Kapitel 70 – Kikaninchens Hilfe



Holger wirkte eben so unsicher, wie Philipp es war. Aber es war nur noch mehr Bestätigung. Auch Holger fasste es nicht direkt in Worte. Wozu auch? Es war doch klar, dass sie über das gleiche sprachen, oder? Dennoch sollten sie es genauer, am besten direkt ansprechen und einige Sachen klären. Philipp würde zum Beispiel nie wieder bei Holger übernachten. Es war nicht so, dass er sich ekelte, aber er wollte ihm keine Hoffnungen machen. Das wäre nur unfair ihm gegenüber.
„Basti wird wieder nachfragen“, gab er schließlich zu bedenken, beobachtete die Szene zwischen Holger und Julian.


Es dauerte eine Zeit, bis Philipp wieder etwas sagte. Die Prophezeiung war ihm beinahe klar. Basti würde nicht locker lassen oder er würde weiter beleidigt sein. Es gab da keinen Mittelweg und schon gar keinen Ausweg. Aber noch jemanden ins Vertrauen ziehen, wollte und konnte der Blonde nicht. „Ich weiß“, seufzte Holger schließlich. „Aber sagen kann ich es ihm nicht.“


Philipp nickte langsam. Er beschloss erstmal mit Julian zu reden. „Juli, was ist denn los? Du kennst Holger doch. Zwar hast du ihn lange nicht gesehen, aber das macht doch nichts. Hm?“

Er warf einen Blick auf den Fernseher. Eigentlich wurde Julian sehr selten vor den Fernseher gesetzt, aber er wollte mal nichts sagen. Gerade war sein Stofftier eh noch interessanter und Holger die Situation einfach nur unangenehm. Würde er jetzt noch was wegen dem Fernseher sagen, wäre es wohl noch schlimmer.


Der Kapitän redete seinem Sohn gut zu, aber es brachte nichts. Holger war Julian wohl auch ein Dorn im Auge.


„Holger, willst… willst du drüber reden?“ Doofe Frage, Philipp. Natürlich wollte er das nicht. Holger wollte doch nie über irgendwas reden, aber irgendwie musste er das Thema doch wieder aufgreifen. Er wollte es nicht totschweigen. Nicht schon wieder.


Und das brachte den Innenverteidiger nun endgültig aus der Fassung. Er wusste nicht mal warum, aber plötzlich schaute er wieder in Philipps Gesicht. Es schien so, als würde die Zeit herum still stehen, nur Julian quiekte freudig wegen seinem Stofftier. „N-nein...das geht nicht“, schüttelte er den Kopf. Was war das auch für eine Situation? Philipps Sohn mit Claudia hockte noch zwischen ihnen, während er hier einen Korb kassieren würde. Dass der Kapitän jemals irgendein Gefühl, das über Freundschaft hinaus ging, erwidern würde, schloss er aus.


Philipp konnte den erschrockenen Blick nachvollziehen und die Antwort wunderte ihn weniger. Er nickte nur. Was sollte er sonst auch sagen? Dabei hatte er doch auch Fragen. Wie war das passiert? Warum er? Wie ging es Holger dabei? Warum hatte er nichts gesagt? Hatte er gedacht, er würde den Kuss nicht mitbekommen? Seit wann war es so? Und noch viele mehr… aber vermutlich würde er nie eine Antwort bekommen.
Philipp strich in Gedanken versunken durch Julians Haare, der sich davon nicht stören ließ. Was sollte er noch hier, wenn Holger eh nicht darüber reden wollte? Sie würden sich weiter peinlich berührt anschweigen. Super. Wenn Claudia herausfand, dass er hier gewesen war, würde es womöglich auch wieder Theater geben… Claudia! Sollte sie herausfinden, dass Holger auf ihn stand, würde das Ärger geben. Für Holger, für ihn, für alle…


Holgers Blick huschte zum flimmernden Fernseher, suchte nach einem rettenden Ufer. Das Kikaninchen wackelte lustig mit den Öhrchen und die Ente Sarah... es war fast so, als ob sich ein Vorhang in Holgers Gehirn lichtete und eine Idee heranreifen ließ. Warum konnte er es Basti nicht sagen? Weil es sich um seine Freundin handelte, weshalb auch Mario schwieg und keine Namen nannte. Gut, bei dem Kuss mit Philipp musste er sich noch geschickt herausreden, aber im Grunde war es eine in sich stimmige Lüge, die er ihm auftischen könnte. Sarah war das optimale Alibi! Zumindest um Philipp von dem Gedanken abzubringen, dass er sich in ihn verliebt hatte.
„Ich hab mir das alles nicht ausgesucht“, fing er dann doch an. Hoffentlich konnte er überzeugend lügen, um Philipp zu täuschen.


