Kapitel 82 - Häschenfreundschaften



Holger ließ sich nicht von diesem guten Gefühl, das er heute hatte, abbringen und sah sich um. Ein großes weißes Gebäude mit goldenen Fensterrahmen türmte sich auf. Rundherum war grün die dominierende Farbe, als sie durch eine Art Tor ins offizielle Philipp-Lahm Sommercamp schlenderten.


Mit noch mehr Freude als ohnehin schon betrat Philipp also das Gelände.
Erwartungsvoll folgte er den Kapitän, blieb aber bei einer Abzweigung stehen. Von weitem war bei dem Grundstück auch ein Weiher mit Steg und großen Steinen, die den Grund zogen, zu erkennen, aber etwas anderes zog Holgers Aufmerksamkeit auf sich. Eine Idylle, ähnlich wie ein Bauernhof mit alten Ställen und Schuppen ließ die Neugier des Blonden wachsen. Außerdem schien es dort ziemlich ruhig zu sein, während von den anderen Seiten schon Kinderstimmen und Toben zu hören waren.


„Fangen wir da an?“, fragte Holger dann und nickte in eben jene Richtung. „Es gibt ja hier auch Tiere, oder?“ Ein bisschen gegooglet, hatte Holger am Abend davor schließlich auch, um nicht komplett unvorbereitet aufzutauchen.


Er kam nicht mal dazu Holger vorzustellen, was es gab, da wählte er schon eine Richtung. Schmunzelnd blickte er auf die Uhr. „Zeit genug haben wir“, meinte er und schlug eben jenen Weg, den der Jüngere haben wollte, ein. „Hast du dich informiert?“, hakte er neugierig nach. „Es gibt zwei Hasen und zwei Meerschweinchen. Hier lernen die Kinder Verantwortung zu übernehmen“, erklärte er und deutete auf den Zaun, der vor ihnen erschien. „Da sind die Tiere tagsüber untergebracht und haben genug Auslauf.“


Freudig folgte ihm Philipp in die von ihm gewählte Richtung. Er freute sich wirklich darüber, dass der Kapitän sich da nach ihm richtete. „Ein wenig“, tat er es mit einer Handbewegung ab. Es war auch längst nicht so wichtig, wie das was Philipp ihm erzählte. Zwei Hasen und zwei Meerschweinchen also... er war gespannt auf die vier Tiere.

Allerdings sah er nur zwei Kaninchen, die Meerschweinchen schienen sich in den Häuschen versteckt zu haben.


Holger tat als wäre es nichts besonderes, aber für Philipp war es das. Er freute sich wirklich darüber. Er hatte schon Befürchtungen gehabt, dass Holger doch nicht so gerne wollte, aber anscheinend hatte er wirklich Interesse an der Stiftung.
Philipp blieb vor dem Gehege stehen und suchte die Hasen mit seinen Augen. Ein weißes und ein braunes gab es. Die Meerschweinchen, die sich in dem Häuschen versteckten waren braun und schwarz.


„Hattest du als Kind eigentlich auch Tiere?“, fragte Philipp, während er aus einer Schale neben dem Zaun ein Salatblatt nahm und versuchte eines der Häschen anzulocken.


„Ja, einen Hamster. Aber der gehörte mehr Ute“, erzählte er und erinnerte sich mit einem Lächeln an den kleinen quicklebendigen Kerl, der seine Schwester oft mitten in der Nacht wach gehalten hatte, weil er es für nötig hielt seinem Sport im Hamsterrad nachzugehen. Für Holger dagegen gab es schon von klein auf nur Fußball. Für Haustiere blieb da kaum Zeit. „Und du? Hattest du Haustiere?“


„Wir hatten einen Hund als ich kleiner war, aber der ist leider irgendwann gestorben“, erzählte Philipp. „Und meine Tante hatte eine Katze, auf die wir immer aufgepasst haben, wenn sie im Urlaub war. Ich wollte nie wirklich welche haben. Ich wollte immer Fußball spielen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber ich kann es mir gut vorstellen später einen Hund zu haben.“


