Kapitel 143 – July und Milly


Etwa eine Dreiviertelstunde später stand Philipp also mit einem Hasenkäfig, zwei Hasen, Heu, Stroh und Futter bei Holger vor der Tür. Den Käfig hatte Josie noch sauber gemacht, damit er Philipps Auto nicht vollkrümmelte, so dass die beiden Hasen in einer Transportbox waren. Sie stand auf dem Beifahrersitz.
„So, ihr kommt jetzt in euer neues Zuhause. Holger kennt ihr ja schon, hm?“ Er lächelte die beiden Hasen an, die eher eingeschüchtert wirkten. Dann stieg er aus, nahm die Transportbox und verschaffte sich mit dem Schlüssel Zugang ins das Haus. Vor der Wohnung zögerte er. Klingeln oder…? Nein, er schloss die Tür auf und ließ sie auch wieder ins Schloss fallen, als er im Flur stand. Doch wo war Holger? Er blieb erst mal einen Moment stehen und lauschte. Vielleicht hatte der ihn ja auch gehört und kam zu ihm in den Flur.


Holger war beinahe eingeschlafen, als er Geräusche an seiner Tür hörte. Müde rieb er sich über die Augen und richtete sich auf. Den Blick zur Tür gerichtet. Spielte ihm jetzt schon seine Gedanken und Wünsche einen Streich? Philipp verbrachte anscheinend einen Tag mit seiner Frau, weswegen er nicht mit ihm zu rechnen hatte. Holger seufzte und beschloss sich noch einen Tee zu machen, bevor er sich hinlegen und noch etwas lesen würde, um Philipp für heute einfach mal aus seinem Kopf zu verbannen. Aber es war viel mehr Claudia, die er verbannen wollte. Nicht Philipp, denn der würde niemals aus seinen Gedanken verschwinden.
Er stand auf und musste den Flur durchqueren, um zur Küche zu gelangen. Er schaltete das Licht ein und stockte. Irgendwie erschrak er sogar über den plötzlichen Besuch. Philipp stand unangekündigt da. In der einen Hand den Schlüssel, in der anderen eine Box. Eine seltsame Handtasche, wenn man den Innenverteidiger fragte. Er betrachtete das Accessoire genauer und erkannte nun, um was es sich handelte. Hatte er also Besuch mitgebracht. Aber er konnte nicht darauf schließen, was das zu bedeuten hatte.
„Ich hab nicht mehr mit dir gerechnet.“ Trotzdem oder gerade deswegen bildete sich ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen.


Das merke ich“, lächelte Philipp. Er stellte die Box aber erst mal ab. Die Hasen konnten noch ein paar Minuten warten. Jetzt war Holger dran. Auf den ging er jetzt nämlich zu, aber er stoppte, ehe er zu nahe war. Zu gerne hätte er ihn berührt, ihn umarmt und geküsst, aber er musste vorher ein paar Worte los werden und er wusste nicht, ob Holger ihn danach nicht lieber meiden würde.


Was ist denn in der Box?“, schmunzelte er und blickte auf die Tiertransportbox, die keinen Einblick in die darin hausenden Tierchen gewährte.


Es tut mir leid.“ Er suchte gezielt den Blick in diese wunderschönen, blauen Augen. „Es tut mir wirklich leid, wie das heute abgelaufen ist. Claudia, sie… sie hat sich aufgeführt wie eine alte Hexe.“ Er lächelte ganz schwach. „Ich hoffe, du nimmst meine Entschuldigung an. Ich habe nie gewollt, dass das passiert und dass es so abläuft, wenn ihr euch trefft. Ich hab ihr auch meine Meinung dazu gesagt. Das war echt unter aller Sau.“
Eigentlich konnte Philipp nur beten, dass Holger ihn nicht abwies und die Entschuldigung annahm. Der Kapitän hoffte es so sehr.


