Kapitel 94 – Körperliche Anziehungskraft



Leicht lächelte Philipp. Ja, Holger war in ihn verliebt und es war ihm unangenehm, aber er war trotzdem sein Freund, dem er helfen würde.


Dieses Warten, bis Philipp reagierte, war grauenvoll. Holger war nervös und mächtig angespannt. Seine Unsicherheit musste dem Kapitän aufgefallen sein, weswegen sonst sollte er lächeln und ihm sogar helfen wollen?


Philipp ignorierte auch einfach mal das aufkommende starke Herzklopfen, steckte das Handy ein und erhob sich.
„Hast du dein Knie überanstrengt? Du solltest vorsichtig sein. Willst du lieber mit Krücken zur Besprechung gehen?“ Philipp nahm ihm die Hose ab und ging vor ihm in die Knie, den Blick stur nach unten gerichtet.


Anscheinend“, gab er kleinlaut zurück und nickte, während er mit seinen Augen genau verfolgte, wie Philipp ihm die Hose abnahm und sich vor ihn hinkniete. War es seltsam, dass genau so eine Position auch noch seine Vorstellungskraft anregte? Seltsam war eigentlich ohnehin alles seit Philipp von seinen Gefühlen wusste.


Vorsichtig zog er die Jeans über die Füße und dann höher. Seine Finger fuhren dabei über die beharrte Haut. Bei den Knien war er besonders vorsichtig, um weitere Schmerzen zu vermeiden. Dadurch streifte er aber immer wieder auch die Innenseite seiner Oberschenkel. Philipp versuchte diese Tatsache gekonnt zu ignorieren. Aber er war mächtig nervös und sein Herzschlag dröhnte ihm in den Ohren.


I-ist besser, wenn ich sie nehme, oder?“ Was fragte er da auch noch nach? Es lag auf der Hand, dass er die Krücken nehmen würde und alles gut war, wodurch er sein Knie schonen konnte. Aber diese sehr stark präsente Nervosität ließen ihn nicht mehr Herr seiner Worte sein. Und klar denken ließ sie ihn sowieso nicht mehr.


Holger sah auf Philipp hinab, dieser erwiderte den Blick nicht, sondern konzentrierte sich nur auf das vorsichtige Anziehen der Hose. Immer wieder streiften die warme Hände seine Haut und ließen Holger beklommen schlucken. So aufgeregt war er lange nicht mehr. Nicht mal nach während eines Spiels hatte er seinen dumpfen Herzschlag so intensiv wahrgenommen.
Ganz vorsichtig versuchte der Kapitän dann die Hose über die Knie zu befördern, streifte dabei mit seinem Handgelenk seine Oberschenkel. Die Innenseite war dabei besonders empfindlich, wie Holger leider nun feststellen durfte. Er musste einen seufzenden Laut unterdrücken. Was war denn bloß los? Er fühlte sich richtig angespannt, wie unter Strom gesetzt, je öfter Philipp seine Haut berührte und in dieser Position zu ihm kniete.


Philipp spürte sehr wohl, dass Holger sich anspannte, aber er sagte nichts. Er ignorierte es einfach und machte weiter. Er war ja gleich fertig und dann war alles wieder gut. War es doch, oder?
Wenn er ehrlich war, ließ das seine eigene Nervosität nur ansteigen und machte nichts besser. Fester dröhnte sein eigener Herzschlag in seinen Ohren und machte ihn beinahe wahnsinnig. Warum denn? Warum konnte es nicht normal schlagen? So machte es das alles doch nur noch schlimmer.


Holger räusperte sich, sein Hals fühlte sich trocken und rau an, aber auch danach hatte er nicht das Gefühl, dass es ihm besser ging. Unbeholfen strich er eine Falte auf der Bettdecke glatt, wodurch er genau sah, wie verkrampft sein ganzer Körper war. Und den Blick zu Philipp konnte er einfach nicht abwenden. Immer wieder studierte er sein Gesicht, das er aus diesem oberen Winkel noch nicht gesehen hatte und blieb an den flauschigen Haaren hängen, in die er gerne mit einer seiner Hände gefasst hätte. Unweigerlich drängte sich die Erinnerung an seinen letzten Traum in seine Gedanken. Ein sehr, sehr ungünstiger Zeitpunkt, wenn man Holger fragte. Denn er stellte sich vor, wie es wäre, wenn Philipp ihm die Hose wieder ausziehen würde und ihn bestimmend mit einer Hand gegen die Brust zurück aufs Bett drückte, um ihn in Rückenlage zu bringen. Holger stoppte seinen Atem, als sich eine Welle an Hitze und Erregung in seinem Körper ausbreitete. Oh nein... das durfte einfach nicht sein. Er musste an etwas anderes denken. Sofort!