Ein gutmütiges Lächeln zeichnete sich in Holgers Mimik ab. Es entstand nicht nur deshalb, weil er Philipp gerne zuhörte, sondern bezog es sich auch explizit auf etwas, was er sagte. Es hörte sich niedlich an, wenn er davon sprach, dass er einen Hund hatte, als er noch kleiner war. Wie Philipp wohl aussah, als er noch ''kleiner'' als jetzt schon war? Holger verbot es sich nachzufragen, sondern lächelte einfach vor sich hin, während er dem Kapitän weiter zu hörte und dabei die Häschen beobachtete.

Schmunzelnd verfolgte Holger Philipps Versuche weiterhin ein Häschen anzulocken, was auch langsam aber sicher klappte. Zusammen schlichen sich das braune und das weiße Kaninchen an. „Vielleicht solltest du zwei nehmen, nicht, dass sie sich nachher drum streiten“, merkte er belustigt an.


„Vermutlich hast du Recht“, nickte Philipp und nahm noch ein Salatblatt, was er ihnen hinhielt. Das braune Kaninchen legte direkt einen Zahn zu und schnappte danach, während das weiße etwas langsamer hinterher kam.


„Die darf man doch auch rausnehmen, oder?“ Holger fand die beiden wirklich zu goldig, vor allem aber das weiße, flauschige Fell fiel ihm auf und hätte gerne mal darüber gestreichelt. Vielleicht schaffte Philipp es ja den Hasen herauszunehmen.


„Willst du eins haben?“ Philipp wartete keine Antwort ab, sondern wollte das Braune greifen, was aber nach ihm schnappte. Reflexartig zog er seine Finger zurück und versuchte sein Glück bei dem weißen.


Holger nickte direkt auf die Frage hin, ob er eines halten wollte. Ihm war auch egal welches, er fand beide süß. Allerdings schien es so, als ob Philipp sein Nicken gar nicht mehr sehen konnte, sondern sich der Antwort im Klaren war und sich eines der Häschen schnappen wollte. Der braune Hase wollte anscheinend erstmal sein Salatblatt zu Ende verköstigen, bevor es sich halten ließ.

Das Lächeln intensivierte sich, als das Braune emsig nach dem Salatblatt schnappte und wieder davon hoppelte. Das Weiße hoppelte gemütlicher und skeptischer dem Futter entgegen, riss es aber mit den spitzen Zähnchen direkt an sich.


Philipp peilte deshalb das weiße Kaninchen an, das ihm missmutig entgegen starrte, als sich die Hände des Kapitäns um den kleinen Körper legten.


Zwar schaute es ihn wenig begeistert an, aber es wehrte sich immerhin nicht. Zusammen mit dem Rest Salatblatt reichte Philipp es Holger. Er lächelte den Größeren dabei an. „Es hat ganz weiches Fell.“ Ihm kam außerdem der Gedanke, dass es genauso grimmig guckte, wie Holger es manchmal tat, weswegen Philipp nicht umher kam etwas zu kichern.


Er antwortete nicht auf den Kommentar, sondern überzeugte sich selbst vom weichen Fell des weißen Hasen. Philipp hatte vollkommen Recht, sowas plüschiges hatte Holger selten angefasst. Sanft streichelte er dem Kaninchen über den Rücken, hielt ihn etwas höher und dichter an sich.
„Na, hast du auch einen Namen?“, flüsterte er dem Häschen zu, das ihn aus zwei grantigen blauen Augen fixierte.


„Es ist dir ähnlich“, grinste Philipp dann. Ob Holger ihn wohl verstehen würde? Da er den Satz gesagt hatte, nachdem er über das Fell geredet hatte, bestimmt nicht.


Erstaunt richtete Holger seinen Blick auf Philipp, ehe er schmunzelte, den Kopf wieder senkte und sich wieder dem Hasen widmete.