Holgers Blick richtete sich automatisch auf die Box auf dem Boden. Geräusche kamen daraus, so als ob spitze Krallen an dem Plastik scharrten.
Er war gerade dabei nochmal nachzuhaken, als er Philipps Gesicht fast vor sich hatte und deshalb wieder in diesen wundervollen Augen versank. Dennoch schwand das Lächeln bei den folgenden Worten. Es war nett, dass er sich für seine Ehefrau entschuldigte, aber es riss Wunden auf. Verletzungen, die keine Zeit hatten erstmal etwas zu heilen.
„Du kannst ja nichts dafür“, winkte er ab. Aber ihr Verhalten zeigte ihm, welchen Stand er bei ihr mittlerweile hatte. Es war ganz deutlich Eifersucht. „Natürlich nehme ich sie an“, nickte er. „Aber ich bleibe dabei, dass du dafür ja nichts kannst. Es ist ihr Verhalten mir gegenüber.“ Holger zuckte mit den Schultern. „Was soll ich sagen? Ich kann ihr keinen Vorwurf machen...“, murmelte er. Seine Stimme wurde leiser. Er fühlte wie Claudia und würde sie auch am liebsten meiden oder mit Worten verletzen, nur damit er Philipp für sich ganz allein hatte. Holger freute sich jedoch ehrlich darüber, dass der Ältere für ihn einstand und bei seiner Meinung blieb. Und womöglich Streit riskierte. Dafür war Holger es, der den letzten Schritt zwischen ihnen überbrückte und ihn nach einem zärtlichen Blickaustausch seine Lippen berührte. Seine Hand legte er zwischen seinem Hals und seiner Wange ab und strich mit dem Daumen über die glatte Haut. Jetzt waren alle Gedanken an Claudia erstmal weg. Philipps Lippen lagen auf seinen und er war bei ihm anstatt bei ihr.


Philipp merkte erst bei Holgers Worten, wie groß der Stein wirklich war, der von seinem Herzen fiel. Und doch… er machte ihr keinen Vorwurf? Weil er wusste, wie sie sich fühlen müsste? Sie beide wollten ihn für sich und Philipp spielte mit beiden, wenn man ganz ehrlich war. Er hielt sie hin, er sorgte für diese Probleme. Aber er konnte es nicht lösen, weil er sich nicht entscheiden konnte. Verdammt, er hatte sich in Holger verliebt, wie sollte er ihn da bitte verlassen? Das ging nicht. Das würde unter diesen Umständen nie gehen.


Und anscheinend war Philipp da nicht der einzige, der sich gerade bei ihm aufhielt. Holger löste den Kuss und blickte skeptisch zu der Transportbox. „Du hättest doch sagen können, wenn du noch jemanden mitbringst“, grinste er und tapste auf die Box zu.


Irgendwie war der Kapitän sogar ganz froh, dass Holger nach dem schönen Kuss ablenkte.
„Du bist gar nicht neugierig, oder?“, murmelte Philipp.


Holger öffnete sie vorsichtig, wodurch zwei Kaninchen zum Vorschein kamen. Ein Braunes mit stehenden Ohren und ein weißes mit... Moment mal. Erstaunt drehte er sich zu Philipp um. „Die kenne ich doch.“


„Jap, die beiden kennst du. Darf ich vorstellen? July und Milly, deine neuen Mitbewohner. Und keine Angst, July ist kastriert.“ Philipp grinste breit. Entweder Holger würde ihn jetzt umbringen… oder eben nicht.


Erst durch das breite Grinsen merkte Holger schließlich, dass die Worte kein Witz waren, weswegen sein Lächeln automatisch weniger wurde. „Meine was?“, wiederholte er völlig verwundert und tat den Decken wieder auf die Transportbox, da July schon neugierig herausgespitzt und zum Sprung ansetzte. Wieso brachte er ihm denn am Abend zwei kleine Häschen? Er konnte sie doch nicht einfach hier einquartieren. Wo hatte er die beiden überhaupt so plötzlich her? Geburtstag hatte Holger auch nicht, dass Philipp behaupten konnte, dass es sich um ein Geschenk handelte.

