Kapitel 102 – Von Null auf Sehnsucht



Schnell war sein Zimmer erreicht. Holger wollte fluchen und schreien. Mario haute tatsächlich ab und ließ ihn hier in diesem Chaos alleine. Wie sollte das denn noch werden? Zu seiner Überraschung war es im Zimmer nicht einmal viel wärmer, was aus diesem einstigen Vorwand sogar die Wahrheit machte. Leise schloss er die Tür hinter sich und ging zum Schrank. Er wollte sich lediglich eine Jacke drüber ziehen und sich ausruhen von den Anstrengungen des Tages. Das konnte er besser, wenn Philipp nicht anwesend war. Normalerweise würde der noch eine Weile unten sitzen bleiben.
Die Gedanken voller Erinnerungen nahm er die adidas Jacke mit den eisblauen Streifen heraus, um sich diese überzuziehen, doch es fiel etwas wie eine Feder zu Boden und blieb auf seinen Schuhen liegen. Holger hatte die Jacke in seinen Händen ausgebreitet und schaute entgeistert nach unten. War das Philipps Shirt? War das etwa in der Jacke? Seit wann denn das? Mit gerunzelter Stirn bückte er sich und hob es auf. Es war ihm vertraut. Oft hatte er es in der Nacht an sich gedrückt, als Ersatz für Philipp. Ob ihm klar geworden war, dass er das Shirt brauchte? Dass es ihm auch irgendwie half, wenn er etwas von ihm hatte? Ein anderer Grund erschloss sich für den Innenverteidiger nicht. Gedankenverloren legte er die Jacke zurück in den Schrank und entschied sich für die wärme Variante. Einen Pullover. Speziell einen grauen Pullover mit der Aufschrift Vail. Holger zog den Pullover an und löschte dann das helle Deckenlicht, damit der Raum nur durch die sanfte Helligkeit der Nachttischlampe erleuchtet wurde. Er mochte dieses Kleidungsstück unglaublich gerne und er spendete auch angenehme Wärme. Aber ob das nur an dem warmen Innenfutter des Pullovers lag? Dennoch erinnerte ihn dieses Kleidungsstück auch an eine andere Zeit, in der es noch nicht so vollkommen verquer lief zwischen ihnen. Da war er es gewesen, der ihn abwies und jetzt war es Philipp. Ob er sich ihm nie hätte öffnen sollen? Wie wäre es dann geworden? Hätte Philipp irgendwann aufgegeben? Mit all diesen Fragen legte er sich aufs Bett auf Philipps Seite. Nur um ein wenig zu dösen, danach würde er wieder aufs Sofa wechseln.
Das Shirt festumschlungen schnappte er sich eine Wolldecke, von denen zwei am Bettende lagen und legte sie sich über. Jetzt war es wirklich kuschelig warm. Eigentlich wäre es ein toller Moment, gäbe es da nur nicht die Realität, die Holger so schwer zusetzte. Die Wirklichkeit, in der er Philipps Lippen nie berühren durfte. Er konnte ihm nicht einmal mehr nahe sein. Und seine größte Leidenschaft, um sich von allen Sorgen zu befreien, konnte er auf unbestimmte Zeit dank seines Kreuzbandrisses nicht ausüben. „Warum kannst du mich nicht einfach auch lieben?“, nuschelte er in das Shirt, auf dem sein Kopf lag. Unbemerkt traten Tränen in seine Augen und fielen wie Glitzerperlen von seinen Wangen... Mit einer Hand zupfte der Innenverteidiger hilflos am Ärmel und versuchte sich an einem Lächeln. Doch es war von Schmerz und Enttäuschung geprägt. Philipp wollte doch, dass er lächelte, so gefiel er ihm besser und so wollte der Kapitän ihn sehen. Lächelnd und froh und nicht anders. Aber musste er ihm denn noch gefallen? Jetzt, wo er seine Nähe nicht einmal mehr ertragen konnte, konnte es ihm egal sein, ob sein Gesicht ein Lächeln zierte oder nicht. Ob er glücklich war oder nicht.
Er sollte die Hoffnung endlich aufgeben, dass es je wieder besser werden könnte. Dass der Kapitän jemals Gefühle für ihn entwickeln konnte. Er würde nur weiter leiden, wenn er vergeblich darauf wartete. Nur, war das Vorhaben nicht das leichteste.
Seine Finger zupften langsamer, träger, bis sie letztlich komplett stillstanden und auf dem Stoff des Shirts ruhten. Die Wärme, der Schutz der Decke und Philipps Oberteil bei sich strahlten so eine Ruhe für den Blonden aus, dass er die Augen schloss. Dabei perlten neue Tränen aus seinen Augen und zogen eine nasse Spur über in seinem Gesicht. Aus anfänglichen Dösen und Ausruhen wurde ein ruhiger Schlaf. Seine Träume drehten sich auch dieses mal nur um den kleinen Kapitän, der ihm so den Kopf verdreht hatte.