Mit einem Lächeln auf den Lippen besah sich Philipp, wie zärtlich Holger mit dem Häschen umging. Das war wieder einer der Momente, in denen er seine weiche Seite zeigte. Eine Seite, die Philipp gefiel. Holger war viel zu oft so grantig wie es das Häschen gerade war.


„Wegen dem weißen Fell und den blauen Augen?“, witzelte Holger dann. Oder gab es da noch mehr Gemeinsamkeiten, die Holger jetzt auf die schnelle nicht auffielen? Neugierig musterte er den Hasen und streichelte auch einmal über die zartrosa Schlappöhrchen.


„Ich wusste gar nicht, dass du schon grau wirst“, schmunzelte Philipp, schüttelte dann den Kopf. „Aber nein, ich meine den Blick. Du kannst auch so gut gelaunt gucken.“ Er grinste Holger neckend an, zwinkerte ihm zu und ging dann wieder in die Hocke.


Holger verzog lachend das Gesicht und musterte prüfend das weiße Häschen. „Jetzt, da ich es weiß, sehe ich die Ähnlichkeit“, musste er sich eingestehen, als der Blick des Hasen skeptisch auf ihm lag und auch das Mäulchen nicht wirklich auf einen freundlichen Eindruck hindeutete.

„Wegen was es wohl so grantig schaut?“, fragte er und schaute hoch, streichelte aber weiterhin das Häschen, da es fast so wirkte, als würde es jeden Moment furchtbar kratzbürstig werden. „Aber ich nehme das als Kompliment, denn der Hase ist wirklich niedlich“, grinste er gut gelaunt. „Allerdings beiße ich nicht so oft wie der Kleine.“


Der Kapitän nahm erneut ein Salatblatt, um das zweite Häschen anzulocken. Das klappte sogar. „Na ja, Holger, du hast es auf dem Arm. Vielleicht schaut es deswegen so“, überlegte er. Ganz so abwegig fand er den Gedanken nicht, aber es hatte ja bei ihm auch schon so geguckt, also war das Argument eigentlich aus dem Rennen.

Es dauerte nicht lange, da hoppelte es auf ihn zu und schnappte mit den kleinen Zähnchen nach dem Blatt. Philipp nutzte den Moment und griff es vorsichtig. Zwar zappelte es erst wie wild, aber als Philipp es sanft an sich drückte und beruhigend streichelte, wurde es ruhiger. Konnte aber auch daran liegen, dass er immer noch den Salat hatte, den er weiter mümmelte.


Holger schaute Philipp schon eine Spur empört an, als dieser zu wissen glaubte, warum das weiße Häschen so grantig schaute. Seine Theorie glaubte er auch nicht, er war sich sicher, dass der Hase es trotz allem genoss auf seinen Arm zu hocken. Es war eine willkommene Abwechslung zu dem ständigen herum Hoppeln im Gehege.

Amüsiert verfolgte er Philipps Versuche das zweite Häschen einzufangen. Erst nach ein paar Streicheleinheiten wurde das zappelnde Tier in Philipps Händen ruhiger.


Philipp schaute auf das Häschen in seinem Arm und dann zu dem, was Holger hielt, ehe er den Innenverteidiger noch mal in die Augen sah und lächelte. Wie das wohl aussehen musste. Zwei erwachsene Männer mit zwei kleinen Häschen im Arm und beide wirkten irgendwie glücklich. Zumindest schien er Philipp so.


Holger fing Philipps Blick auf und lächelte zurück. Irgendwie gefiel es ihm hier in so ruhiger Atmosphäre und den Tieren die Nähe des Kapitäns zu genießen. So völlig unscheinbar eben. So als gäbe es da keine Gefühle für den Älteren, die seine Situation verkomplizierten.


Nun sollten sie aber auch die Antwort auf Holgers eben gestellte Frage bekommen. Der weiße Hase drehte sich leicht in Holgers Arm und schaute skeptisch auf die harmonischen Braunhaarigen, die nicht weit von ihnen standen. Während das braune Häschen vollkommen friedlich das Salatblatt verspeiste, starrte der weiße Hase eifersüchtig darauf. Holger vermutete, dass der Blick dem Essen galt, aber wenn er die Gedanken des Kaninchens hätte lesen können, hätte er verstanden, dass es den Kapitän so grimmig fixierte.