Die beiden sind doch aus dem Sommercamp, oder?“, versuchte er die Situation zu verstehen. „Wieso sind sie nicht da oder bei ihrem Besitzer?“


Holger schien sichtlich irritiert, was Philipp zum Schmunzeln brachte. Allerdings wurde das weniger, als er ihm erklärte, warum sie hier waren. „Der Besitzer ist verstorben und niemand kann sie bei sich aufnehmen.“ Er trat näher, öffnete die Box wieder und nahm den braunen Hasen hinaus.
„Ich dachte, ich kann dir damit eine kleine Freude machen, du mochtest sie doch“, erklärte er weiter und lächelte Holger an. „Käfig, Futter und alles ist im Auto. Wenn du sie aber nicht willst, bringe ich sie morgen in ein Tierheim.“ Das wollte er aber nicht. Holger sollte sie behalten, damit er sich nicht so einsam fühlte, wenn er mal nicht da war. Vielleicht war es albern, aber in Philipps Augen gar keine so schlechte Idee.


Das mit ihrem Besitzer tut mir Leid“, murmelte Holger und warf, nachdem Philipp die Box wieder öffnete, seinen Blick auf die obdachlosen Häschen, die sich bestimmt ein warmes und liebes zu Hause wünschten.
Sein Blick wanderte wieder zu Philipp, der July auf dem Arm hatte und dieser sich förmlich an ihn klammerte. Der Transport war einfach neu für ihn und das in ungewohnter Umgebung. Holger wollte den beiden das Tierheim nicht zumuten und wenn er ehrlich war, würde er das auch gar nicht erst übers Herz bringen. Holger schmunzelte über den grimmigen Blick des weißen Hasen. Da war wohl wieder gehörig Eifersucht im Spiel. „Ich mag die beiden ja auch“, war er ehrlich, was aber nicht gleichbedeutend mit dem Wunsch war, dass er sie adoptieren wollte. Er war doch wahrscheinlich irgendwann wieder viel auf Reisen mit dem FC Bayern. Wie sollte das denn dann werden? Dennoch fand er es süß, wie Philipp an ihn dachte. Er machte ihm ja damit auch irgendwie eine Freude, nur kam das alles so unerwartet. „Wieso nimmst du sie denn eigentlich nicht? Ihr habt ein riesiges Anwesen am Tegernsee... da hätten sie auch einen Garten zum Hoppeln.“ Er nahm das weiße Kaninchen vorsichtig heraus und versuchte es mit Streicheleinheiten zu besänftigen. Er kam nicht umher zu lächeln. „Okay, die beiden können bleiben.“


Sie würden doch verhungern am Tegernsee, so oft bin ich ja nicht da“, schmunzelte Philipp und bemerkte sehr wohl, dass Holger Interesse an den Hasen zeigte. Wie er den weißen so sanft streichelte, war schon niedlich. Und als er dann noch sagte, sie könnten bleiben, war ihm klar, dass er es wirklich so meinte.


Das war natürlich ein Argument. „Und warum nicht allgemein zu dir? Julian hätte sich sicher auch gefreut“, merkte er an. Oder dachte er da wirklich ausschließlich an ihn, damit auch er immer in netter Gesellschaft war? Vorstellen konnte sich Holger das wirklich gut, dass das Philipps Denkweise zu dem Ganzen war.


Julian ist noch zu klein dafür, finde ich. Außerdem will ich nicht einfach so zwei Hasen mitbringen, um die sich dann fast eh nur seine Mutter kümmern würde. Außerdem darf ich doch auch mal an dich denken, oder ist das nicht erwünscht?“ Philipp zwinkerte ihm zu. Als wollte Holger nicht, dass er ihm etwas Gutes tat. Dabei hatte er doch genau das bitter nötig.