Überrascht sah Philipp auf. Wie? Wollte Holger jetzt doch reden? Abwartend sah er ihn an.


„Aber wenn Basti davon erfährt, wird er alles andere als begeistert sein.“ Der Knochen war ausgeworfen, jetzt musste der Kapitän nur noch danach schnappen.


Irritiert zog sich eine Augenbraue in die Höhe. Warum sollte Bastian nicht begeistert sein? Seit wann hatte er denn was gegen Schwule? Das wäre ihm aber total neu. Oder war es, weil er Holger dann nicht mehr verkuppeln konnte? Philipp fehlte der Zusammenhang.
„Bist du dir sicher?“, hakte er nach und erhoffte sich eine schlüssige Antwort.


Holger wähnte sich am Ziel, als sich die Verunsicherung Philipps in seiner Mimik abzeichnete. Das hieß, er geriet ins Wanken und vermutete nicht mehr direkt, er würde ihn lieben. Aber es brauchte noch weitere Aussagen, um es besser zu fundieren. Jetzt war der Kapitän lediglich überrascht, dass Basti etwas dagegen haben könnte. Was musste er wohl gerade vermuten? Dass Basti homophob war und das nicht tolerieren würde? Bestimmt, aber das musste sich ändern und genau das würde passieren, wenn er weiterlog. Holger war selbst erstaunt von sich selbst, wie überzeugend er seine Rolle spielen konnte.

Träge nickte der Blonde also. „Natürlich. Ich will mit dieser Wahrheit unsere Freundschaft nicht belasten, das wäre fatal“, sprach er weiter in Rätseln, holte jetzt aber langsam zum ''Gnadenstoß'' aus.


Philipp sah Holger einfach nur weiter an. Er verstand gerade nicht, was genau Holger da belasten würde. Belastete es ihrer beider Freundschaft nicht viel mehr?


Hilflos schaute er Philipp an und versuchte zu lächeln, was aber traurige Züge annahm. Genau so wie er seinen Gesichtsausdruck eben plante. „Wie würdest du denn auch reagieren, wenn ich dir sage, dass ich mich in Claudia verliebt hätte? Auch nicht begeistert, oder?“


Philipp fielen fast die Augen aus dem Kopf? Was?


Holgers hilfloser Blick wurde flehentlich. „Zu Basti kein Wort... bitte, er muss nicht erfahren, dass Sarah die Frau ist, von der ich nachts träume.“ Gut, dass war jetzt etwas dick aufgetragen, also sollte er einen Gang zurückschalten, bevor er hier anfing von Sarah zu schwärmen.


Irgendwie war das gerade wie ein Schlag ins Gesicht. Philipp konnte das nicht einordnen, er musste total bescheuert gucken, aber das musste er gerade erst mal verarbeiten. Er hatte wirklich gedacht, dass Holger auf ihn stehen würde und dabei war es Sarah?


Aber eines musste er noch klären. Sein Blick wandte sich ab, ehe er nun ein ehrlicheres Lächeln aufsetzte. „Tut mir wirklich Leid wegen dem einen Kuss, i-ich hab da noch halb geschlafen und irgendwie mir vorgestellt, da liegt... sie.“ Jetzt war er alles losgeworden, was er loswerden wollte. Blieb nur zu hoffen, dass Philipp alles so glaubte.


Er hatte ihn für Sarah gehalten? Er hatte ihn deswegen geküsst? Mechanisch nickte Philipp. „Schon okay.“ Dann wandte er den Blick ab, richtete ihn auf Julian. Was war das? Warum konnte Philipp das gerade nicht einordnen, was da in ihm vorging? Er würde fast behaupten, dass er betroffen war. Traurig? Enttäuscht? Nein, das wäre Wahnsinn. Aber irgendwie so etwas in der Richtung war das, was durch Philipps Körper wanderte.