„Wollen wir uns mit den beiden da hinten auf die Bank setzen?“


„Ach“, etwas überrascht sah Philipp Holger an. „Wer wollte denn eben noch das Gelände sehen? Jetzt lieber Hasen streicheln? Na, wer hätte aber auch geglaubt, dass Holger Badstuber Interesse an Häschen hat?“ Schmunzelnd setzte er sich in Bewegung zu eben jener Bank und ließ sich darauf nieder.


Grinsend folgte Holger Philipp, der überrascht aber gut gelaunt über den Vorschlag schien. „Das Gelände besichtigen, läuft uns ja nicht weg“, antwortete er. Gut, die Häschen eigentlich auch nicht, aber er fand das gerade zu schön, als dass er es wegen einer einfachen Besichtigung, die man auch auf später verschieben konnte, zu unterbrechen. Es spielte sogar ganz in Holgers Karten, wenn sie jetzt bei den Hasen blieben und er nach dem Nachmittag noch darum bitten würde das Gelände ansehen zu dürfen. So konnte er automatisch mehr Zeit mit Philipp ergaunern, sofern sich dieser noch die Zeit zusätzlich für ihn nehmen würde. Darüber wollte er sich aber jetzt nicht unbedingt Gedanken machen, da die Häschen alle Aufmerksamkeit forderten.


Als Holger auch neben ihm saß, setzte Philipp das Häschen vorsichtig auf seinen Beinen ab. Es suchte Halt und sah sich interessiert um. Letztendlich schnupperte es aber in Richtung Holger. Fast als wollte es zu dem weißen Hasen, das ruhig in Holgers Armen hockte.

„Das stimmt wohl“, stimmte Philipp zu. Sie hatten ja auch später noch alle Zeit der Welt. Wieso die Zeit gerade dann nicht in Ruhe verbringen? Das war für sie ja nun mal auch nicht normal. Leider. Viel zu oft gerieten sie in der Vergangenheit aneinander… vielleicht blieb das ja jetzt endlich mal aus. Philipp hätte nichts dagegen.


„Ich bin selber erstaunt“, gab Holger amüsiert zu und spielte mit einem Öhrchen des Kaninchens. „Aber die sind niedlich und irgendwie ist es schön so.“


„Ich seh schon, du kriegst einen Hasen zum Geburtstag“, scherzte Philipp. Das ging ja auch gar nicht. Bald würde Holger wieder mit ihnen unterwegs sein und die Hasen konnten ja schlecht ein paar Tage nichts zu fressen bekommen und Ute würde gewiss auch nicht jedes Mal nach dem Hasen gucken.


„Ein Hase wäre ein schöner Zeitvertreib. Man kann ja nicht immer an der Playstation sitzen“, grinste Holger und stellte sich vor, wie es wäre, wenn er ein Häschen zu Hause haben würde. Konnte das gut gehen? Wenn er nach seiner vierten Operation wieder täglich Reha hatte? Und sobald er wieder spielen würde, konnte er das Tier nicht immer mitnehmen. Aber alleine zu Hause lassen, ginge auch nicht. Holger schüttelte kaum merklich den Kopf, weil er gerade tatsächlich so einen Gedanken durchspielte. Als ob er sich ein Häschen anschaffen würde.


„Na, ich glaube eher, du würdest dem Hasen das Playstationspielen noch beibringen“, lachte Philipp. Das Bild dazu in seinem Kopf war zu irgendwie goldig. Vor allem wenn Holger gegen das putzige Tierchen verlieren und sich schwarz ärgern würde. Irgendwie eine niedliche Vorstellung.