Dass er auch an ihn denken durfte, stand außer Frage. Holger erfüllte so etwas immer mit Zufriedenheit und er war glücklich über den Besuch. Und über die Hasen, auch wenn es ihn anfangs doch sehr überraschte.


Philipp ging auf ihn zu und neugierig beschnupperte July Milly auf seinem Arm. Das war aber gerade egal. Er beugte sich hoch und gab ihm einen leichten Kuss. „Ich wusste doch, dass ich dir damit eine Freude machen kann“, schmunzelte er dann.


Auf die Hasen konnte Holger sich wegen des Kusses erstmal nicht konzentrieren und war nur darum bemüht das weiße Häschen festzuhalten. Erst als Philipps Gesicht sich etwas entfernte, warf er lächelnd den Blick nach unten. July schleckte über Millys Stirn, versuchte sie anscheinend auch wieder zu besserer Laune bewegen zu wollen.


Philipp musste zugeben, dass er die beiden Hasen mochte. Es war wirklich putzig, wie sie sich gegenseitig das Fell säuberten. Vor allem der braune schien großes Interesse daran zu haben den weißen wieder reinzukriegen. Er fragte sich, ob die beiden wohl so was wie eine Beziehung hatten. Immerhin waren sie Männchen und Weibchen. Oder war das ausgeschlossen?

Übrigens… du meintest damals doch, dass die beiden uns ähnlich sind. Du weißt schon, dass du dann das Weibchen von uns beiden bist.“ Jetzt grinste Philipp breit. Was Holger wohl dazu sagen würde? Philipp hatte damals auch gar nicht daran gedacht, dass das weiße Häschen ja Milly hieß und demnach nun mal eine kleine zickige Hasendame war.


Holger errötete leicht. Das Weibchen war er ja irgendwie auch in ihrer gemeinsamen Nacht, wenn man es so betrachtete. Aber es war seltsam, immerhin war er sich ja seiner Männlichkeit bewusst. Das Grinsen des Älteren konnte er aber nur erwidern. Recht hatte er. Wie oft Holger Philipp schon angezickt hatte, würde zu ihm der weibliche Part besser passen.
„Wenn ich von dir weiterhin so lieb behandelt werde, wie July Milly behandelt, bin ich das gerne“, entgegnete er. „Aber lass uns die beiden mal wieder in die Box setzen und den Käfig holen.“


Philipp lachte leicht über die Aussage. „Das kriegen wir später hin“, versicherte er und setzte July zurück in die Box. Da Holger es ihm gleich tat, konnten sie direkt runter zum Auto gehen. Der Kofferraum war wirklich gut voll und der Käfig auch recht groß.
„Platz hast du ja dafür, oder?“, grinste er dann und suchte Holgers Blick. „Nimmst du das leichte? Wegen dem Knie?“ Daran dachte er auch. Nicht, dass Holger es zu sehr belastete, das wollte Philipp nun auch wieder nicht.


Zu äußern, dass er gespannt darauf war und sich freute, wie Philipp sich das nachher vorstellte, sparte er sich, setzte das Häschen zurück in die Box und verschloss sie, damit sie runter zum Auto gehen konnten.
Er staunte nicht schlecht über die Maße des Käfigs. „Ja... ja, ich denke schon“, nickte er nach kurzem Überlegen. „Wenn nicht schaffe ich platz.“ Zur Not ginge vorerst auch der Flur, obwohl es da nicht so sonderlich warm war. Philipp dachte an alles und schien ihm nicht zu viel zumuten zu wollen. Auch, wenn er der Meinung war, er hätte es noch geschafft den Käfig die Treppen hinauf zu tragen, gab er nach und schnappte sich die zwei großen Taschen mit der ganzen Verpflegung für die Tiere. „Ich hab sogar noch Karotten zu Hause. Als hätte ich es gewusst“, fiel ihm grinsend ein, schloss für Philipp den Kofferraum, da er wegen des Käfigs keine Hand mehr frei hatte.