Philipps Blick nach zu urteilen, hatte Holger mitten ins Schwarze getroffen. Es war verwirrend und auch hinterhältig, dessen war sich der Blonde vollends bewusst. Aber was sollte er sonst unternehmen, um seine Gesicht zu wahren? Zugeben kam nicht in Frage, er wollte nicht, dass Philipp sich zurückziehen würde und ihn allein ließ. Obwohl er es ihm versprochen hatte, würde er ihn mit sich und seinem nicht mehr vorhandenen Kreuzband alleine lassen.


„Du wirkst überrascht“, fiel Holger auf. Natürlich war er das, er musste ja bis eben noch gedacht haben, Holger stünde auf ihn. So wie es eben der Wahrheit entsprach, die er zu seinem eigenen Schutz abwendete.


Natürlich war Philipp überrascht. Nie im Leben hätte er mit Sarah gerechnet. Für Holger war es aber klar. Es gab nie jemand anderen. Nur Sarah.


„Aber ich bin froh, dass es nicht offensichtlich war. So hab ich Gewissheit, dass Basti nichts ahnt“, lächelte er. Es war fast schon gruselig wie er in seiner Rolle voll und ganz aufging und sie überzeugend rüberbrachte. Er musterte Philipp von der Seite her und prompt überfiel ihn das schlechte Gewissen. Die Personen, die er neben seiner Familie am meisten mochte, log er eiskalt ins Gesicht, weil er nicht den Mut dazu hatte zu seinen Gefühlen zu stehen. Das war für beide Parteien bitter.


Der Kapitän nickte über die weiteren Worte bloß. Was sollte er denn auch dazu sagen? Mit jedem weiteren Wort kam er sich nur noch bescheuerter vor.
„Ich werde ihm nichts sagen“, meinte er dann noch, hob den Kopf und lächelte schwach. Mit einem Mal kam er sich sichtlich bescheuert vor. Da dachte er wirklich Holger würde auf ihn stehen… wie konnte er nur so blöd sein? Wie kam er denn bitte auf die Idee? Nur wegen einem Kuss? Nein, zwei… drei sogar! Der Kuss als sie betrunken waren im Fahrservice… den hatte er ganz vergessen. Aber es passte. Alle guten Dinge waren drei.
Er wandte den Blick erneut ab. Was machte er hier eigentlich noch? Er sollte besser fahren, aber er rührte sich nicht und kein Wort verließ seine Lippen.


„Danke“, freute sich Holger ehrlich. Denn sollte Basti von den scheinbar liebestechnischen Gefühlen für Sarah erfahren, würde das das Chaos perfektionieren. Außer Mario würde ihm wohl niemanden mehr Glauben schenken.
„Es ist nicht richtig dich da mitreinzuziehen, aber ich wollte, dass du es weißt, bevor du noch wegen des Kusses denken könntest, dass ich auf dich stehe.“ Genau das dachte Philipp doch, weil es auch auf der Hand lag, aber jetzt schien Holger es wohl endgültig geschafft zu haben, dass der Kapitän stark daran zweifelte.


Für einen Moment stockte Philipp. Musste Holger darauf rumreiten? Es wurde mit jedem Wort nur schlimmer für den Älteren.
„Schon okay“, meinte er nur wieder, schaute ihn nur kurz an, lächelte und wandte sich dann wieder Julian zu.


„Schon okay?“, wiederholte er leise dessen Antwort. Er hätte natürlich fragen können, was nun genau los war, aber ließ es bleiben. Es war gut so, dass Philipp die Lüge abkaufte und mehr wollte er auch gar nicht. Dennoch fühlte er sich schlecht dabei, da er an die Zukunft dachte. Wann würde er sich denn entlieben und in eine Frau verlieben? Würde das überhaupt geschehen? Diese Ungewissheit ließ ihn seufzen. Holger konnte nur erahnen, dass diese Lüge nicht für die Ewigkeit bestimmt war. Irgendwann würde er ihn wieder küssen. Wenn der Zeitpunkt da war und sich die Situation anbot. Schon einmal war er nicht mehr Herr seiner Taten und folgte nur noch seinem Herz.


Er nickte wieder nur, antwortete nicht darauf. Es brachte doch eh nichts darüber zu reden. Holger stand auf Sarah und fertig. Philipp würde Bastian nichts verraten und gut war. Er wollte nicht weiter darüber reden. Sich nicht bewusst machen, wie dämlich er gewesen war.

Zum Glück lenkte Julian ihn ab, krabbelte auf seinen Schoß und hielt ihm das Stofftier hin.


„Papa“, er stupste den kleinen Elefanten gegen Philipps Gesicht.


