Kapitel 133 - Das erste Mal



Es war Freitagabend und Philipp saß auf seinem Bett, lehnte am Kopfende und hatte das Handy in der Hand.


//Bemitleide mich! Sie haben mich mit Basti auf ein Zimmer gesteckt… gut, dass ich Sonnag einen besseren Zimmerpartner habe ;) :-*//


Eben der aktuelle Zimmerpartner kam gerade aus dem Badezimmer. „Na, schreibst du deiner Frau?“, fragte Bastian. „Ich hab mich eben auch schon bei Sarah gemeldet. Sie meckert immer, wenn ich das nicht tue. Zumindest ob ich gut angekommen bin, will sie wissen.“


„Aber das ist doch legitim, oder nicht? Sie macht sich sonst halt Sorgen.“ Philipp lächelte leicht und beantwortete die Frage einfach mal nicht. Claudia hatte er vor ein paar Stunden bei der Ankunft geschrieben, aber jetzt war halt Holger dran. Gut, dem hatte er vorhin ebenfalls geschrieben. Aber war doch auch egal. Er musste sich vor niemandem rechtfertigen.


Bastian gähnte und warf sich neben ihn aufs Bett. „Stimmt wohl“, merkte er noch dazu an. Dann suchte er Philipps Blick.


Was?“, fragte dieser zurück. Er hatte das ungute Gefühl, dass gleich etwas kommen würde, worüber er nicht reden wollte.


„Kennst du Cora?“


„Cora?“


„Na, Holgers Freundin oder Fast-Freundin oder was auch immer sie jetzt sind.“


Ach die… stimmt, die hatte Holger Cora genannt. Philipp schüttelte wahrheitsgemäß den Kopf. „Ich habe sie noch nie kennengelernt, aber viel erzählt hat Holger auch nicht von ihr – also mir zumindest nicht. Weißt du denn mehr?“


„Nee, auch nicht, deswegen frage ich ja.“ Bastian drehte sich auf den Rücken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Aber ich hätte nie gedacht, dass Holger online nach einer Freundin sucht.“


„Findest du das schlimm?“


„Nein, nur unerwartet.“


„Aber überleg doch mal. Wie soll er jemanden kennenlernen. Du weißt selber, dass sich plötzlich Leute für dich interessieren, die dich früher mit dem Arsch nicht angeguckt haben, nur, um von dir zu profitieren. Ich denke, er hat keine Lust hinters Licht geführt zu werden. Im Internet kannst du erst mal jemand anderes sein. Natürlich ist das auch mit einem Risiko verbunden, wenn man den Gegenüber erst mal anlügt, aber wenn dann Verständnis da ist, dann ist es ja kein Problem.“ Philipp zuckte mit den Schultern. Was sollte er denn da jetzt auch groß zu sagen, außer so allgemeines Zeug, was auf jeden zutraf, der reicht oder prominent war? Er fragte sich aber, wie Holger aus der Nummer wieder rauskommen wollte. Bastian würde Cora irgendwann kennenlernen wollen und dann? Sagte er, er hätte Schluss gemacht? Immerhin gab es sie ja nicht. Dachte Philipp.



Die Wohnungstür fiel ins Schloss. Nach getaner Reha und gemütlichem Aufenthalt in einem Eiscafe mit Freunden kam Holger zu Hause an. Die SMS von Philipp, die er schon im Auto gelesen hatte, zauberte ihm amüsiertes Schmunzeln ins Gesicht. Anfangs war er ein wenig unsicher, ob Basti nicht wieder bei Philipp versuchte nachhzuhaken, aber er hatte ihm versprochen nicht mehr so aufdringlich an Informationen zu kommen und abzuwarten, bis man auf ihn zu kam. Er traute Bastian auch wirklich zu, dass er nachgegeben hatte um der Freundschaft Willen.
Während Holger die Antwort tippte, wurde er von einem Anrufer gestört. Um genauer zu sein von Mario. Gut gelaunt hob er ab. Die Nachricht konnte er gleich im Anschluss verschicken.