Sein Herz klopfte laut in seiner Brust. Philipp war nervös und aufgeregt und wusste nicht warum. Das war gerade ganz komisch. Es war auch Angst dabei. Angst vor der Reaktion, dass er auftauchte. Oder?
Vor der Zimmertür blieb er stehen, legte die Hand an die Klinke, aber rührte sich erst mal nicht. Er starrte auf das Holz vor sich. Sein Atem ging etwas schwerer. Wo war das Problem? Und warum hatte er plötzlich so ein flaues Gefühl im Magen? Wieso spielte sein Körper mit einem Mal so verrückt?
Philipp schluckte schwer und atmete tief durch, ehe er die Klinke nach unten drückte. „Holger?“, zögerlich schob er die Tür auf, sah direkt, dass ihm kein Licht entgegen schien. Es war recht dunkel im Raum. Bloß die Nachttischlampe war an, weswegen Philipp sofort erkannte, dass Holger im Bett lag. Auf seiner Seite.
So leise wie möglich schloss er die Tür und trat näher zum Bett. Holger hatte die Augen geschlossen, aber seine Wangen glitzerten ganz leicht. Er hatte geweint…

Holger“, hauchte Philipp fast tonlos und ging neben dem Bett in die Hocke, ehe er sich hinkniete.

Nicht einmal nahm er den Blick von Holger. Er starrte sich regelrecht an ihm fest. Erst als er den Blick etwas schweifen ließ, bemerkte er das Shirt und den Vail-Pullover. Ihm traten Tränen in die Augen. Das hatte er doch alles nicht gewollt. Er hatte Holger doch nie so verletzen wollen. Er wollte doch bloß, dass es ihm gut ging, dass er Lächeln konnte und dass er kämpfte. Er wollte ihn glücklich wissen.
Philipps Blick blieb bei seinen Lippen hängen. Automatisch dachte er an die Küsse zurück und fuhr sich unbewusst über die eigenen Lippen. Er dachte auch an Vail und entdeckte eine Gemeinsamkeit. Damals hatte er hin und wieder das Verlangen gehabt ihm einen Kuss zu geben. Er hatte seine Haare, seine Stirn und seine Wange geküsst. Die Lippen nicht, auch, wenn ihm danach gewesen wäre. Damals hatte er das nicht verstanden. Jetzt verstand er es. Wenn er sich Holger so anguckte, dann wusste er es doch genau. Und irgendwie ergab plötzlich alles einen Sinn. Dieses Gefühl, was Philipp nie hatte deuten können. Oder einfach auch nie wollte. Das Gefühl, was sich in seinem Inneren wie in einer Truhe verschanzt hatte und die er nicht hatte öffnen wollen. Sie war auf. Und jetzt verstand er auch, warum er Angst gehabt hatte. Er hatte Angst gehabt seine Gefühle zu zulassen. Seine Gefühle für Holger. Gefühle, vor denen er zunehmend Angst bekommen hatte, je stärker sie wurden.
Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen, als er die Hand hob und sanft durch seine weichen Haare fuhr. Er konnte nicht sagen, ob es Liebe war, die da in ihm geschlummert hatte, aber es ging definitiv in diese Richtung.