„Nicht, Julian“, schmunzelte er. „Das ist doch dein Elefant. Willst du nicht mit ihm spielen?“


Eifrig nickte der Junge, blieb aber auf dem Schoß seines Vaters sitzen.


Jetzt wurde Philipps Verhalten aber allmählich sehr seltsam, wie Holger unbeholfen feststellte. Dass er überrascht und erstaunt war, damit hatte er gerechnet, aber dass das Geständnis eine fast vollständig apathische Reaktion auslösen würde, das hätte er nicht vermuten können.


Julian kümmerte das Gespräch nicht im Geringsten. Er war beschäftigt mit dem Elefant, den er Holger nicht überlassen wollte. Aber seinem Vater gab er ihn natürlich.
Spürte der Kleine etwa die Antipathie, die Holger unbewusst ein klein wenig gegen ihn hegte?


„Ich will dich nicht stören…“, fing er an, ließ den Satz aber offen. Eigentlich wollte Philipp gehen. Gehen und nach Hause fahren, um den Kopf gegen die Wand zu schlagen. Am liebsten würde er von hier flüchten. Das war wirklich grausam. Wie konnte er nur so blöd sein und denken, dass Holger auf ihn stand? Er verstand es immer noch nicht. Und wieso machte es ihm was aus, dass es nicht so war? Die Frage war noch eine Spur interessanter.


„Du störst nicht“, erwiderte er schnell. „Ich finds schön, wenn du da bist“, gab er zu. Vielleicht würde Philipp dann endlich wieder richtig ansprechbar sein, wenn er sich sicher war, dass es Holger gefiel, wenn er da war. Und das war schließlich der Luxus der Lüge. Er konnte Philipps Anwesenheit genießen ohne Angst haben zu müssen, dass dieser glauben könnte, er hätte sich in ihn verliebt. Und das war es doch wert.


Philipp sah auf und lächelte. „Und was ist mit dem kleinen Zwerg hier?“ Er wuschelte Julian durch die Haare. Der sah ihn daraufhin an. „Möchtest du mit Holger spielen?“, er deutete auf den Innenverteidiger. „Zeig Holger doch mal deinen Elefanten. Der möchte den bestimmt auch gerne sehen.“


War Philipp nicht selbst ein Zwerg? Gegen Holger auf jeden Fall. Er schmunzelte leicht, obwohl er auch da wieder ein wenig lügen musste. „Der stört auch nicht.“ Aber er würde nicht sagen, dass er es schön fand, wenn ihm so deutlich vor Augen geführt wurde, dass Philipp verheirateter Vater war.


Julian sah von seinem Vater auf den Elefanten zu Holger und wieder zurück. Er rutschte etwas auf dem Schoß herum, dass er mit seinem Körper nach Holger gerichtet war. Unsicher sah er den Elefanten an und hielt ihn ihm dann hin. „Pata“, murmelte der Kleine dabei.


„So heißt der Elefant“, erklärte Philipp schmunzelnd.


Er erkannte schon, dass Julian von der Idee seines Papas alles andere als begeistert war und sofort verzog Holger angesäuert den Mund. Aber er durfte sich das nicht anmerken lassen, weswegen es schnell wieder zu einer freundlicheren Miene kam. „Gibst du mir deinen Elefanten auch mal?“, fragte der Innenverteidiger und lächelte den Kurzen an, griff dabei etwas an das Stofftier, was Julian sofort zu unterbinden wusste.

„Echt nett, der Kleine“, merkte er an. Das musste wirklich an Philipps Sohn liegen, mit Arjens Kinder kam er beispielsweise richtig gut klar. „Übrigens hast du das Märchen gestern falsch erzählt“, fiel ihm in den Zusammenhang wieder ein, als er an die Zwerge dachte. „Ich korrigiere besser, bevor du es Julian mal falsch erzählst“, schmunzelte er. „Du hast es bestimmt mit Dornröschen verwechselt, aber Schneewittchen wird nicht vom Prinzen wachgeküsst. Der Prinz kommt angeritten, als die Zwerge ihm den Sarg zum Schloss durch den Wald tragen wollen. Dabei stolperten sie und das vergiftete Apfelstück fiel aus ihrem Mund.“ Mit einem Grinsen schloss er die Geschichte ab, versuchte Julian vorsichtig durchs Haar zu streicheln. Er hatte sich leicht gebeugt, um mit Philipps Sohn auf einer Höhe zu sein, aber doch blickte er von unten her in die Augen seines Vaters.


