Kapitel 44 - Private Triple'feier'



Philipp grinste sogar leicht, als er das Klirren von Glas und Tasse vernahm. Er nahm einen Schluck. „Auf das Triple“, stimmte er zu. Es fühlte sich nicht so an, als würden sie etwas feiern, aber es war auch nicht unangenehm. Irgendwie genoss Philipp es neben Holger zu sitzen. Einfach sitzen, ein Glas Wein trinken... als wäre nichts.
Plötzlich fiel ihm das T-Shirt ein. Sollte er fragen? Nein, er wollte den Moment nicht zerstören, aber er wollte auch nicht schweigen. „Die Bettdecke ist schön.“

Holger schmunzelte. Er wusste nicht genau, ob Philipp nur das Schweigen brechen wollte oder ob ihm die Bettdecke wirklich gefiel. Der Innenverteidiger entschied sich für ersteres, schließlich war das eine ganz einfache Bettwäsche, auf der ein riesengroßes Kleeblatt abgebildet war. Seine Mutter musste diese überzogen haben, als er in Vail war. Dass das eine Wendebettwäsche mit einem nicht minder großen Marienkäfer auf der anderen Seite war, verschwieg er mal besser. Holger trank seinen Wein aus, stellte die Tasse auf den Nachttisch und bettete seinen Kopf dann auf das Kissen. Die Decke zog er weiter über sich. Eine kurze Zeit lang starrte er nachdenklich an die Zimmerdecke. „Manchmal kommt es mir vor wie gestern, als ich mit Thommy in die Profimannschaft gerückt bin“, sinnierte er und lächelte müde. Sein erster Kontakt zu Philipp war irgendwie seltsam gewesen, wenn er sich zurück erinnerte. Da wäre er nicht im Traum darauf gekommen, dass er je mit ihm zusammen im Bett liegen würde. Aber er hatte eine Re-Ruptur ja auch nicht erwartet.

Eigentlich wunderte es Philipp nicht, dass Holger den Kommentar zur Bettdecke einfach überging. War ja auch unwichtig. Im Gegensatz zu dem, was Holger sagte. Ja, er und Thomas damals... die Neuen aus der Zweiten. Aber sie hatten ganz schön was drauf und waren eine Bereicherung. Jetzt waren sie sogar Nationalspieler. Wenn sie denn spielten und nicht verletzt waren.

„Und jetzt verändert sich so viel.“

Die Frage war nur in welche Richtung. Philipp wollte etwas erwidern, als Holger mit einer Frage ankam, die er nicht unbedingt erwartet hatte.

„Glaubst du, Mario wird wechseln?“ Holger dachte wieder an Mario und stellte Philipp eine Frage, die er eigentlich gar nicht laut aussprechen wollte. Wie sollte der Kapitän sie denn beantworten können?

Jetzt verstand der Kapitän wenigstens, was er mit dem Gemurmel auf dem Platz auf sich hatte.
„Weißt du, Holger, Veränderungen können positiv und negativ sein. Im Endeffekt kommt es darauf an, was wir damit machen und wie wir damit umgehen. Ich weiß nicht, ob Mario wechseln wird, ehrlich nicht. Aber es ist Fakt, dass er hier nicht glücklich ist. Und ob er es wird? Wenn Lewandowski kommt? Ich weiß es wirklich nicht, aber es würde mich nicht wundern, wenn er uns doch verlässt“, war er ehrlich und schaute auf Holger hinab. Der hatte seinen Wein ja in keinster Weise genossen.

Holger schaute Philipp unentwegt an, als dieser sich zu Mario äußerte. Es tat in gewisser Weise weh zu hören, dass Mario in München nicht mehr glücklich war. Trotzdem hatte er sich um ihn bemüht, ihn in Vail angerufen und versucht von dieser Distanz aus auf ihn einzuwirken. Obwohl es ihm selber total scheiße ging und auch Philipp das nicht entgangen war.
„Diese Veränderung wäre dann aber nur negativ“, murmelte Holger seufzend. Das konnte nicht mal Philipp schön reden, der hatte in Mario schließlich auch einen guten Freund gefunden. Gegen diesen aufgeblasenen Lewandowski wollte er Mario auf jeden Fall nicht eintauschen. Aber er wurde ja nicht gefragt.