Ich war so blind“, hauchte er leise, kam sich gerade regelrecht erleuchtet vor.

Warum hatte er sich vor den diesen Gefühlen verschlossen? Hatte er Angst vor den Konsequenzen gehabt? Wegen seiner Familie? Oder allgemein? Aber war das nicht egal. Jetzt in diesem Moment sollte es egal sein. Er hatte verstanden, dass er etwas für Holger empfand, was weit über eine Freundschaft hinaus ging und nur darum ging es jetzt.
Ganz vorsichtig beugte er sich vor. Sein Herz hörte er mit einem Mal wieder lauter in seiner Brust schlagen. Nervosität und Aufregung mischten sich wieder in seinem Körper und tanzten mit den Schmetterlingen in seinem Bauch, die das Öffnen dieser imaginären Kiste freigesetzt hatte.
Aber das alles hinderte ihn nicht daran ganz sanft seine Lippen auf Holgers Wange zu legen. Er wollte die Spur der Tränen wegküssen, fast als hoffte er damit auch die Trauer wegzuküssen.


Holger bekam nicht mit, dass jemand ins Zimmer gekommen war. Auch nicht, dass sich jemand vor ihm zu Boden kniete und ihn beobachtete. Auf den warmen Atem, der seine Wange urplötzlich streifte, reagierte er nicht. Dafür war sein Schlaf zu tief, als dass ihn diese Berührung in den Wachzustand gleiten lassen konnte. Erst das warme Gefühl, ausgehend von seiner Wange, ließen seine Augenlider zucken. Intuitiv schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht, glaubte er träumte, doch die Wärme ließ an dieser Stelle an seinem Gesicht, die von Enttäuschung gezeichnet war, nicht nach. Sie fühlte sich sogar intensiver an, als vorher.

Skeptisch öffnete er seine Augen, konnte sich im ersten Augenblick gar nicht orientieren, denn sein Blick fiel erst auf die kleine Nachttischlampe, dann auf das Gesicht, das sich langsam wieder entfernte. Holger verstand es nicht. Es waren doch Philipps Lippen, die sich auf seine Wange legten, oder täuschte er sich?


Langsam wurde Holger wach und schien nicht ganz zu wissen, was hier los war. Philipp konnte es verstehen und sagte erst mal nichts, ließ ihn erst mal alles realisieren. Allerdings hatte er einen Wunsch.


In Versuchung sich müde über die Augen zu reiben, richtete Holger seinen Oberkörper auf und sah sich verwirrt um. In seinem Blickfeld tauchte automatisch die Couch auf, auf der er nächtigen wollte. „Tut mir Leid...“, murmelte er, dachte sich konsequent, dass es sich ausschließlich um einen Traum handelte. Philipp würde ihn nicht mehr küssen. Auch, wenn es nur ein Wangenkuss war, würde er wissen, dass das unsensibel wäre ihm wieder Hoffnungen zu machen.


Philipp wollte in die warmen, blauen Augen des Innenverteidigers schauen, aber dieser Blick blieb ihm verwehrt. Holger schaute sich um, entschuldigte sich sogar… aber wofür? Er verstand es nicht, fragte aber nicht nach, wartete ab. Wieso wusste Philipp selber nicht. Vielleicht wartete er auf diesen Moment, wenn sich ihre Blicke trafen. Ob Holger wohl in seinen Augen sehen konnte, was Philipp fühlte?