Karotten? Sehr gut, die bekommen sie gleich“, lachte Philipp auf dem Weg nach oben. Die Tür hatten sie aufgelassen und so konnte er direkt ins Wohnzimmer durchmarschieren. Dort setzte er den Käfig ab.
„Der Platz ist perfekt, oder?“, grinsend drehte er sich um. Der Käfig stand mitten im Raum und total im Weg, aber das war ihm gerade total egal. Er wollte einfach nur dieses glückliche Lächeln in Holgers Gesicht sehen, was er so liebte.


Holger schloss die Tür und folgte Philipp dann ins Wohnzimmer. Irritiert blieb er stehen und schaute auf den Käfig, der mitten im Raum stand und als perfekter Platz betitelt wurde. Schien so, als hätten sie von perfekt eine andere Vorstellung, aber er musste das Grinsen einfach mit einem lächelnden Kopfschütteln erwidern. „Ja, total perfekt“, stimmte er zu und stellte die zwei Taschen an der Seite ab. Anschließend ließ er seinen Blick schweifen, um den wirklich perfekten Platz ausfindig zu machen. Neben einer Kommode war noch Platz, deshalb wählte er diesen aus und schob den Käfig nun dorthin. Er grinste vor sich hin und holte vom Flur die Transportbox. „Dann wollen wir den beiden mal ihr neues zu Hause präsentieren.“ Er öffnete den Decke, kniete sich zu ihnen runter und setzte erst Milly, dann July in den geöffneten Stall. Man konnte ihm ansehen, wieviel Spaß ihm das machte den Häschen ein zu Hause zu bieten.


Philipp beobachtete Holger und bekam das Lächeln selber gar nicht mehr aus dem Gesicht weg. Er könnte leugnen und Philipp würde ihm nicht glauben. Er hatte diese Hasen wirklich ins Herz geschlossen und die Überraschung hatte verdammt noch mal geklappt.
Allerdings musste Philipp auch schmunzeln. „Du solltest vielleicht erst mal Streu und alles in den Käfig legen, nachher klappt das nicht mehr ganz so gut.“ Er nahm die Sachen aus der Tasche heraus und trat zu Holger.


Holger blickte etwas verdattert auf die beiden Hasen. Ihm wurde klar, als die Krallen den kratzigen Boden berührten, da das Streu fehlte. Beschämt senkte er den Blick und nahm das Einstreu entgegen. Ein dämliches Missgeschick, aber er war so fixiert auf die beiden Kaninchen, dass jeglicher Gedanke an Einstreu, Stroh oder alles andere ihm völlig aus dem Sinn gekommen war.
„Die beiden werden mir das schon verzeihen, hoff ich“, murmelte er und widmete sich wieder den Häschen. Er verteilte großzügig Streu im ganzen Käfig und besudelte dabei sogar das Fell der Tierchen, die sich aber zu helfen wussten. Gegenseitig machten sie sich ganz schnell wieder sauber. Sie waren wirklich zu goldig und Holger wusste, dass er viel Freude an den Häschen haben würde.


Und morgen bekommst du ein Buch von mir, wie man sich vernünftig um Hasen kümmert, damit es ihnen gut geht.“ Er grinste ihn frech an. „Vielleicht kannst du dabei noch was über deine eigene Pflege lernen.“


Holger sah auf. Ein wirklich seltenes Ereignis, das ihn automatisch zum Lächeln brachte. Aber er hörte da nicht nur heraus, dass er ein Buch geschenkt bekommen würde, sondern vor allem, dass er es morgen erhalten würde. Philipp würde also morgen bei ihm sein.

Vielleicht erklären die in dem Ratgeber auch, dass Häschen ab und zu ein Schaumbad brauchen. Zu zweit“, grinste er und zwinkerte ihm zu. Philipp würde schon verstehen, dessen war er sich sicher. Währenddessen zupfte er noch Stroh und Heu aus der Packung, um es den beiden, so gut es ihm möglich war, gemütlich zu machen.