„Vielleicht kommt es dir nur so vor, aber es wird auch positive Seiten haben. Vorfreude, wenn ihr euch wiederseht, seine glückliche Stimme, wenn ihr telefoniert... vielleicht wechselt er wirklich nach Italien, dann kannst du ihn da besuchen und Urlaub machen“, überlegte Philipp. Vermutlich klang das in Holgers Ohren auch nicht positiv, aber immerhin war es ein Versuch wert.

Holger kam sich irgendwie vor wie ein kleines Kind, als Philipp versuchte Positives rauszupicken. Es war fast so, als ob er seinem kleinen Sohn erklären würde, dass ein Haustier verstorben war, es nun an einen besseren Ort lebte und wenn die Zeit gekommen war, sie sich wiedersehen würden. Warum der Innenverteidiger aufgrund dieses Gedankens sogar leicht lächeln musste, wusste er gar nicht so genau.

„Noch ist Wein da“, stellte Philipp beiläufig fest und nahm einen großen Schluck aus seinem Glas, aber es war immer noch was drin.

„Wolltest du denn schon mal weg vom FC Bayern?“, fragte Holger, während er sich nach Philipps Äußerung wieder etwas aufrichtete, um noch etwas Wein zu trinken. Wenn er schon mal da war und auch noch angeboten wurde, konnte er schlecht nein sagen. Irgendwie interessierte Holger diese Frage und wartete gespannt die Antwort des Kapitäns ab. Soweit er wusste hatte er ja auch schon Anfragen von spanischen Vereinen erhalten, aber war nie drauf eingegangen.

Sichtlich überrascht drehte Philipp den Kopf und sah Holger an. „Na ja... ich war ja weg, in Stuttgart, aber du meinst sicher die anderen Angebote, oder?“

Der Blonde nickte, als der Kapitän sich vergewisserte, was er meinte.

Philipp trank noch einen Schluck. „Es wäre gelogen, wenn ich sage würden, dass ich nie darüber nachgedacht habe, aber es hat mich nie so sonderlich gereizt, dass ich richtig ernsthaft nachgedacht habe. Ich war immer glücklich hier, habe hier meine Familie, meine Freunde und der FC Bayern ist nun wirklich kein schlechter Verein“, er grinste etwas. „Außerdem kamen immer tolle Jungs irgendwie. Ich hatte nie mit irgendwem groß Probleme, also hatte ich noch mehr Spaß am Fußball als ohnehin schon.“ Er dachte über die Angebote nach... warum hätte er nach Spanien gehen sollen? Er war bei einem tollen FCB und brauchte keinen anderen.

Die Gründe konnte Holger gut nachvollziehen und er bildete sich selbstverständlich damit ein, dass er ihn gemeint hatte, als er von den tollen Jungs sprach, die in den Profikader aufgenommen wurden. Aber damit meinte er unter anderem ja auch Thomas.
„Was wäre schon der FCB ohne dich“, meinte Holger, nachdem Philipp zu Ende.

Philipp lachte leicht. Irgendwie war das ein schöner Satz, aber Holger ließ ihm keine Zeit darauf zu antworten, denn er sprach weiter.

„Was wäre ich ohne dich...“, murmelte der Jüngere leicht verträumt. Schlagartig wurde ihm bewusst, dass dieser Satz tatsächlich mehr oder weniger deutlich und laut über seine Lippen gekommen war. Jetzt konnte er sich doch gleich ein Schild anfertigen lassen, auf dem stand, dass er mehr für Philipp empfand.

Verwirrt und vollkommen überrascht sah Philipp Holger an. Bitte was? Was sollte das denn jetzt? Sein Herz schlug etwas schneller... vor Aufregung? Weil er nicht wusste, was das bedeuten sollte? Sollte er nachfragen? Aber sie hatten auch nie über den Kuss gesprochen... stand das im Zusammenhang?