Beschämt stellte Holger bei einem Blick nach unten fest, dass er das Shirt wieder bei sich hatte. Mit leicht geröteten Wangen knüllte er es zusammen und versteckte es halbwegs unter seiner aufgestützten Hand. Philipp musste sich jetzt sonst was über ihn denken, weswegen er es auch nicht wagte ihn anzusehen. Doch im Nachhinein hätte er es tun sollen, denn dann wäre ihm aufgefallen, dass sich dessen Blick veränderte. Dass er noch liebevoller wirkte, als in Vail...


Zu diesem Aufeinandertreffen der beiden Augenpaare kam es vorerst nicht. Holgers Tat lenkte ihn ab. Schämte er sich wegen dem T-Shirt? Das musste er doch nicht. Immerhin hatte Philipp es ihm freiwillig wieder gegeben. Er würde es ihm auch nicht mehr wegnehmen. Nie wieder.


„Ich geh schon aufs Sofa“, flüsterte er, rutschte ein Stück an die Bettkante und wollte gerade seine Beine auf den Boden stellen. Anscheinend fand sein Herz es auch besser, direkt wieder schneller zu schlagen. Und das nur, weil Philipp so dicht vor ihm kniete. Warum überhaupt? Warum mied er ihn denn nicht mehr und scheuchte ihn nicht auch noch aus dem Bett? Er hätte auch ohne jeden Kontakt aufs Sofa auswandern können.


Philipp schwieg, was für den Blonden das Zeichen dafür war, dass er sich aufs Sofa zu verziehen hatte. Wieso musste er nur schon wieder leichte Hoffnungen in sich aufkommen lassen, dass er irgendetwas anderes machte? Ihn nicht zurückwies? Es würde doch nur Wunschdenken bleiben. Eine alberne Traumvorstellung, in der Philipps Gefühle über Freundschaft hinausgingen.


Der Jüngere machte tatsächlich Anstalten aufzustehen, aber Philipp richtete sich auf und legte eine Hand auf seine Brust, drückte bestimmt dagegen und stand dann sogar auf, um mehr Kraft auf ihn ausüben zu können. Er sollte ja nicht vor ihm fliehen.


Holger schlug die Decke nach hinten, doch er zuckte zusammen und hielt inne. Sein Blick folgte der Hand, die plötzlich gegen seine Brust drückte und ihn am Aufstehen hinderte. Er traute sich in dem Moment nicht aufzusehen, weil er es nicht verstand, was Philipp jetzt von ihm wollte.


Die andere Hand fand den Weg an seine Wange. Philipp dirigierte seinen Kopf nach oben, damit Holger ihn endlich ansah. War das denn so schwer? Er wollte ihn doch nur sehen. Aus diesen Augen angucken, die endlich zeigten, dass er sich selbst verstanden hatte.


Zusehends verkrampfte sich Holger, als er seine warme Hand auf der Wange spürte, die ihn dazu brauchte aufzusehen. Es war ein guter Zwang, der von Sanftmut geprägt war. Unwillkürlich schmiegte sich der Innenverteidiger der Hand entgegen, während seine Augen sich auf Philipps richteten und seinen Blick lesen zu können. Er war anders... definitiv. So als würde er ihn plötzlich mit anderen Augen sehen. Es war für Holger so unrealistisch, dass er jetzt doch seine Nähe suchte, aber er genoss es. Egal, wie sehr er dagegen rebellierte, dass Philipp je etwas für ihn empfinden konnte, blockte er die Berührungen nicht ab.


Traurig, aber irgendwie auch glücklich lächelte Philipp ihn an, schüttelte dann den Kopf. „Nein, geh nicht, Holger.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Hauchen. Er versank in seinen warmen Meeren und selbst wenn er es nicht gewollt hätte, hätte er nicht anders handeln können.


Holgers Mimik verformte sich fragend. Ihm lag die Frage, warum er nicht gehen sollte, auf der Zunge, aber er konnte nichts sagen. Sein Herz, das ihm bis zum Halse schlug, schnürte ihm die Luft ab. Aber es war besser so, es hätte Philipp von einer anderen Tat abgehalten.


Langsam beugte Philipp sich herunter und küsste dieses Mal einfach die weichen Lippen des Innenverteidigers.