„Falsch erzählt?“ Philipp wurde hellhörig. Wieso denn falsch? Er wusste selber nicht mehr, was er eigentlich genau erzählt hatte, wenn er ehrlich war. Aufmerksam hörte er Holger zu und grinste danach etwas. „Ja, das kann sein. Ich lese Julian meistens die Märchen eh aus einem Buch vor“, erklärte er und zuckte mit den Schultern.


„Verbuchen wir es einfach unter deiner Version von Schneewittchen“, lächelte Holger. Es war egal, wie Philipp das Märchen erzählt hätte, Holger hätte es sowieso gefallen. Weil er sich um ihn kümmerte und das war für ihn, das was zählte. Ob Schneewittchen also durch den Prinzen aufwachte oder das Apfelstück durch das Stolpern der Zwerge wieder entfernt wurde, war nebensächlich.


Belustigt beobachtete er wie Holger versuchte sich Julian anzunähern. Es sah schon irgendwie niedlich aus, wie der Innenverteidiger ihn von unten her ansah. Aber etwas anderes würde sicher auch niedlich aussehen.
„Geh doch mal zu Holger.“ Philipp hob seinen Sohn hoch und setzte ihn auf den Schoß von dem Gastgeber. Julian schaute erst skeptisch hoch, sah sogar noch mal seinen Vater an, aber da der aufmunternd lächelte, war auch Julian nicht mehr so unsicher.


„Pata“, er stupste den Elefanten gegen Holgers Gesicht. „Holla“, gluckste er dann und wiederholte die Tat.


Philipp grinste. Das klappte doch ganz gut.


Holger kam nicht mehr dazu zu fragen, was das sollte, da saß Julian schon auf seinen Beinen. Anfangs ziemlich unangenehm, wenn man bedachte, dass der Kleine ihn auch nicht besonders zu mögen schien. So skeptisch wie dieser sich verhielt, zeichnete sich auch in Holgers Gesicht etwas Unsicherheit im Umgang mit ihm ab. Umso mehr verwunderte es den Innenverteidiger, dass er dann doch langsam aus sich herauskam und ''Pata'' ins Gesicht gestupst bekam.

„Er braucht wohl immer seine Zeit bis er sich an jemanden gewöhnt“, stellte er leise fest, griff mit einer Hand zur Fernbedienung, um den Fernseher auszuschalten. Tja, nun hatte das Kikaninchen nicht nur der Ente Sarah geholfen, sondern auch ihm.

Holger wagte es nach Pata zu greifen und ließ diesen grinsend über das Sofa tanzen, wodurch Julian ihn freudig mit seinen Augen verfolgte und den Stoffelefanten wieder in seine Arme schloss, nachdem dieser seine Runde auf dem Sofa gedreht hatte.


„Fremde Personen sind ihm manchmal etwas unheimlich und er hat dich sehr lange nicht gesehen. Eigentlich ging das jetzt schon überraschend schnell, aber vielleicht merkt er ja, dass du mir wichtig bist“, Philipp zuckte mit den Schultern. War sich nicht bewusst, wie besonders diese Worte für Holger sein könnten. Immerhin stand der nicht auf ihn. So langsam wurde ihm bewusster, dass es so wohl besser war. Oder redete er sich das nur ein?


Holgers Aufmerksamkeit löste sich von Julian, als er Philipps Worte hörte. Er hatte es nicht bezweifelt, aber trotzdem war es etwas anderes, wenn jemand offen zugab, wer einen wichtig war. Er lächelte, konnte in dem Moment auch gar nicht anders. Es ging auch nicht darum, ob Julian es merkte oder nicht, es war nur das Ende der Aussage, das Holger Herzklopfen bescherte.


„Du musst ihn öfters sehen, dann hat er nächstes Mal auch nicht mehr so eine Angst“, merkte Philipp an und beobachtete die Reaktion Holgers. Immerhin war er letztes Mal nicht begeistert als Julian Thema zwischen ihnen war. Gut, da war es auch Claudia… Moment. Das machte wiederum Sinn. Claudia wäre Holger ein Dorn im Auge, wenn er Gefühle für Philipp hegen würde. Aber nein, dem war ja nicht so. Der Kapitän mahnte sich diesen Gedanken zu verbannen, zu löschen und nicht wiederherzustellen. Das Thema war gegessen. Sollte gegessen sein.