Ach, ist da etwa jemand auf den Geschmack gekommen?“, grinste Philipp und gesellte sich neben Holger, um den Häschen ein bisschen Stroh hinzuhalten, damit sie daran knabbern konnten.


Natürlich“, erwiderte Holger sofort und grinste ihn an. „Was denkst du denn?“ Wenn es nach ihm ginge, würden sie jeden Tag ein gemeinsames Bad nehmen und sich danach zusammen ins Bett kuscheln. Aber es ging nunmal nicht um ihn. Leider.


Sprachen sie jetzt vom Baden oder sprachen sie vom Sex? Philipp war sich da nicht so sicher, wenn er ehrlich war. Aber vermutlich sprachen sie doch eher vom Baden, immerhin hatte Holger das eben angesprochen.

Sie sind schon süß“, musste er zugeben, als July tatsächlich an dem Stroh knabberte. „Ich hoffe, sie machen dir nicht zu viel Ärger.“ Das wäre dann irgendwie am Ziel vorbei geschossen, immerhin sollten sie ihn aufheitern und nicht in den Wahnsinn treiben. Das tat Philipp vermutlich schon selbst zur Genüge.


July knabberte an dem Stroh, während Milly skeptisch neben dem Braunen saß. Es schien da wohl noch etwas skeptischer zu sein. Aber das würde schon werden. Die beiden mussten sich nur an die Umgebung hier gewöhnen. Aber für wie lange? Holger wusste zumindest, dass sie nicht auf ewig hier bleiben konnten. Da er alleine wohnte und hoffentlich in über einem halben Jahr wieder regelmäßig unterwegs sein würde, bräuchte er täglich jemanden, der sich um die Hasen in seiner Abwesenheit kümmerte. Doch es war jetzt nicht wichtig. Jetzt waren die beiden hier und Philipp war für seine Freude verantwortlich.
„Was meinst du?“, fragte er irritiert nach. „Sie sitzen ja eigentlich nur im Stall, brauchen Futter und frisches Wasser...“ Er wusste ja noch nicht, dass kleine Kaninchen auch echte Rabauken sein konnten. Apropos Wasser. Holger begann in der Tasche zu wühlen und nach dem Napf und der Trinkflasche zu suchen. „Ich denke July, Milly und ich werden uns gut verstehen“, war Holger der Meinung und verschwand mit samt beiden Sachen in der Küche. Den Napf spülte er nochmal gründlich aus und auch die Trinkflasche reinigte er, bevor er frisches Wasser einfüllte.


Na ja, vielleicht ärgern sie sich gegenseitig oder werden krank oder so was.“ Philipp zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, wie Hasen so nerven können.“ Aber Holger schien ja guter Dinge zu sein.


Damit komm ich schon klar“, gab er sich weiter euphorisch. „Auch, wenn ich hoffe, dass sie nicht krank werden.“
Geschickt hängte er die Flasche an den Käfig und gab etwas Futter in das Napf, das er den beiden hinein stellte. July und Milly waren etwas skeptisch, was aber auch daran liegen könnte, dass Holger sie so genau beobachtete.


Holger wirkte wirklich nicht so, als wäre er genervt von den Hasen, was sehr gut war. Viel mehr hatte er wirklich Gesellschaft und einen Zeitvertreib. Vielleicht sogar einen kleinen Kuschelersatz.
Holgers Worte waren irgendwie schön, wenn er ehrlich war. Er hörte gerne, dass der Jüngere ihn hier hatte, obwohl er es so genau wusste. Aber vor allem nach der Aktion von heute Nachmittag hörte er das gerne. Immerhin wollte er nicht, dass Holger deswegen traurig war und ihn nicht sehen wollte.