Nie um alles in der Welt hätte Holger damit gerechnet; es sich gewünscht und vorgestellt täglich, aber dass es der Wirklichkeit entsprach, dass Philipp Lahm je seine Lippen von sich aus kosten wollte, erschien ihm unfassbar. Da es ihn auch schockierte, dass er in die Offensive ging, hatte Holger die Augen geweitet und betrachtete den Kapitän. Warum das alles? Warum jetzt? Warum nicht schon Tage vorher? Dass Philipp stand und er saß, schüchterte ihn nicht ein. Er hatte gelernt, damit umzugehen. Dass der Kapitän ganz oben war und sich, wenn man die körperliche Größe außer Acht ließ, zu dem kleinen Holger hinunter beugen musste. Es war gut und genau richtig so.
Der Kuss war ebenso sanft, wie die Berührung an der Wange. Sanft, aber doch intensiv. Genießerisch schloss Holger die Augen, spürte, dass er sich nicht mehr ganz so verkrampfte.

Holger erwiderte den Kuss, doch in diesem Moment, entfleuchte ihm ein Schluchzen. Vor Glück. Und vor Erleichterung. Er hatte sich so furchtbar ohne Philipps Zuneigung gefühlt.


Philipp hatte die Augen geschlossen und wartete auf Erwiderung. Diese kam auch. Ganz sanft reagierte Holger auf den Kuss und Philipp wollte schon Lächeln, als ein Schluchzen an seine Ohren drang. Aber… warum denn? Warum schluchzte Holger?

Er würde es ihn fragen. Gleich. Erst wollte er den Kuss noch etwas genießen. Oder genoss Holger ihn in Wahrheit gar nicht? Aber warum sollte er das nicht? Das war es doch was er wollte, oder?


Holgers freie Hand, die sich nicht an das Shirt krallte, bewegte sich zaghaft zu Philipp und legte sich hauchzart an dessen Seite. Eine kaum wahrnehmbare Berührung, so als hätte er Angst, der Kapitän könnte zerbrechen. Sein Traum könnte doch wieder in tausend Scherben fallen.


Nur ganz leicht spürte Philipp Holgers Hand an seiner Seite, löste daraufhin den Kuss und suchte die blauen Augen mit seinen.


Philipp zog sein Gesicht zurück, als er ihn berührte. War das falsch? Zu aufdringlich? Er bekam Angst, dass es nun doch schon zu viel war. Dass es alles war, dass er ihn gegeben hatte und es sich nur um einen Test handelte, ob der Kuss ihm gut tun würde.


„Alles okay?“, fragte er flüsternd, setzte sich neben ihn. Nahm die Hand aber nicht von seiner Wange, strich sogar sanft darüber und sah ihm unsicher entgegen. Was, wenn Holger nicht mehr wollte? Wenn er zu spät verstanden hatte? Oder dachte der Innenverteidiger womöglich er würde ihn nur verarschen wollen? Nein, das könnte er nie. Selbst ohne die Erkenntnis, die ihn eben ereilt hatte, hätte er ihn nie absichtlich hinters Licht geführt, um ihn noch mehr zu verletzen. Das musste Holger doch auch wissen. Oder nicht? Aber warum dann das Schluchzen? Philipp verstand es nicht.


Der Kapitän gab seine stehende Haltung auf, setzte sich neben ihn, weswegen Holgers Blick prompt auf ihre Beine fiel. Sie saßen nicht sehr eng, aber doch dicht beisammen. Man musste den Innenverteidiger nicht fragen, man konnte es ihm ansehen, wie schön das für ihn war.
Holger drehte den Kopf leicht und sah ihn aus sehnsüchtigen Augen an, während er durch dieses zärtliche Streicheln an Vail zurückdachte. Eindeutig. Die Berührungen lösten noch genau das selbe warme Empfinden aus, wie vor wenigen Wochen. „Ja..., alles okay.“ Er nickte zaghaft und lächelte Bestimmt bezog Philipp es auf das Schluchzen, das ihm aus Versehen über die Lippen kam. „Ich bin nur irgendwie erleichtert“, gestand er leise. Sparte sich die Worte, dass er total fertig war in der letzten Zeit. Philipp sollte die Hand nie wieder von seiner Wange nehmen. Niemals wieder...