Im ersten Augenblick blinzelte er irritiert, dann aber lachte er bei der Vorstellung von ihm und einen Hasen an der Playstation. Auch einen Kommentar konnte er sich nicht verkneifen. „Ich fürchte, der Hase wäre nach ein paar Wochen Training sogar besser als du, Phil.“ Auch wenn sie das Spiel nicht zu Ende spielen konnten, waren sich beide darüber im Klaren, dass der Kapitän haushoch verloren hätte. Wahrscheinlich wäre es nicht einmal zu einem Tor gekommen.


„Na danke auch“, beschwerte er sich gespielt empört, ehe er selber leicht lachen musste. „Wir müssen einfach mehr üben. Ich spiele ja nicht so oft wie du.“ War ja nun mal so. Wobei es Spaß machte. Und es würde noch mehr Spaß machen, wenn er es besser können würde. Also würde er üben. Ganz einfach.


Holger schmunzelte, als Philipp sich vornahm sich zu bessern. Ihm war schon klar, dass er das 'Na danke auch' nicht ernst meinte und seine Entrüstung nur vorspielte. Holger vermutete sogar, dass es dem Kapitän gefiel, dass er wieder mit ihm zusammen lachen konnte.
„Bis du soweit bist, stehe ich bestimmt wieder auf dem Rasen“, fügte er lächelnd hinzu und konnte selbst nicht glauben, dass er einen Witz äußerte bezüglich seiner Verletzung. Das wäre ihn vor einigen Wochen nie und nimmer gelungen.


„Soll das eine Wette werden?“, schmunzelte Philipp. Es klang zumindest nach einer Herausforderung. Aber er war sich unsicher, ob er drauf eingehen sollte, immerhin setzte er Holger so mehr oder weniger unter Druck. Na gut, vielleicht eher weniger, denn so gut war Philipp jetzt nun auch nicht an der Playstation, das musste man einfach zugeben.


„Wenn es wieder um eine Massage geht“, antwortete Holger konternd und lächelte vorfreudig. Wobei er das vorfreudig nicht so wirklich steuern konnte. Es war mehr die Freude auf Berührungen des Kapitäns... ohne Shirt. Haut auf Haut, auch wenn es sich nur um Philipps Hände handelte und nicht um seinen gesamten Körper.


„Noch eine Massage? Ich will auch mal“, beschwerte er sich schmunzelnd. Aber es gab auch schlimmere Wetteinsätze, von daher war Philipp damit ganz zufrieden.


„Ich würd mich deiner aber annehmen und mit dir üben“, bot er großzügig an. Wieder eine Gelegenheit mehr bei ihm sein zu können.


Auf das Angebot ging Philipp direkt ein, indem er eifrig nickte. „Vom großen Meister lernt man doch gerne. Aber du darfst dich dann nicht über mich lustig machen.“ Denn das würde Holger bestimmt tun, wenn Philipp wie ein verrückter und vollkommen planlos über den Rasen laufen würde mit seinen Männchen. So wie immer halt.


Holgers Lächeln wurde zu einem Grinsen. Er konnte Philipp nicht wirklich versprechen nicht ab und zu über ihn zu schmunzeln, aber eines konnte er garantieren; er würde ihn niemals böswillig deswegen auslachen. „Werd ich schon nicht. Ganz so schlecht bist du ja auch nicht“, gab er zu, was der Wahrheit entsprach. Die Grundbasis war auf jeden Fall vorhanden.


Das braune Häschen schaute zu ihm rüber, während das Weiße immer noch grimmig auf Holgers Arm hockte. Holger dachte immer noch, dass der Hase das genoss, doch als er ein brennendes Zwicken an seinem Arm spürte, schreckte er auf: „Au! Was soll das denn?“, beschwerte er sich.

Zum Glück aber weniger lautstark als auf dem Fußballfeld. Er setzte das Häschen nach der mehr als deutlichen Forderung nach Freiheit auf seinen Beinen ab, damit es auf seinen Freund zugehen konnte.


Die weitere Theorie, von der Philipp noch nicht ganz ablassen konnte, war, dass er das Häschen vielleicht im Koffer mitnehmen könnte. Seine Konzentration wurde jäh unterbrochen, als Holger aufschrie

„Hat es dich gekratzt? Oder gebissen?“, hakte Philipp nach. Das war aber jetzt nicht allzu schmerzhaft oder? Was hatte er denn gemacht, dass es zugebissen hatte?