„Wie läuft es auf Wolke 7?“ Mario lachte, weil er genau wusste, dass Philipp es tatsächlich fertig gebracht hatte, ihn nicht zu verletzen.
„Nein, im ernst. Wie geht’s dir? Kommst du in der Reha voran?“


„Geht. Bisher ist alles nach Plan. Ansonsten läuft es auch gut.“ Das Grinsen war förmlich in seiner Stimme herauszuhören


„Und das obwohl Pippo bis Sonntag weg ist?“


„Ja, aber dafür kommt er Sonntagabend zu mir und auch den Montag haben wir nach der Reha für uns.“


„Und was ist mit Claudia?“


„Die ist nicht da... und das nutzen wir eben aus.“


Mario grinste, was Holger aber nicht sehen konnte. Der Stürmer hakte jetzt auch lieber nicht weiter nach, sonst kämen noch zu intime Details ans Licht. Oder Holger würde eiskalt auflegen.


„Kommst du zurecht in Florenz?“


„Ja, es geht, auch wenn es anstrengend ist, dass ich sozusagen keine Pause hatte. Vorbereitung in Trentino, dann zum AC Florenz, bei denen es schon voll los geht“, seufzte er. „Aber es war die richtige Entscheidung. Ich kann diesem Verein helfen, damit sie endlich wieder Champions League spielen.“


„Bis dahin bin ich wieder fit und dann spielen wir gegeneinander.“ Sie hofften beide, dass ihre Wünsche in Erfüllung gingen. Darüber redeten sie aber nicht mehr, sondern über Marios Wohnung, in die er gezogen war und dass er sich ein Haus kaufen wolle, da er ja vermutlich länger in diesem Verein tätig sein würde.


Nach gut einer halben Stunde endete das Gespräch und Holger konnte sich wieder seiner Nachricht widmen.


//Zwingt er dich mit ihm zu zocken? ;) Wenn es einer mit ihm aushält dann du! Hast ja schon Übung mit schwierigen Zeitgenossen ;) Ich denk an dich, und freu mich schon auf Sonntag.//



Bastian und Philipp waren irgendwie abgeschweift. Der Mittelfeldspieler regte sich gerade über Sarah auf, als das Handy vibrierte. Philipp riskierte einen Blick und tippte eine Antwort, während er weiter verständnisvoll zuhörte und nickte. Das waren keine großen Probleme, die Bastian da breittrat, deswegen war es schon okay, wenn er nur mit halbem Ohr zuhörte.


//So weit sind wir noch nicht. Gerade kotzt er sich über Sarah aus. Wenn er damit fertig ist vielleicht… euch kann man nicht vergleichen. Ich hab dich doch viel lieber :-* ich denke auch an dich!//


Gott, was war er nur für ein verliebter Trottel… das war echt schlimm. Aber was sollte er denn schon tun? Gegen Gefühle konnte man sich halt nicht wehren.


„Phil, ey… hörst du mir eigentlich zu? Kannst du deine Liebes-SMS mit Claudia nicht später schreiben?“, beschwerte sich Bastian plötzlich und zog einen Schmollmund, ehe sich die Mundwinkel hoben.


Philipp kannte das Grinsen und ahnte schlimmes.


Dafür musst du noch eine Runde mit mir zocken.“ Der Jüngere wartete erst gar keine Antwort ab und sprang aus dem Bett, um die Playstation anzuschließen.


Philipp seufzte ergeben.


//Ich korrigiere… wollen wir wetten, wir hoch ich verliere?//


Holger saß auf der Couch, hatte sich Abendessen gekocht und schaute einen Film. Manchmal verstand er Bastian nicht. Er regte sich über Kleinigkeiten auf, die ihn störten, aber ein paar Minuten später betonte er sowieso nur wieder, wie sehr er das Modell liebte. Aber eigentlich ging es ihm eher um die zwei letzten Sätze in der Nachricht. Auch, wenn er sich nicht vergleichen wollte, aber er las es gerne und es bedeutete ihm sehr viel, wenn Philipp ihm bestätigte, dass er ihn lieber hatte. Noch bevor Holger antworten konnte, trudelte eine zweite Nachricht ein, die ihn auflachen ließ.