Philipp lächelte sanft und nickte. Er verstand, dass Holger erleichtert war. In gewisser Weise war er es selber ja auch. Diese Situation zwischen ihnen, die sie beiden so belastet hatte, hatte ja jetzt ein Ende. Hatte sie doch, oder? Er ging davon aus und war dementsprechend erleichtert. Endlich ging es Holger besser, endlich hatte auch Philipp den Kopf wieder frei. Zumindest musste er sich nicht mehr so große Sorgen um den Jüngeren machen und sich mit Schuldgefühlen überhäufen.


Holgers Gedanken rasten unwillkürlich. Er wollte natürlich wissen, was Philipp da geritten hatte ihn zu küssen und wie er es fertig brachte ihm jetzt wieder nahe zu sein. Aber nicht ein Wort verließ seinen Mund, viel zu sehr fürchtete er sich vor der Antwort, es hätte nichts zu bedeuten. Aber er wollte es eben trotzdem wissen. Angst hin oder her. Allerdings kostete es eine Menge Überwindung und endete in einem Gestammel. „Ich hätte nicht damit gerechnet... also, dass du mich,... ähm gleich hochkommst und... ich bin überrascht und weiß nicht, was ich sagen soll...“ Entschuldigend lächelte er, ehe er den Blick senkte und lieber die minimale, kaum vorhandene Distanz ihrer Oberschenkel begutachtete.


Die weiteren Worte Holgers holten ihn aus seinen Gedanken. Wenn er so darüber nachdachte, hätte er mit so etwas rechnen können. Wie sollte Holger auch wissen, was das sollte? Er verstand es ja selber kaum, warum ihn ausgerechnet jetzt diese Erkenntnis ereilt hatte.


In Erinnerung rufend, dass er vorhin noch geweint hatte, wollte sich Holger mit dem Ärmel über die freie Wange streichen. Philipp musste seine Tränen nicht sehen. Er würde sich nur schlecht fühlen.


Als Holger über seine Wange fuhr, hob Philipp seine freie Hand und hielt ihn davon ab. Lächelte ihn an und strich dann selber noch mal über die weiche und noch etwas feuchte Haut von Holger.


Perplex sah Holger ihn an, als er ihn davon abhielt sich die Tränen wegzuschieben. Stattdessen wischte er über seine Wange, beseitige die Spuren der Traurigkeit. Er wollte was sagen, wollte so viel erzählen, erklären, aber er konnte nichts. Denn alles was sich auf seinem Gesicht bildete, war ein seliges Lächeln, als er das Gesicht des Kapitäns so nahe bewundern durfte.


Ich kann mir vorstellen, dass du überrascht bist“, fing er an, suchte seinen Blick, verlor das Lächeln dabei nicht aus seinem Gesicht. „Und du musst auch gar nichts sagen… weißt du, ich hätte doch selber nie damit gerechnet… ich wollte eigentlich hochkommen und nach dir sehen. Ich weiß doch, wie sehr dich das alles belastet hat und dann geht Mario auch noch. Aber als ich reinkam und dich hier so liegen sah, da wurde es mir klar. Ich konnte deine Nähe nicht ertragen, weil ich Angst hatte. Angst vor den Gefühlen, die ich nicht zulassen konnte.“


Holger beobachtete seine Lippen genau, als er sprach. Es rührte ihn und zauberte ein noch glückseligeres Lächeln auf sein Gesicht. Es wurde schöner und schöner bei ihm zu sein. Von Moment zu Moment fühlte er sich direkt wohler. All seine schlechten Gefühle wurden durch diesen Kuss, die Sorge, die er immer um ihn hatte und seine Anwesenheit bekämpft.


