schon eingeschlafen? Er wandte den Blick vom Kapitän ab und blickte stumm seufzend auf das Handy. Sollte er sie verändern... zu seinen Vorteilen? Holger grübelte darüber nach, denn ein Satz wäre ihm schon eingefallen. „Bleibe lieber bei Holger heute Nacht.“ Aber dann hätte er garantiert Probleme mit Philipp... oder konnte der es nicht beurteilen was er geschrieben hatte und was nicht?
Holger entschied sich bei einem weiteren Blick auf Philipp dagegen. Er wollte den kleinen Kapitän doch nicht unglücklich machen und das wäre er bestimmt, wenn Claudia zu Hause Probleme bereitete.


//Hallo Schatz, komme heute nicht nach Hause. Erkläre dir morgen warum. Ist aber alles gut. Philipp//


Ein „Ich liebe dich“ rang er sich mit Sicherheit nicht ab, weswegen die SMS auch so rausging, ehe das Handy den Weg auf den Nachttisch fand, damit er sich voll und ganz auf Philipp konzentrieren konnte.
Vorsichtig zog er die Wolldecke zurecht und rutschte ein kleines Stückchen näher ran. Den Unterarm lagerte auf dem Bett und stützte seinen Kopf mit dem Handballen ab. „Philipp?“, hauchte er, ob er noch reagierte. Aber es gab keine Erwiderung, nur die ruhigen, kaum hörbaren Atemgeräusche, die Holger ein Lächeln ins Gesicht zauberten. Eigentlich war das Bild bizarr. So als hätte er Philipp betäubt, damit er seine Lippen auf seine Wange legen konnte. Holger hatte die Augen geschlossen, als er die weiche Haut mit seinem Mund fühlen konnte genießerisch einatmete. Wie gerne hätte er ihn wirklich geküsst, aber seine Angst war zu groß, dass es so endete, wie das letzte Mal. Philipp musste nur aufwachen und das Rätsel der drei Küsse war gelüftet.
„Gute Nacht“, flüsterte er und streichelte ihm liebevoll über die Wange. Es war unglaublich wieviel Überwindung es kostete von ihm abzulassen, was er auch genau genommen nicht schaffte. Er hatte den Arm noch immer aufgestützt und bestaunte den schlafenden Kapitän. Aber ohne ihn zu berühren. Das wäre falsch... Philipp würde es nicht wollen und es auszunutzen, dass ihn die Tabletten matt setzten, konnte er nicht. Dafür war der Kapitän ihm zu wichtig.


Philipp bekam nichts mit von den Zärtlichkeiten, die Holger ihm schenkte. Zumindest nicht bewusst. Aber sein Unterbewusstsein reagierte auf die Berührungen an seiner Wange und zauberte ein Lächeln auf seine Lippen.


Holger nahm das Lächeln, das sich plötzlich auf Philipps Gesicht bildete, sofort wahr. Es war nicht verwunderlich, dass ihm das nicht entging, schließlich starrte er den Kapitän ja schon gefühlte Stunden begeistert an. Und er verlor auch nicht das Interesse daran. Immer wieder entdeckte er eine neue Hautpartie und dachte daran, wie es wäre darüber zu streichen... wie es allgemein mit Philipp wäre. Ganz offiziell seine Lippen berühren zu dürfen. Dass sein Blick verliebt wirkte, wusste er nicht, vermutlich würde es sowieso nur jedem Außenstehenden auffallen, nur ihm selber nicht.


Das Lächeln war nicht alles. Sein Unterbewusstsein sehnte sich nach mehr von diesen Berührungen, weswegen er näher rutschte. Sogar ein ganzes Stück, bis er einen Körper vor sich spürte.


Als Philipp näher rutschte, runzelte er die Stirn. Wieso tat er das? War er doch noch wach? Nein, nicht nach diesen Tabletten, die ihn so müde machten.


Der Kapitän lag jetzt direkt vor Holger und griff mit einer Hand nach dem Stoff des Shirts. Fast als suchte er ganz bewusst dessen Nähe kam ein Nuscheln aus seinem Mund, was nach dem Namen des Jüngeren klang. Wusste er, dass er es war, der sich so um ihn bemühte? Oder hatte dieses Wort etwas mit den Gedanken zu tun, dass Holger mehr wollte? Im Endeffekt war es egal, denn Philipp wusste ja selber nicht, dass er das tat, was er tat.