Philipps Nachfrage beantwortete er sofort abwinkend. „Gebissen, oder eher gezwickt.“ Aber ziemlich scharfe Zähnchen hatten die Kaninchen, das musste Holger zugeben. Er fuhr einmal mit seinem Finger über die ''Bisswunde'' und stellte fest, dass es zwar noch etwas brannte, aber bestimmt schnell wieder vergehen würde. Daher war es kein Grund sich bei dem weißen Hasen zu beschweren, der aber jetzt auch nicht glücklicher wirkte, obwohl er es losgelassen hatte.

Holger besah sich die kleine Wunde, strich einmal darüber, seufzte und sah dann zu Philipp.


„Schließen Hasen wohl so was wie Freundschaften?“ Woher die Frage kam, konnte Philipp selber nicht genau sagen, aber sie kam ihm gerade in den Sinn. Irgendwie waren sie wie die zwei Häschen. Grantig und ruhig, bzw. aufgeweckt und neugierig. Passte doch irgendwie. Fand Philipp zumindest.


Sein Blick richtete sich wieder auf die Häschen. „Bestimmt. Oder glaubst du die beiden da sind nicht befreundet?“ Und wie die beiden Tiere das waren. Das Braune schleckte hingebungsvoll das flauschige Fell des weißen Hasens, während dieser sich gerne verwöhnen ließ. Allerdings schwand der Blick nicht.


„Doch anscheinend schon“, bestätigte Philipp lächelnd. Es war süß mit anzusehen, wie sie miteinander umgingen. Philipp rutschte sogar noch etwas näher an Holger, damit sich auch die beiden Hasen näher waren.


Im Gegensatz zu dem weißen Hasen, zeigte sich Holger glücklich, als Philipps Hüfte seine berührte, da er näher heranrückte. Sein Blick fiel unauffällig zwischen sie... aber das Dazwischen gab es nicht mehr. Sie saßen dicht beieinander und auf ihrem Schoß krabbelten Häschen. Zumindest der braune Hase bewegte sich nach wie vor, um es dem weißen Hasen recht zu machen.

Holger beäugte den Hasen skeptisch und stellte nun endlich fest, wen es da fixierte. „Ich glaube ja, es guckt dich so grantig an.“


„Was?“, überrascht drehte er den Kopf und sah Holger fragend an, ehe er das weiße Häschen musterte. Es schaute wirklich ihn so böse an. „Ich hab doch gar nichts gemacht“, stellte er fest. „Und sogar seinen Freund hat es jetzt wieder. Jetzt darf es gar nicht mehr böse gucken.“ Philipps Theorie. Der Hase sah das wohl anders, denn der Blick blieb so stur und grantig auf ihn gerichtet. Irgendwie erinnerte ihn das an die Situation in Holgers Hausflur. Da wurde er auch so böse angesehen… schnell verwarf er den Gedanken wieder. Das war Vergangenheit.


„Es ist wohl eifersüchtig, weil es dir kurz seine Aufmerksamkeit geschenkt hat“, vermutete Holger und lächelte den weißen Hasen an, streichelte es sogar liebevoll übers Fell. Er wollte dem Tier damit sagen, dass er Verständnis hatte, Holger würde es unbewusst genauso gehen, wenn Philipp ihn ignorierte und sich dafür eher Thomas widmete. Es war albern sein eigenes Verhalten mit dem Verhalten des kleinen Hasen zu vergleichen, aber wenn man es objektiv beurteilen musste, käme man zu dem Entschluss, dass die beiden sich ähnlich waren.


Überrascht sah Philipp auf: „Meinst du?“ Dann ging sein Blick wieder zu dem weißen Häschen, was Holger sanft streichelte. Konnte ein Hase eifersüchtig auf einen Menschen sein? Ganz so absurd klang es nicht und doch war es das in seinen Augen irgendwie. Holger schien das wohl nicht so zu sehen, Er lächelte beinahe schon selig. Vielleicht würde ein Hase doch zu ihm passen.