Philipp beugte sich vor, berührte federleicht Holgers Lippen. Die nächsten Worte waren nur ein Hauchen. „Gefühle, die ich für dich habe.“


Holger wusste im nächsten Augenblick nicht mehr, ob er nur träumte oder ob es noch der Realität entsprechen konnte. Philipp hegte auch Gefühle für ihn... schon länger, aber er hatte sie unterdrückt. Also bedeuteten ihm die Küsse auch viel, nur konnte er es damals einfach nicht deuten. Er küsste ihn noch ein weiteres Mal. Ein intensiveres Gefühl begleitete ihn.

Ich hab mir das schon lange gewünscht“, flüsterte er, berührte beim Sprechen ganz leicht die Lippen des Älteren, während er in diesem Himmel an Grün-grau versank. „So sehr gewünscht“, fügte er ebenso leise hinzu und legte seine ganzen Gefühle in den nächsten Kuss. Ganz zaghaft bewegte er seine Lippen gegen ihn. Der Kuss war nicht fordernd, er war nur von großer Leidenschaft und Verliebtheit geprägt. Endlich ging sein Wunsch in Erfüllung. Holger war so erfreut und glücklich darüber, dass er die arme um Philipp schlang. Aber trotz allem noch vorsichtig und nicht überschwänglich. Er wollte nichts falsch machen, wollte, dass er ihn nie wieder allein ließ, obwohl das ein naiver Gedanke war. Aber jetzt zählte nur, dass er ihn spüren konnte. Seinen Körper an seinen und ihre Lippen zu einem Kuss verschmolzen. Mehr brauchte der Innenverteidiger jetzt nicht.



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Kommentare: 3
  • #1

    Julia -28 (Sonntag, 21 Dezember 2014 13:16)

    Hallo :)
    ENDLICH !!
    Philipp lässt seine Gefühle zu worauf man schon so lange gewartet hat.
    Das er Zweifel hatte ist natürlich schon klar gewesen er hat ja schließlich eine Frau und einen Sohn.
    Das Holger am Anfang des Kapitels so verzweifelt war ist auch klar gewesen.
    Er verliert mit Mario schließlich einen guten Freund der zwar nicht aus der Welt ist aber trotzdem nicht mehr in seiner Nähe ist und er ist der einzigste der von Holgers Gefühlen wusste (außer Philipp natürlich).
    Vielleicht kommt ja jetzt Basti wieder ins Spiel :)?
    Ich hoffe aber das alles was sich Holger und Philipp vorstellen in Erfüllung geht sie hatten ja nun genug Rückschläge aber wenn die beiden erstmal wieder in München sind wird das Chaos wohl wieder seinen Lauf nehmen denn Claudia wird Philipp wohl nicht einfach so aufgeben ...

    LG Julia :)

  • #2

    Peanut (Dienstag, 23 Dezember 2014 03:58)

    Ohhhhhhhhhhhhhhhhh *seufz*
    *-* *-* *-*
    Was will man da nur sagen. Nichts! Das ganze hat ein andächtiges stilles Schwelgen verdient^^
    Hoff jetzt nicht, das es nur ein viel zu schöner Traum von einem der Beiden ist.

  • #3

    Engel (Sonntag, 28 Dezember 2014 17:40)

    Oh mein Gott war das süß!!!!
    Ich bin richtig dahin geschmolzen ^^
    Vor allen hab ich gar nicht damit gerechnet, dass Philipp plötzlich Nägel mit Köpfchen macht
    Umso besser dass er es getan hat
    Jetzt bin ich richtig gespannt was danach kommt
    Im Trainingslager können sie noch in Ruhe glücklich sein
    Ich hoffe auf ein Kapitel mit gaaaanz viel liebe
    Aber danach wird sich Philipp mit der Konstellation Holger Claudia auseinander setzen müssen