Genauso war Philipp sich sicher, dass Holger ihn die ganze Zeit dabei beobachtete. Er spürte doch diesen Blick auf sich liegen, aber auch das ignorierte er einfach. Vielleicht beobachtete er ihn auch bloß dabei, wie er seine Hose hochzog. Wer wusste es denn schon? Und beim Angucken war ja auch nichts dabei… gut, im Pool hatte es ihn gestört, aber er hatte sich so komisch nackt gefühlt vor ihm.


Hilflos presste Holger die feinen Lippen aufeinander und blickte weiter auf Philipp. Wenn er jetzt daran dachte, dass er schon lange nicht mehr... also, dass er sich schon lange nicht mehr etwas intimeren widmete, fühlte er diese Verkrampfung und Nervosität nur noch stärker in all seinen Gliedern. Dieser Mann vor ihm machte ihn schier verrückt. Das schlimme daran war, dass er nicht einmal viel dafür tun musste. Es reichte schon die Innenseite seiner Oberschenkel lediglich kurz zu streifen...
Und in dem Moment, als er glaubte, es konnte nicht mehr unangenehmer werden, passierte es auch schon. Er fühlte, wie sich seine Anspannung unterhalb seines Bauches verlagerte und dort manifestierte, während sein Gesicht nicht nur eine zarte Röte annahm, sondern knallrot wurde. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er die Luft angehalten hatte, so als ob er damit bezwecken wollte, dass es eben nicht so weit kommen würde, dass er ihm zeigte, wie sehr er ihn wirklich begehrte.


Vielleicht nahm Philipp in seinem Augenwinkel eine Regung war, vielleicht war es auch Zufall, er wusste es nicht, aber es machte keinen Unterschied. Er hob den Blick und stockte. Das war jetzt nicht Holgers Ernst. Er bekam jetzt nicht ernsthaft… oooooh Gott!


Ein unterdrücktes Seufzen, kombiniert mit einem hektischen Durchatmen entfleuchte seiner heißen Kehle. Geschockt richtete er den Blick auf seine Shorts. Peinlich war gar kein Ausdruck für das, was da gerade passierte. Er wollte weg. Weg von den Blicken, die der Kapitän ihn schenken würde. Weg von der Ablehnung, weg von dem Ekel, der ihm gleich entgegen blicken würde.


Als Holger dann noch dieses Seufzen entkam, schaute er geschockt hoch. Die Augen weit aufgerissen. Was bitte wurde das hier? Mal abgesehen davon, dass sie beide wohl gerade knallrot waren. Stellte Holger sich hier Sachen vor oder reichte das alles schon aus, um ihn so aus dem Konzept zu bringen? Man… was sollte Philipp denn jetzt machen? Es hatte noch nie ein Mann wegen ihm eine Erektion bekommen! Zumindest wusste er nichts davon. Und bestimmt nicht einer seiner Freunde.


Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, griff er nach dem Bund der Jeanshose und zog sie sich von den Beinen, spürte zwar das unangenehme Pochen und den ziehenden Schmerz an seinem Knie, was aber jetzt sein kleinstes Problem darstellte.


Noch ehe er in irgendeiner Art und Weise reagieren konnte, zog Holger sich die Hose wieder aus und sprang auf. Philipp kippte nach hinten, stützte sich mit den Armen ab und beobachtete Holger ansonsten regungslos. Die ausgefüllten Shorts waren so noch besser zu erkennen…

Das wollt ich nicht...“, stammelte er flüsternd. Die Jeans landete auf den Boden, damit Holger ins Badezimmer flüchten konnte. Er humpelte und es schmerzte, aber es war ihm so egal. Die Tür wurde abgeschlossen, ehe er sich mit dem Rücken an eben jener sinken ließ. „Das wollt ich doch nicht“, murmelte er immer wieder vor sich hin, bettete den Kopf auf seinen Beinen und richtete den Blick starr auf den Boden.