Holger nickte eifrig, als sich Philipp vergewisserte, ob er wirklich glaubte, dass der weiße Hase eifersüchtig auf ihn war. Das Verhalten des weißen Häschens konnte man im Grunde gar nicht mehr anders interpretieren. Holgers Gesicht konnte das Lächeln gar nicht mehr aus dem Gesicht wischen, so sehr gefestigt hatte es sich im Moment durch das niedliche Verhalten der beiden Tierchen. Natürlich auch, weil Philipp so dicht bei ihm saß. Es konnte für den Blonden gerade gar nicht angenehmer sein... gut, sein Kreuzbandriss könnte schon verheilt sein, aber ansonsten passte ihm die Situation im Moment sehr.


„Der braune Hase ist aber wie du“, flüsterte Holger, während er ihn beim Fell abschlecken beobachtete. Er machte das wirklich sehr hingebungsvoll, aber von dem weißen Hasen kam gar keine Reaktion.


„Wie ich?“, wieder klang er überrascht. Damit hatte er nicht gerechnet. Er schaute sich das Häschen wieder an. Es wirkte so, als wüsste es, dass es dem weißen nicht passte, dass es ihm die Aufmerksamkeit entzogen hatte.


Philipp schien die Ähnlichkeit aber nicht ganz zu verstehen, deshalb wartete Holger ruhig ab, ob er nochmal nachfragen würde, wie er es meinte. Insgeheim hoffte er, dass dies nicht eintrat, denn wie sollte er das schon in Worte fassen? Vor allem konnte er wohl kaum zugeben, dass er eifersüchtig wie der weiße Hase sein würde, wenn Philipp ihm nicht genügend Aufmerksamkeit schenkte.


„Sie sind uns ähnlich“, korrigierte er sich fast noch leiser. Philipp war es doch, der sich eben so hingebungsvoll wie es das braune Häschen tat, um ihn kümmerte, wobei Holger nicht so reagierte, wie der Kapitän es verdient hätte.

Die Worte ließ er wirken, während sein Blick weiter auf den Hasen lag. Wie meinte Holger das? Weil er sich um ihn gekümmert hatte? Ja… ja, vielleicht hatte er da sogar recht. Es war eine komische Einsicht irgendwie, aber es passte. Holger schwieg so oft und rührte sich nicht, während Philipp alles tat, um ihm zu helfen.

„Du erwartest aber nicht, dass ich dich abschlecke, oder?“, schmunzelte er und drehte den Kopf, um Holger anzusehen. „Aber Recht hast du irgendwie. Das ist ein süßer Vergleich.“ Während er Holger so ansah, kam in ihm die Frage hoch, ob er denn auch eifersüchtig war, wenn er sich mal nicht mit ihm beschäftigte. Diese Frage würde er aber nicht laut aussprechen. Egal, ob es so war oder nicht, er würde es eh vehement abstreiten.


„Was?“ Erstaunt drehte nun auch Holger den Kopf herum und sah direkt in die hübschen Augen des Kapitäns, wodurch sich ein Rotschimmer auf sein Gesicht schlich. Ertappt drehte er den Kopf wieder weg und beobachtete stattdessen weiter die Hasen. Er schien begriffen zu haben, worauf Holger hinaus wollte, oder?


Als Holger ihn so erschrocken ansah, konnte Philipp nur schmunzeln. Spätestens als er den Kopf wieder drehte, wurde es zu einem milden Lächeln. Eigentlich hätte er gerade lieber länger in die blauen Augen des Innenverteidigers geguckt, aber der verwehrte ihm das. Warum? War es ihm peinlich über das Abschlecken zu reden? Das war doch nicht ernst gemeint. Wobei… sie hatten auch über Küsse auf dem Rücken gesprochen. Konnte man das nicht vergleichen? Na ja, vielleicht auch nicht unbedingt.