//Wir haben doch ein wenig geübt, vielleicht wird es nicht so schlimm wie in Trentino. Ein kleiner Tipp: Bring ihn in Bedrängnis, sobald er über ein Foul diskutieren muss oder sich aufregt, spielt er aggressiver und so unterlaufen ihm häufiger Fehler ;)//


Häufige Fehler war wohl etwas zu hoch gegriffen. Bastian war ein Meister auf der Playstation, aber wenn Philipp diese paar klitzekleinen Fehler ausnutzen konnte, hatte er eine kleine Chance.


Holger verfolgte die Spiele natürlich. Er nahm sich das fest vor und guckte das Spiel gegen Hamburg, welches die Bayern leicht gewannen, mit seiner Schwester. Er freute sich ganz ohne Groll für seine Mannschaft, fieberte aber insgeheim den Sonntag entgegen. Denn er kam näher, umso schneller die Spiele vorbei waren.



Sonntag. Es war kurz vor sieben. Bayern führte im Finale nun schon 1:0, nachdem sie am Vortag Hamburg mit 4:0 besiegt hatten. Philipp spielte im Mittelfeld, hatte so mehr Zug nach vorne als für gewöhnlich. Vielleicht war das ein Grund, aber vielleicht hätte er auch sonst da gestanden, wo er eben um kurz vor sieben stand. Gladbach verlor den Ball am eigenen Strafraum an Ribery, der passte zu Müller. Thomas aber scheiterte am Keeper, der den Ball jedoch auch nur abprallen lassen konnte. Genau vor Philipps Füße. 2:0.



Am Sonntag lauerte dann Gladbach. Gebannt starrte Holger auf den Fernseher. Noch etwas müde von der morgigen Rehaeinheit, die er auch am Feiertag absolvieren durfte, spürte er, wie schwer es ihm fiel die Augenlider offen zu halten. Aber er wollte das Spiel ansehen und eigentlich hatte er geplant, dass er eventuell wach blieb und auf Philipp wartete.
Er beobachtete seine Kollegen ganz genau, hatte dabei immer ein Auge auf Philipp, dem der Ball vor die Füße sprang. Gekonnt, wie er das eben immer so vollführte, saß der Schuss und landete hinter dem Gladbacher Torwart im Netz. Jubelnd streckte Holger die Faust hoch! „Jaa! Super, Philipp!“ Er freute sich zum einen für seine Mannschaft, aber eben auch ganz besonders auf Philipp, denn er würde zufrieden und glücklich nach München zu ihm kommen. Es war so einfach viel schöner, als wenn sie verlieren würden, auch wenn er wusste, dass der Kapitän sich das nicht zu sehr anmerken ließ. Dass er dann auch noch selber traf, war das Tüpfelchen auf dem i.


Gut gelaunt, aber sichtlich müde, stellte er Philipps Lieblingskekse auf den Küchentisch und schrieb ihm einen Zettel, bevor er sich schlafen legen wollte.
//Für den Torschützen. Glückwunsch zum Sieg :-*//
Holger schmunzelte beim Anblick des Plätzchentellers und des Zettels. Es war als würde er für den Weihnachtsmann etwas bereit stellen, verziert mit dem Wunschzettel natürlich. In dem Fall war sein Wunsch klar definiert. Er wollte Philipp, den kleinen Kapitän zum Kuscheln und Liebhaben.
Eben jener, würde heute definiert bleiben, bis er wieder erwachte und nicht wie der Weihnachtsmann sich schnell wieder davon stehlen.


Ein letztes Mal sah er sich noch kontrollierend in der Wohnung um, ob auch alles ordentlich war, ehe er ins Schlafzimmer verschwand und Philipps Kaffeeshirt zum Umziehen für ihn bereit legte. Er war schon erstaunt, wie er trotz der Aufregung und Vorfreude auf den Kapitän so schnell einschlafen konnte. Vielleicht war es einfach auch nur das Gefühl der Freude neben ihn erwachen zu dürfen. Womöglich sogar in seinen Armen? Er ließ sich überraschen.