Philipp glaubte die Verzweiflung herauszuhören und er glaubte ihm das sogar. Er glaubte ihm das wirklich. Bloß änderte das nichts daran, dass es passiert war. Holger verschwand ins Badezimmer und Philipp blickte immer noch gerade. Er fixierte jetzt einen Punkt an der Wand, aber bis vor wenigen Sekunden war da noch etwas ganz anderes in seinem Blickfeld gewesen…
Er ließ sich zurückfallen und legte seine Hände aufs Gesicht. „Scheiße“, murmelte er. Das musste er sich jetzt erst mal bewusst machen. Er hatte Holger bloß bei der Hose helfen wollen und dann das…
Wieder umschlang ihn dieses Seil und drückte seine Brust zu. Er musste hier weg. Das ging nicht. Er musste raus hier. In diesem Zimmer drohte er zu ersticken.
Philipp rappelte sich auf und verließ mit Schlüssel und Handy den Raum. Die Tür ließ er extra laut zuschlagen, damit Holger es hörte. Holger… das war nicht gut mit seinem Knie. Sollte er Müwo Bescheid sagen? Aber… jetzt? Er würde ihn töten.
Die Hand des Kapitäns zuckte kurz, er zögerte, griff aber schließlich doch zu seinem Handy.


//Sag Müwo Bescheid wegen deinem Knie. Oder soll ich das machen? Meld dich, wenn…//


Nicht ein Wort sagte er zu der Situation gerade. Aber sie hatten auch so noch nicht ein Wort über Holgers Gefühle verloren. Was sollte er denn bei so was noch sagen?

Hey Pippo, was ist denn mit dir passiert? Lagst du zu lange in der Sonne?“, Mario kam grinsend an. „Und wo hast du Holger gelassen?“


„Der ist noch im Bad“, gab er bloß zurück und wich dem Blick aus, was Mario skeptisch werden ließ.


Alles okay?“


„Nein. Nichts ist okay“, gab er zu, ließ ihn dann einfach auf dem Flur stehen und verschwand die Treppe hinunter Richtung Besprechungsraum. Hier war gar nichts okay. Nicht ein bisschen…



Kauernd saß Holger auf den Boden und rührte sich nicht. Wie ein verschreckter, ängstlicher kleiner Junge saß er da und versuchte das Erlebte zu verarbeiten und irgendwie damit zurecht zu kommen. Holger versuchte ganz ruhig zu atmen, spürte auch, dass sein Körper stetig an Anspannung verlor. Aber nicht seine Gedanken. Die standen nach wie vor unter größter Spannung und sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Es war die eine Sache, dass der Kapitän wusste, dass er sich in ihn verliebte, aber eine ganz andere, wegen ihm eine Erektion zu bekommen. Und auch noch vor seinen Augen...
Nie, wirklich niemals, wieder würde er Philipp unter die Augen treten können! Er hörte zwar das Nachrichtensignal seines Handy, aber er wollte nicht raus aus dem Badezimmer, auch wenn der Kapitän ihm mit dem lauten Zuschlagen der Tür deutlich zeigte, dass er alleine war. Jedes Mal, wenn er seine Augen öffnete, sah er immer noch das erschrockene Gesicht des Kapitäns. Wer konnte es ihm schon verübeln? Wer rechnete denn mit so etwas...

Plötzlich klopfte jemand gegen die Badezimmertür. Holger zuckte zusammen und hob den Kopf leicht an.


„Holger, was ist denn los?“


Mario. Er klang alarmiert.


„Es... es ist alles okay“, antwortete er ihm mit brüchiger Stimme. DAS konnte er ihm nicht erzählen. Darüber durfte er mit niemandem reden.


„Ich weiß doch, dass was nicht in Ordnung ist. Jetzt mach schon auf“, versuchte es Mario nochmal, aber er erhielt gar keine Reaktion mehr.