Allerdings wurde das Lächeln dann gekünstelt. Warum musste er Julian öfters sehen? Er wollte Philipp sehen... ohne irgendwelchen Anhang. Aber das konnte er ihm schlecht mitteilen. Nicht jetzt, wo doch die Lüge so hervorragend geklappt hatte.
„Zum Golfen nehmen wir ihn aber nicht mit“, schmunzelte er, nicht wissend, ob das Angebot überhaupt noch stand. Plötzlich war es so anders. Holger hielt Julian zwar fest, damit er nicht runterfiel, aber doch war er in Gedanken ganz woanders. Bei seinem Vater, der unmittelbar neben ihm saß und für den er heimlich so viel empfand. Den er aber auch eiskalt anlog, was man mit Menschen, die man mochte, nicht tun sollte.


„Golfen?“, überrascht sah Philipp ihn an. Er wusste im ersten Moment nicht, was Holger meinte, aber dann dämmerte es ihm. „Stimmt, da war ja was“, er nickte nachdenklich, schüttelte dann lächelnd den Kopf. „Nein, nein, da ist Thommy das Kind, was mitkommt.“ Der Kapitän lachte leicht. Er lag mit seinen Worten gar nicht so falsch. Thomas konnte sich wirklich albern und kindisch aufführen, aber er war ein herzensguter Freund.


Den Kopf senkend erhoffte er sich, dass dies ein blödes Irrtum war. Philipp hatte das Golfen doch nicht wirklich vergessen, oder? „Also kommt Thommy mit?“ Mehr eine Feststellung als eine Frage, den Witz über ihn ignorierend. Es passte ihm nicht wirklich. Bot Philipp nicht auch im Flugzeug an, dass sie auch alleine gehen konnten? Aber sollte er sich jetzt darauf berufen... gerade, wo doch diese Lüge im Raum stand und er teilweise auch froh war, sich nicht mehr mit dem Gedanken quälen zu müssen Philipp konnte ihn meiden, weil er Gefühle für ihn hegte?


„Ich hab es total vergessen und Thomas noch nicht gefragt. Kann ich nächste Woche mal machen“, Philipp zuckte mit den Schultern, grinste dann leicht. „Aber er ist sehr ungeduldig dabei, das ist echt ätzend manchmal.“


„Wenn es ihm nicht passt, ist das ja auch nicht so schlimm“, winkte er schnell ab. Es wäre Holger sogar lieber so, wenn Thomas keine Zeit haben würde. Doch er ahnte leider, dass er sich eine Partie Golf mit Philipp nicht nehmen ließ und sich dafür sogar extra Zeit nahm.
„Das kann ja dann ein Spaß werden. Ich kann nicht golfen. Ungeduld ist da nicht so förderlich“, merkte Holger an. Der Blonde kannte sich doch, er fuhr viel zu schnell aus der Haut, wenn man ihn dumm von der Seite anmachte. Es war nicht so, dass er nicht schon oft mit Thomas aneinander geriet. Zwar waren es nie ernstzunehmende Streitigkeiten, die eine Stunde später wieder vergessen waren, aber trotzdem stimmte die Chemie seit geraumer Zeit nicht mehr ganz zwischen ihnen. Vielleicht, weil sie sich komplett unterschiedlich entwickelten. Während Thomas Lisa heiratete, blieb er Single und verliebte sich auch noch in Philipp. Klasse Liebeslebenslauf.


„Ich frag ihn einfach mal“, schlug Philipp vor. Wobei es dann wirklich lustig werden würde… ganz einfach war es mit Holgers Knie eh nicht und dann noch ein quengelnder Thomas? Ob Philipp sich das antun wollte? Na, er dachte da noch mal drüber nach. Wobei ihm da eine Idee kam: „Wir können ja auch erst einmal alleine üben und dann immer noch mit Thommy zusammen spielen.“


Holger nickte zu Philipps Vorschlag. „Alleine üben wäre... für den Anfang sicher besser.“ Wenn er erstmal alleine mit dem Kapitän spielte, konnte er, wenn Thomas hinzukam, immer noch absagen.
„Wenn es weiter so gut voran geht, kann ich spätestens am Wochenende die Krücken ein paar Stunden weglegen“, erzählte er dann, obwohl sich das Wörtchen ''gut'' in Verbindung mit seinem Knie falsch anfühlte. Eigentlich war überhaupt nichts gut.

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