„Also wahrscheinlich ein Typ, der wegen den vielen roten Karten nur auf der Bank vor sich hin vegetiert“, fügte er belustigt mit einem gekünstelten Lächeln hinzu. Das war nochmal gut gegangen. Der Kapitän würde das jetzt schon als Scherz verstehen... hoffte Holger. Wenn nicht müsste er den Sekt wohl doch noch holen und ihn Philipp irgendwie unterjubeln, damit er ja schön vergessen würde, was er sagte. Zeitgleich zu diesem Plan schüttete er sich noch etwas Wein ein.

Es klang wie ein Witz und im ersten Moment war Philipp erleichtert, dass er umsonst Panik geschoben hatte, allerdings fragte er sich, ob das wirklich Holgers Auslegung des Ganzen war. „Bei einer roten Karte würdest du auf der Tribüne sitzen“, gab er zurück, grinste ebenfalls etwas, Unsicherheit schwang mit. Vor allem auch das Wissen, dass er sogar ohne rote Karten dorthin verbannt war. Für zehn Monate. Philipp nahm noch einen Schluck Wein. Irgendwie kam ihm der Gedanke, dass Alkohol gerade gar nicht so schlecht war.
„Wieso fragst du? Wegen Mario? Oder wegen dir?“

Holger zuckte mit den Schultern: „Es hat mich interessiert, da wir über sowas eigentlich noch nie so wirklich geredet haben.“ Holger lachte etwas. „Und zusammen im Bett sind wir auch noch nie gelandet“, hängte er scherzend dran. War das jetzt etwa schon der Wein? Was redete er denn da für Zeug? Er nahm einen großen Schluck vom Wein und ließ sich wieder tiefer in die Kissen rutschen. Deutlich beschämt. Aber war es eigentlich so schlecht? Wenigstens diskutierten oder stritten sie nicht mehr.

„Dafür haben wir uns schon geküsst“, rutschte es ihm prompt heraus, ehe er überhaupt darüber nachdenken konnte, was er da sagte. Als er dann darüber nachdachte, bereute er die Worte sofort. Was sollte das denn? Was wollte er damit sagen? Warum hatte er sich nicht besser unter Kontrolle, wenn es erforderlich war? Super, Philipp, wirklich. Am besten er sagte gar nichts mehr.
Mit roten Wangen nippte er an seinem Wein. Hatte Holger nicht noch eine Flasche? Könnte er gerade gebrauchen.

Holger weitete die Augen und schaute dann hilfesuchend in die andere Richtung. Mit so einer Antwort hatte er jetzt nicht gerechnet und er schaffte es gar nicht normal darauf zu reagieren. „War doch nur ein dummes Missgeschick“, murmelte er. Ja, ein Missgeschick, bei dem er seine Lippen gegen Philipps bewegt hatte und umgekehrt. Aber vielleicht erinnerte er sich gar nicht mehr genau daran. Holger stellte sich die Frage, ob der Kapitän ihn für schwul halten könnte. Das war er nämlich nicht! Er fand Philipp nur irgendwie süß... und er fühlte sich gut in seiner Gegenwart. Meistens zumindest, außer er bedrängte ihn, aber selbst das konnte Holger ihm mittlerweile nur schwer übel nehmen, da er ja wusste, wie verschlossen er sich manchmal verhielt. Es war alles wirr und das verstärkte der Alkohol zusätzlich.

War es das? Ein Missgeschick? „Vielleicht“, meinte Philipp nur. Er wusste ja, dass dem nicht so war, aber er wollte nicht drüber reden. Es schien so als wollte Holger das auch nicht. Natürlich nicht! Wer wollte das schon? Worüber genau wusste der Kapitän zwar nicht, denn er wusste nicht, was da alles dran hing, aber nun gut. Er würde es wohl nie erfahren.

„Lass uns den Wein austrinken und dann schlafen... ist schon ziemlich spät geworden“, lenkte er ab, „Ich weiß ja nicht, wann du morgen los willst.“ An welchem Tag flog er eigentlich nach Hawaii? Doch nicht morgen schon, oder?