Der Kapitän machte es sich auf dem Sofa bequem und beobachtete, wie Holger sich fürsorglich um die Tiere kümmerte. Allerdings störte ihn eines irgendwie, wenn er ehrlich war. „Soll ich eigentlich dann wieder fahren? Damit ihr euch anfreunden könnt?“ Er fühlte sich nämlich tatsächlich vernachlässigt. Eine interessante Erkenntnis, aber es war normal, oder? Er liebte Holger und da war es doch nur natürlich, dass er Aufmerksamkeit von ihm wollte.


Philipps Worte brachten ihn dann dazu aufzusehen und die Stirn zu runzeln. „So ein Quatsch“, schüttelte er den Kopf. „Ich will, dass du hier bleibst.“ Holger erhob sich. Ein warmes Lächeln war auf dem markanten Gesicht erschienen, als er näher an den Älteren heran trat und sich zu ihm setzte. Die ganze Nacht war den beiden ohnehin vergönnt, also sollte Philipp wenigstens jetzt noch bei ihm bleiben. „Außerdem wolltest du mich doch auch verwöhnen, wie July das mit Milly macht“, erinnerte er ihn, rutschte näher an Philipps und legte eine Hand an seine Wange, während er die andere küsste. Das Debakel mit Claudia am Nachmittag war vergessen.


Das Lächeln erwiderte er, als Holger zu ihm kam. Recht hatte er zudem auch noch. Er wollte ihn verwöhnen, allerdings war es in diesem Fall Holger, der ihn durch die sanfte Berührung und den Kuss verwöhnte. „Andersrum ist aber auch schön“, gab er murmelnd zu und schloss die Augen, um es zu genießen. Nie hätte er es sich erträumen lassen, dass er es so genoss von Holger angefasst zu werden. Und jetzt gab es in diesem Moment nichts Schöneres.



~*~



Holger hatte sich wirklich gut arrangiert mit seinen süßen Gästen.
Abends, immer wenn er allein war, kuschelte er mit den beiden und spielte mit ihnen. Zwar hatte er gesagt, er würde die Kaninchen nicht für immer nehmen, aber als Philipp ankündigte, er würde sie auf einen Bauernhof bringen, verbot es Holger. Dann sollten sie lieber bei ihm bleiben, als als potentielle Schlachthasen zu enden.


„Und die hat dir wirklich Philipp gebracht?“, hinterfragte Helga und bestaunte diese zwei fabelhaften Geschöpfte, die neugierig ihre Köpfe anhoben, um sich ebenfalls ein Bild von dem Gast zu machen.


„Er wusste halt nicht wohin. Und nein sagen konnte ich nicht.“


„Das hätte ich auch nicht gekonnt. Die sind richtig goldig“, fand Holgers Mutter. „Ich hätte dir ja fast nicht geglaubt, als du am Telefon davon erzählt hast.“


„Ist das so unwahrscheinlich, dass ich Kaninchen bei mir aufnehme?“, schmunzelte er und beobachtete seine Mutter, wie sie die Hasen vergnügt anlächelte. Sie beschnupperten sie auch sofort, als sie eine Hand in den Käfig hielt und sie streichelte.


Helga ging nicht auf die Frage ihres Sohnes ein und lächelte nur. „Die beiden würden mir auch gefallen.“


Auf Holgers Gesicht legte sich ein breites Grinsen. Das war ohnehin die optimale Lösung, denn ein Geschenk für seine Mutter hatte er immer noch nicht gefunden, also würde sie July und Milly zum Geburtstag bekommen. In seinem Elternhaus gab es auch einen großen Garten, in dem sie herum hoppeln konnten. Er beschloss zusätzlich ein großes Freigehege zu kaufen, damit sie die Sommertage noch genießen konnten. Das klang nach einem sehr guten Plan. Und so konnte er die beiden auch immer noch besuchen.