Der Gedanke daran Philipp würde ihn abschlecken, war auch noch für diesen blöden Rotschimmer verantwortlich. Ein Kuss würde ihm ja auch erstmal reichen, aber … Holger verdrängte diese Bilder. Das würde es nie geben, es würde nie soweit kommen. Niemals...


„Es passt auch gut zu unseren Haarfarben“, merkte Holger ablenkend an. Weiß oder auch blond und brünett.


„Stimmt“, stellte Philipp fest. „Gibt es nicht so einen Spruch? Zu jedem Browny gehört ein Blondie oder so. Dann bist du mein Blondie“, er grinste leicht.


Holger musste Philipp nicht ansehen, um zu wissen, dass er das scherzhaft meinte und gerade ganz bestimmt grinste. Bevor er noch nervöser wurde, mahnte er sich, sich zusammenzureißen und endlich den Anschein zu erwecken, dass ihn solche Sätze nicht verunsicherten. Deshalb lächelte er zurück. „Gut, dann bist du von nun an mein Browny.“ Gut, jetzt musste Philipp nur abkaufen, dass das ein Witz sein sollte. Auch wenn es für Holger der Wahrheit entsprach... Nur hatte der Kapitän ja schon seine Blondie in Form von seiner blonden Frau, oder? Eigentlich sprachen sie sowieso gerade mehr über die Hasen, weswegen sich Holger sichtlich ärgerte, dass er schon wieder so vollkommen abgedriftet war.


„Aber nenn mich ja nicht so. So braun bin ich nun auch wieder nicht“, grinste Philipp. Ganz so ernst musste man das alles ja eh nicht nehmen.


Nickend und mit einem Lachen versehen stimmte er zu Philipp nie Browny zu nennen, als sie sich auf den Weg ins Camp machten. Würde er auch nicht, Hauptsache er wusste, dass sie Blondie und Browny waren... irgendwie zumindest.


„Wieviel Zeit haben wir denn noch?“, erkundigte er sich unterdessen. Auch wenn er schon gerne bei den Häschen bleiben und die hilflosen Versuche des braunen Hasens verfolgen würde, wie es dem weißen Häschen seine Zuneigung zeigen wollte, damit es nicht mehr so böse war.


Bei einem Blick auf die Uhr stellte Philipp fest, dass, dass es wirklich langsam Zeit wurde. „Wir sollten vielleicht wirklich langsam los.“ Er schnappte sich das braune Häschen, was erst etwas zappelte und trug es zurück in den Käfig. „Mal gucken, wie lange das gleich dauert, dann können wir später immer noch hierher zurückkommen.“


Philipp hatte das Gefühl, dass Holger das gerne tun würde. Vielleicht sollte er auch wirklich darüber nachdenken, ob es Sinn machen würde, ihm einen Hasen zu schenken. Bloß wann und warum? So schnell hatte er nicht mehr Geburtstag. Aber nun gut… darüber konnte er sich später Gedanken machen.

Genau wie Philipp erhob sich dann auch Holger und entließ das weiße Häschen wieder ins Gehege zu dem braunen Hasen. „Jetzt können sie das unter sich klären“, schmunzelte Holger und grinste die beiden nochmal an. Er würde liebend gerne nochmal hier her kommen nach dem Termin mit den Kids.


„Kommst du?“ Lächelnd drehte er sich zu Holger um. Ja, es war gut, dass er dabei war und nicht Bastian. Nicht, dass er sich nicht über ihn gefreut hätte, aber mit Holger war es einfach auch schön. Er hatte ihn wirklich neu kennengelernt seit Vail. Zum Glück.


Kaum schaffte er es sich von diesen Tierchen zu trennen, schaute nach Philipps Zuruf ertappt zu ihm. „Ja“, nickte er und folgte dem Kapitän, der wusste, wo sie hin mussten.


Diesesmal schlugen sie dann auch den Weg ein, von dem der Kinderlärm kam. Holger war gespannt, was ihn alles erwarten würde.




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