Dieses Mal war Philipp froh darüber, dass Holger ablenkte. Ein dummes Thema, was er da angeschnitten hatte. Aber eine gute Frage, die der Innenverteidiger da auf den Tisch legte. „Ich weiß es auch nicht. Hab da nicht drüber nachgedacht. Eigentlich wollte ich ja morgen das Mannschaftsgrillen machen, aber es sind doch schon zu viele weg. Und... ja...“, er zögerte. Philipp lag auf der Zunge, dass Mittwoch der Flug gehen würde, aber er flog ja nicht mit also sparte er sich das.

Holger schwieg und ging im Kopf die Kollegen durch, die seines Wissens noch in München sein müssten. Und das war doch die Vielzahl, außer er war falsch informiert. Wollte Philipp nur nicht? Das letzte Mal, als er das Mannschaftsgrillen erwähnt hatte, hatte Holger schließlich nur dumm geschnaubt.
„Du könntest es ja einfach mit den Wenigen machen, die noch hier sind“, meinte er dazu. Vielleicht lag er ja wirklich falsch und es waren viele tatsächlich schon Richtung Sonne unterwegs. Wäre die Überleitung zu der Frage, wann denn eigentlich Philipp in den Urlaub flog, nicht optimal? Aber wollte er die Antwort, dass sie Dienstag, Mittwoch oder auch etwas später flogen? Allein der Gedanke daran schmerzte und er wusste nicht einmal, was ihn mehr verletzte. Die Tatsache, dass Philipp in dieser Zeit nicht wirklich erreichbar für ihn war oder dass er Zeit mit seiner Frau verbrachte.

„Theoretisch“, gab Philipp zurück. Was wollte Holger ihm damit sagen? Dass es okay war, wenn er das Grillen durchführte? Jetzt war es doch eh zu spät alle einzuladen.

Philipp schien nicht so überzeugt davon doch noch eine Grillparty zu veranstalten. Aber das musste er selber wissen, Holger würde ihn sicher nicht zwingen.

„Ich hab morgen also nichts mehr vor. Du musst mich schon rausschmeißen - wenn ich mich rausschmeißen lasse“, schob er grinsend hinterher und leerte das Glas, stellte es zur Seite. Ihm fiel der Tee auf, aber da hatte er keine Lust mehr drauf. Er passte auch nicht zu dem Wein.
Philipp klopfte das Kissen auf, legte sich hin und drehte sich zu Holger. Irgendwie stellte er sich die Frage, wann wohl das letzte Mal jemand hier mit Holger geschlafen hatte. Er selber schlief seit Jahren neben Claudia... und mal neben Manuel oder einem anderen Spieler. Aber selbst das hatte Holger seit Dezember nicht mehr. Er konnte sich auch bewusst an keine Freundin erinnern. Aber die Frage laut aussprechen? Nein, bestimmt nicht.

Bei diesem Satz konnte Holger nicht anders als zu schmunzeln. Er kam irgendwie darauf, dass Philipp wohl erst gehen würde, wenn jemand anderes auftauchte und ihn derweil hütete, bis er wieder da war. So eine Art Holger-Sitter.
Er stellte seine Tasse auf den Nachtschrank und legte sich gerade hin, allerdings schmerzte sein Bein wieder etwas, weswegen er sich ein übriges Kissen griff und es unter das rechte Knie schob.

Aufmerksam beobachtete er, wie Holger ein Kissen unter sein Knie legte. „Alles okay?“, hakte er nach und vermied extra die Frage, ob er noch was tun konnte.

„Ja“, nickte er, „Manchmal spürt man die OP-Narben noch, aber es geht schon.“ Das war nicht zu vergleichen mit den Schmerzen der Re-Ruptur, die weitaus schmerzhafter und unangenehmer gewesen waren als beim ersten Kreuzbandriss.

Philipp war froh, dass es mit dem Knie nichts Schlimmes war. Er fragte auch nicht weiter nach, damit Holger nicht groß daran denken musste.