Wie er die Hand an seinem Shirt einzuschätzen hatte, war ihm schier unmöglich zu deuten. Sein Blick folgte der Hand, weswegen sich unweigerlich ein Lächeln auf sein Gesicht schlich. Wusste er es nicht besser, hätte er behauptet, dass Philipp seine Nähe suchte. Dennoch blieb ihm verborgen, ob er nicht gerade nur an Claudia dachte und nicht an ihn. Womöglich war es so, da er ja ohnehin nicht mehr wirklich wach war. Holger seufzte traurig, bevor er seine Ohren spitzte. Dieses Murmeln was er da wahrgenommen hatte, endete ganz sicher mit „...er“ Nicht mit „dia...“ Das konnte kein Missgeschick oder Zufall sein. Philipp meinte ihn und wollte seine Nähe.


Philipp neigte seinen Kopf etwas und berührte damit schließlich Holger, suchte noch mehr Körperkontakt, sehnte sich danach und wollte diese Sehnsucht stillen.


Das Grinsen auf Holgers Gesicht hätte in diesem Moment den ganzen Raum erleuchten können, als er sich dem bewusst wurde, dass Philipps Kopf an seine Brust geneigt war und sie sehr dicht beieinander lagen. Jedenfalls so nah, wie es für normale Kollegen nicht üblich war. Aber waren sie nicht längst über diesen Status hinaus? Normale Kollegen klang seltsam, wenn er sich an die ganze letzte Zeit erinnerte. Traf es ''Freund'' eher? Für Philipps Geschmack sicher, aber nicht für Holgers. Er wollte mehr... leider. Da er die Freundschaft aber nicht gefährden wollte, würde er sein Geheimnis nie preisgeben können. Zärtlich sah er Philipp an, wie er gemütlich schlief und so an ihn gekuschelt war. Doch der unerwartete Körperkontakt zu dem Kapitän zeigte seine Wirkung bei Holger. Sein Herz klopfte wie wild in seiner Brust und ließ ihn spüren, wie verfallen er dem Kapitän schon war. Wie konnte das nur passieren? Wie konnte er sich so sehr in diesen kleinen, lieben Mann verlieben. Dass gerade Philipp Lahm es war, der sein Herz schneller schlagen ließ, ihm den Atem raubte und Holger ein glückliches Lächeln ins Gesicht zauberte, wenn er in der Nähe war. Unbegreiflich für Holger. Aber trotz allem war es ein unbeschreiblich schönes Gefühl.
Instinktiv legte er die Arme um Philipps Körper und streichelte leicht über seinen Rücken, um ihm, falls er es wahr nahm, Geborgenheit zu vermitteln.


Philipp nahm es wahr. Er spürte, dass die Person, deren Nähe er suchte, ihm diese Nähe gab. Seine Hand ließ den Stoff los und tastete sich über den Körper des Jüngeren, so dass er ihn auch mehr oder weniger in den Arm nahm. Seine Hand lag zwar mehr auf seiner Seite als auf dem Rücken, aber das bekam er ja alles nicht mit. Würde er das mitbekommen, wäre er vermutlich sichtlich verwirrt von seinen eigenen Taten. Allerdings müsste er sich eingestehen, dass er sich wohlfühlte hier bei diesem warmen Körper und in den starken Armen, die ihm noch einmal mehr Ruhe schenkten, als er ohnehin schon hatte.
Ja, der kleine schlafende Philipp fand sichtlich Gefallen daran sich an diesen Körper neben ihn zu kuscheln und von ihm behütet zu werden. Vermutlich war genau das auch der Grund, warum die ganze Zeit ein leichtes Lächeln seine Lippen zierte. Der Mund war zwar etwas geöffnet, aber seine Mundwinkel zogen sich dennoch leicht nach oben. Wie konnte er bei so einem schönen Gefühl, was ihn durchströmte auch nicht lächeln?