„Gut, wenn alles in Ordnung ist, kannst du doch auch zur Besprechung, oder? Holger, ich bleib solange hier stehen, bist du wieder rauskommst.“


„Geh doch einfach, Mario“, murmelte er seufzend. „Ich will darüber nicht reden.“


Mario verdrehte die Augen. „Soll ich Pippo ausquetschen über das was anscheinend vorgefallen ist?“


Was? Nein! Holger erhob sich zügig und öffnete die Badezimmertür. Mario blickte skeptisch an ihn herab und runzelte die Stirn. Der Innenverteidiger sah alles andere als... glücklich aus. Vorsichtig schob der Stürmer ihn ins Hauptzimmer, in dem sich Holger auf das Bett setzte. Den Schmerz in seinem Knie verdrängte er gekonnt. Es gab jetzt weitaus schlimmeres...


„Also? Was ist los? Habt ihr wieder gestritten?“


„Nein“, nuschelte er.


„Soll ich dich lieber fragen, warum deine Jeans auf dem Boden liegt und du nur Shorts trägst?“ Für Mario passte das nicht zusammen.


„Philipp wollte mir nur in die Hose helfen, aber ich -“ Er brach ab, schluckte schwer und senkte den Kopf.


„Aber du...?“


„Man, ich hab, also er hat mich eben angefasst und irgendwie, ach ist doch egal.“ Holger konnte das nicht mal aussprechen. Wollte er auch nicht, es war einfach nur schrecklich peinlich.


„Verstehe.“


Stille kehrte zwischen den Kollegen ein, ehe Mario ein kleines Lachen entkam. Grimmig verzog der Innenverteidiger das Gesicht und fixierte den Stürmer aus zusammengekniffenen Augen. „Du machst dich jetzt ernsthaft darüber lustig? Weißt du wie scheiße das für mich ist? Und für Philipp? Der denkt doch, ich bin... total bescheuert und was weiß ich, was der von mir hält.“


Mario legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter und schmunzelte. „Komm mal wieder runter. Pippo ist doch auch ein Mann. Er weiß, dass du auf ihn stehst und da kann es doch vorkommen, wenn man eh schon länger nicht mehr hatte. Das ist halb so wild.“


Holger war alles andere als überzeugt.


„Es ist klar, dass das etwas ungünstig ist und auch ziemlich blöd, aber es ist menschlich, Holger. Ich wüsste nicht, wofür dich Pippo jetzt halten könnte.“


„Du hast seinen Blick nicht gesehen“, brummte Holger und zog es vor den Teppich unter seinen Füßen anzusehen.


„Du kannst ihm keinen Vorwurf machen, dass er erstaunt reagiert und nicht sofort weiß damit umzugehen.“ Dennoch würde Mario ein Auge darauf haben. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Philipp angewidert von Holger war, aber wenn dies der Fall sein sollte, würde er ein ernstes Wörtchen mit ihm wechseln.




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Kommentare: 3
  • #1

    Peanut (Freitag, 14 November 2014 00:33)

    Ohhhh Mist! Der Arme Holger! Ich wär vor lauter Scham im Boden versunken, oder aus dem Fenster gesprungen, oder abgereist! Wie kann er ihm nur je wieder in die Augen schauen?!
    Und Phil, ja gut, voll verständlich das der durchdreht. Versucht den Schein zu waren und kriegt praktisch aber sie Tatsachen vor die Nase gehalten...
    Bin echt mega gespannt wie sie mit der Situation weiter umgehen.
    Bis bald hoff ich :*

  • #2

    Engel (Freitag, 14 November 2014 16:15)

    Ihr quält Holger ja ganz schön
    Der Arme
    Jetzt lasst ihn doch mal^^
    Und Philipp hat Herzklopfen ohne zu wissen warum...
    Naja immerhin kommen wir der Sache langsam näher
    Wobei ich fürchte, man muss Philipp mit der Nase drauf stoßen.
    Der peilt sonst nie was

  • #3

    Lesley (Sonntag, 16 November 2014 07:13)

    Hallo ihr Zwei!

    Ich kann meinen Vorschreibern nur zustimmen: Ihr quält den armen Holger ganz schön. Man denkt immer, schlimmer kann es für ihn ja gar nicht mehr kommen und dann kommt der nächste Klopper