Holger war nicht entgangen, dass Philipp sich zu ihm gedreht hatte, aber so gern er ihm das gleichgetan hätte, bevorzugte er jetzt im Moment die gerade Liegeposition. Am liebsten hätte er sich jetzt sowieso an ihn gekuschelt, aber das Leben verlief nun mal nicht so, wie man das gerne hätte.
„Du willst mich morgen nicht allein lassen, aus Angst, ich könnte was blödes anstellen, oder?“, sprach er es an und lächelte traurig. „Du musst dir deshalb keine Gedanken machen. Wirklich, da kannst du mir zur Abwechslung ruhig mal glauben.“

Überrascht sah er Holger an. „Die Angst hab ich erst seit eben... wegen dem Alkohol“, erklärte Philipp. „Ansonsten hab ich eher Angst, dass du noch mal am Boden liegst und alleine nicht mehr hochkommst und wenn ich dann nicht da bin... ich weiß nicht, was auf dem Platz heute gewesen wäre“, gab er zu. „Es tat weh dich eben so zu sehen... aber lass uns da nicht mehr drüber reden.“

Die Worte lösten ein unangenehmes, ziemlich beklommenes Gefühl bei Holger aus. Es war mittlerweile egal geworden, wie oft er Philipp versichern würde, dass er sich keine Sorgen machen musste. Der Kapitän machte sich diese trotzdem. Ein ehrenvolles Gefühl, wenn auch mit einer dunklen Seite überschattet. Der Ältere stellte da eine interessante Frage. Was wäre wohl gewesen, wenn er nicht da gewesen wäre? Würde Holger jetzt noch dort schluchzend am Boden liegen?

„Wenn du morgen deine Ruhe haben willst, dann fahre ich. Du kannst auch gerne mit zu mir kommen, wenn du nicht alleine sein willst. Aber ich möchte morgen irgendwann nach Hause. Ich hab Juli heute kaum gesehen.“ Automatisch lächelte der Kapitän bei dem Gedanken an seinen Sohn. „Du hast ihn auch länger nicht gesehen, oder? Er ist richtig groß geworden.“

„Nein“, antwortete er hastig und sogar leicht panisch. Er wollte nicht mit zu Philipp. Aber es würde dem Kapitän unglaublich gut tun bei seinem Sohn zu sein, das erkannte man nur zu deutlich an seinem Lächeln, als er von ihm sprach.

Wieder war Philipp irritiert. Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen und irgendwas war komisch daran. Er klang so, als wollte er das nicht. So überhaupt gar nicht. Warum denn nicht?

„Es wird Zeit, dass du wieder mehr Zeit mit deinem Sohn verbringst“, lächelte Holger, auch wenn er sich selber für diese Worte hasste. Aber Julian brauchte Philipp schließlich auch. Der würde ihn auch sicher nicht zurückstoßen. „Nehmt ihr ihn denn eigentlich mit in den Urlaub?“

„Julian bleibt in der Zeit bei meinen Eltern, deswegen haben wir nur eine Woche gebucht. Claudia und ich wollten Zeit für uns haben“, erklärte Philipp. Betreten sah er auf die Matratze. Diese Zeit würden sie nicht haben. Nicht zu zweit. Claudia würde Zeit für sich ganz alleine haben.

Zeit zu zweit? Wie toll. Holgers Blick wurde starr. Da wäre es besser, wenn Julian im Urlaub dabei wäre. Seine Gedanken beiseite schiebend antwortete er etwas ganz anderes. Etwas, was nicht von Argwohn und Eifersucht geprägt war. „Wird Claudia und dir bestimmt mal ganz gut tun. Sie ist in letzter Zeit wirklich zu kurz gekommen. Kommen Basti und Sarah mit?“ Er betete, dass die beiden mitkamen, dann waren sie wenigstens nicht ständig nur unter sich.

„Hm... ja, Basti und Sarah fliegen auch“, meinte er nur. Sollte er Holger schon sagen, dass er hier bleiben wollte? Der würde ihn doch eh dazu bringen wollen, dass er mitflog oder nicht? Nein, erst würde er Claudia darüber in Kenntnis setzen und danach dann Holger.