Holger wusste nicht mehr wie ihm geschah, als Philipps Hand über seine Seite wanderte und sie dort liegen ließ. Wenn er daran dachte, dass er eben seinen Namen nuschelte, und davon war der Innenverteidiger mittlerweile wirklich überzeugt, müsste der Kapitän wissen, welchen Körper er im Moment diese Berührungen schenkte. Sein eigentliches Vorhaben sich keine Hoffnungen mehr zu machen, verpuffte im Nichts, so als ob er sich das niemals vorgenommen hätte. Holger konnte sich beim besten Willen nicht mehr vorstellen, dass es da kein Gefühl für ihn in Philipps Unterbewusstsein gab. Ja, vielleicht handelte es sich um bloße, tiefe Freundschaft, aber womöglich auch mehr. So sehr, wie er gerade seine Nähe suchte, lag der Verdacht nahe. Er suchte seine Nähe, so offensiv, wie er auch Fußball spielte. Philipp verteidigte und griff gleichermaßen stark an. Holger verteidigte irgendwie immer nur und wenn er denn mal zu einem Angriff ansetzte, verfehlte er sein Ziel; das Tor. Eine Metapher, die sich sehr gut in sein Privatleben übertragen ließ.
Holger betrachtete den Kapitän, ehe er selber merkte, dass seine Augenlider langsam aber sicher immer schwerer wurden. Zärtlich hauchte er einen Kuss auf die Stirn des Älteren, traute sich, weil er wusste, dass er nicht aufwachen würde. Mit Philipp im Arm einzuschlafen, daran dachte er so oft, als er alleine im Bett lag. Er träumte sogar schon einmal davon und jetzt entsprach es tatsächlich der Realität. Kaum zu glauben, auch wenn man nicht ganz außer Acht lassen durfte, dass Philipp nur die Wirkung der Schlaftabletten bei ihm blieb, weil er keine andere Wahl gehabt hätte. Aber das schob Holger erstmal beiseite, dieses merkwürdige Gefühl wollte er jetzt nicht zu seinen Glücksgefühlen mischen, während er selig lächelnd ins Reich der Träume fiel.


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Kommentare: 4
  • #1

    Lesley (Freitag, 03 Oktober 2014 08:34)

    Hallo ihr Zwei,

    danke noch mal für den Link

  • #2

    Mailiw (Freitag, 03 Oktober 2014)

    Hola ihr Beiden! Echt cool mit der neuen Page und muss sagen gefällt mir sogar besser
    als bei FF.de :)

    Zu dem Kapitel kann ich eigentlich nur sagen AWWWWWWWWWWHH! Das war ja ober goldig
    :D :D Ach ich weiß gar nicht was ich so sagen soll. Es war so süß und ich bin
    mega mäßig gespannt wie es ausgehen wird! Vorallem, ich hatte ja Recht, hehe ;D wegen den
    Tabletten :P

    BIS DANN!

    MAILIW ALBA!

  • #3

    Engel (Sonntag, 05 Oktober 2014 00:58)

    Aaah wie süß
    Auf so etwas hab ich gewartet :)
    Schon klar, dass Phil mehr oder weniger unter drogen ist
    Aber im Unterbewusstsein liegt sie Wahrheit
    Jetzt muss Phil sie noch erkennen
    Nochmal vielen Dank, dass ihr hier die Möglichkeit bietet weiter lesen zu können :)

  • #4

    Peanut (Montag, 06 Oktober 2014 23:57)

    Hallöchen ihr!!!
    Erstmal bin ich sooooo Happy das es hier weiter geht!!! Hatte schon echt Angst.

    Ich hab die Kapitelüberschrift gelesen und dachte schon, huiiiiii das wird prima :D
    Und yeahi das wurde es, ein mega super tolles, inniges, knuffiges Kapitel.
    Ich könnte echt dahin schmelzen wenn ich sie mir so bildlich vorstelle^^
    Nett von Holger auch die Nachricht fertig zu schreiben und dann auch noch ganz passabel. Gut kein ich liebe dich, aber immerhin auch kein ich bleib heute bei Holger zum kuscheln :P
    Bin wie immer gespannt wie es weitergeht.
    Ganz ganz liebe Grüße von mir!