Das Spiel gewann der FC Bayern noch mit 5:1. Zufrieden nahmen sie die Trophäe entgegen, aber es konnte Philipp nicht schnell genug gehen bis sie endlich im Bus zum Flughafen saßen. Die Anspannung ließ er sich nicht anmerken, da er die Fragen vermeiden wollte. Auch die permanenten Blicke auf die Uhr verbot er sich. Ändern konnte er es ja eh nicht. Außerdem wartete Holger im Bett auf ihn und er hatte den Schlüssel. Bestimmt schlief der Innenverteidiger schon und da kam es dann auf eine Stunde später oder früher auch nicht an.


Tatsächlich war es etwa ein Uhr als Philipp den Wagen in München abstellte. Er schnappte sich seinen kleinen Koffer, das Handgepäck und ging mit dem Schlüssel in der Hand zum Gebäude.

Leise schloss er erst die Haustür auf, fuhr mit dem Fahrstuhl zu Holgers Wohnung und öffnete diese dann so leise wie möglich. Sein Herz klopfte etwas schneller als normal. Das war aufregend irgendwie. Vor allem aber freute er sich auch einfach total darauf jetzt gleich neben Holger im Bett zu liegen.
Leise schloss er die Tür wieder. Den Schlüssel legte er auf die Kommode und den Koffer verfrachtete er erst mal ins Badezimmer. Dort machte er sich fertig und zog sich sein Schlafshirt über. Im Schlafzimmer wollte er nicht unnötig Licht anmachen und Holger wecken.
Philipp tapste über den hellen Flur Richtung Schlafzimmer. Die Tür öffnete er einen Spalt und ließ etwas Licht hineinscheinen, um sich zu orientieren. Da fiel ihm aber auch das Shirt auf, was extra auf der freien Bettseite lag. Er glaubte zu wissen, was es war. Sofort lächelte der Verteidiger. Er schaltete das Licht auf dem Flur aus und schlich durch die Dunkelheit zum Bett. Blind tastete er nach dem Shirt und wechselte die Kleidung. Seines ließ er einfach auf dem Boden liegen. Dann setzte er sich auf den Bettrand rutschte weiter ins Bett und unter die Decke. Nur langsam gewöhnte er sich an die Dunkelheit und erkannte die Umrisse Holgers, der friedlich schlief.
„Ich bin da“, flüsterte er leise und mit einem Lächeln auf den Lippen. Philipp ließ es sich nicht nehmen, ihm einmal durch die Haare zu fahren und ihm dann einen Kuss auf die Wange zu hauchen. Erst nachdem er das getan hatte, kuschelte er sich an ihn und legte einen Arm um den größeren Körper.
Schlafen konnte er aber noch nicht. Irgendwie war er noch zu aufgewühlt und auch sein Herzschlag musste sich erst mal wieder normalisieren. Er freute sich aber auch einfach so jetzt hier neben ihm zu liegen. Nirgendwo wäre er jetzt lieber.


Holger schlief tief und fest. Weder hörte er Philipp, noch sah er ihn, obwohl er sich direkt an ihn kuschelte und ihn in den Arm nahm. Es geschah intuitiv, dass er seinen Kopf etwas einzog und dichter an den Älteren kuschelte. Es war der warme Körper in dieser kalten Welt, der ihn anzog.


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Kommentare: 2
  • #1

    Engel (Sonntag, 21 Juni 2015 22:05)

    Hey :)
    Tolles Kapitel
    So süß. Vor allem das Ende
    Philipp soll Holger jetzt mal richtig fest halten :)
    Der total des Kapitel hat mich irritiert
    Erstes mal im Sinne von was????

  • #2

    Julia - 28 (Montag, 22 Juni 2015 00:05)

    Hallo :)
    Es ist so toll, dass Holger sich ehrlich über den Sieg seiner Mannschaft freut.
    Das er Philipp Tipps gibt damit dieser gegen Bastian gewinnen kann ist auch mega suess von ihm haben aber wahrscheinlich nicht allzu viel gebracht :D.
    Das Philipp so rücksichtsvoll zu schlafenden Holger ist total lieb von ihm!
    Ich bin gespannt wie das Wach werden der beiden ist.

    Lg Julia :)