„Wollen wir hier essen?“, schlug Holger vor. „Du kannst dich von den beiden ja doch nicht trennen.“


„Hm“, Helga überlegte und drehte sich zu ihrem Sohn. „Ja, essen wir heute mal im Wohnzimmer.“


Holger deckte den Tisch, während Helga Milly auf dem Schoß hatte und gemächlich über das weiche Fell strich. „Kommt Philipp eigentlich noch oft vorbei? Oder jetzt eher Basti?“


„Beide eigentlich. Philipp etwas öfters“, zuckte er mit den Schultern. „Auch wegen den Hasen.“


„Und sonst?“


„Was sonst?“


„Ach Holger“, lachte sie leicht. „Aber du hast schon recht. Genieße dein Junggesellenleben ruhig noch.“


Holger errötete, was die aufmerksame Mutter sofort entdeckte. „Oder gibt es da jemanden?“


„Nein... das hättest du schon aus den Medien erfahren“, winkte er ab.


„Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht“, hielt sie dagegen.


„Wirklich Mama. Es gibt keine Frau in meinem Leben“, versicherte er und log damit nicht einmal. Es gab nur Philipp und das würde er seiner Mutter sicher nicht erzählen.




Zwischen Philipp und Claudia lief es auch schon mal besser. Sie tat sich weiterhin schwer damit zu akzeptieren, dass Holger auch eine feste Rolle bei ihrem Mann spielte. Das alles hielt Philipp aber nicht davon ab, regelmäßig zu ihm fahren. Allerdings war er an diesem Abend ausnahmsweise mal nicht der einzige.


„Seit wann triffst du dich eigentlich zum Zocken? Ich kenne sonst nur Doppelkopf von dir.“ Mit verschränkten Armen stand Claudia an der Wand und beobachtete Philipp dabei, wie er sich die Schuhe band.


Na ja, Basti und die anderen haben mich halt gefragt“, er zuckte mit den Schultern. „Nur, weil ich es nicht oft mache, heißt das nicht, dass ich nicht auch Spaß daran habe.“ Er trat zu ihr und strich ihr eine Strähne hinter das Ohr, was sie lächeln ließ. In Momenten wie diesen war Claudia sogar manchmal um Normalität bemüht. Sie beugte sich vor und küsste ihn sanft.


Viel Spaß“, wisperte sie und schaute ihm intensiv in die Augen. „Vielleicht macht ihr ja nicht ganz so lange…“ Ihre Hand fuhr über seine Brust und er wusste, worauf sie hinaus wollte. Den letzten Sex hatte er mit Holger gehabt...


Mal schauen“, gab er zurück, rang sich ein Lächeln ab und verschwand dann.


Im Auto blieb er erst mal kurz sitzen. Es war schwer. Er liebte seine Frau, aber er hasste sie auch dafür, wie sie mit Holger rumsprang, wobei er es ihr nicht verübeln konnte. Er verstand die Eifersucht ja und trotzdem… er seufzte und startete den Motor. Wenn er ehrlich war, hätte er schon mal wieder Lust auf Sex mit ihr. Aber ausgerechnet, wenn er vorher bei Holger war? Immerhin war erst Treffen um acht mit den anderen und er tauchte absichtlich schon eine Stunde eher auf, damit sie noch ein paar Minuten alleine hatten.



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Kommentare: 1
  • #1

    Engel (Montag, 26 Oktober 2015 08:24)

    Hey :)
    Finde ich gut, dass die Hasen bald wieder weg sind. Solche Tiere kann man nicht in einem Haus halten. Die stinken und gehören nach draußen.
    Holgers Mutter hat vielleicht schon den richtigen Riecher ;) Oder war das ein Zufall. Ich bleibe gespannt.
    Philipp leistet sich ja schöne Gedankengänge. Lust auf Sex mit seiner Frau hätte er schon mal wieder. Er benimmt er sich wirklich mies.
    Irgendwann wird er sich der schweren Entscheidung stellen müssen. Sonst verliert er beide. Wobei Holger ihm wohl viel mehr verzeihen würde als Claudia, die allerdings Julian als Druckmittel hat.
    Ich bin gespannt wie er sich da raus manövriert ;)