Holger war erleichtert, dass Basti und Sarah den beiden Gesellschaft leisten würden. Aber lange Zeit sich darüber zu freuen, blieb ihm nicht, denn Philipp ließ wie so oft nicht locker.

„Warum hast du grad so schnell abgelehnt?“, fragte Philipp dann doch nach und sah wieder auf, suchte Holgers Blick. Hatte er was gegen Kinder? Das wäre ihm aber neu.

Holger erwiderte den Blick kurz, um gleich danach wieder wegzusehen. Was sollte diese Frage? Er konnte ihm doch schlecht die Wahrheit sagen, dass Claudia für ihn ein Dorn im Auge war.
„Ich will halt nicht“, antwortete er und zuckte achtlos mit den Schultern, „Hätte ich mit der Antwort dann noch länger warten sollen?“
Es tat weh, dass er so traurig klang, aber was sollte er denn machen? Was sollte er bei Philipp? Sich mit seiner Frau, an deren Stelle er gerne sein wollte, unterhalten? Jetzt musste ganz schnell eine geeignete Ausrede her...
Dass er Kinder nicht mochte, schloss er aus. So wie er mit Arjens Kinder umging, wenn er sie beim Training dabei hatte, glaubte Philipp das sowieso nicht.

Die andere Antwort hingegen verwirrte ihn. „Warum möchtest du denn nicht?“, hakte er nach und klang etwas traurig. Er verstand nicht, warum Holger denn nicht wollte. Wollte er jetzt nur Zuhause hocken oder was? Oder lag es daran, dass er Zeit mit ihm verbringen musste? Reichte ihm Philipps Anwesenheit schon wieder?

„Kannst du's denn nicht einfach akzeptieren, dass ich nicht will?“ Darüber, ob das besser als eine Ausrede war, wollte Holger gar nicht nachdenken. War doch alles irgendwie bescheuert.

„Ich werd doch wohl mal fragen dürfen?“, gab Philipp fast schon zickig zurück. „Ich verstehe halt nicht, was dein Problem ist. Gegen Kinder hast du nichts, gegen mich hast du nichts... kannst du Claudia nicht leiden?“ Die einzig logische Erklärung kam ihm plötzlich in den Sinn. Philipp war verwirrt. Das wäre ihm neu. Und was sollte er auf einmal gegen sie haben? Eigentlich konnte er es sich nicht vorstellen, aber Holger würde wohl kaum fern bleiben, nur weil ihm das Sofa oder die Küche nicht gefiel.

Holger fühlte sich – mal wieder – bedrängt. Warum konnte Philipp es nicht einfach gut sein lassen? Und mit seinem Verdacht, er hätte etwas gegen Claudia, lag er eben auch noch goldrichtig. Es war nicht so, dass er sie überhaupt nicht mochte, sie störte ihn eben, weil sie Philipps Ehefrau war und sie immer an erster Stelle stehen würde.
„Gute Nacht“, sagte Holger nur noch, zog sich die Decke über und schloss seine Augen. Darüber diskutierte er jetzt nicht.

Es versetzte Philipp einen Stich. Natürlich sagte Holger nichts darauf. Aber wie so oft war keine Antwort auch eine Antwort.
„Ich wusste nicht, dass du Claudia nicht leiden kannst. Sie trifft sich dienstags oft mit ihren Freundinnen. Vielleicht hast du ja dann mal Lust. Wenn nicht, vergiss die Frage einfach. Gute Nacht.“

Holger hatte Philipps Worte natürlich noch gehört. Wie denn auch nicht? Er konnte ja sowieso nicht einschlafen. Also konnte er den Kapitän im Prinzip nur Dienstag in seinem Haus besuchen, das er gemeinsam mit seiner Ehefrau bewohnte? Das ganze Haus erinnerte ihn doch daran, dass Philipp niemals ganz für ihn da sein konnte. Er seufzte leicht, als der Ältere ihm auch eine Gute Nacht wünschte. Es war wieder einmal so eine typisch offene Diskussion, die sich immer mitten im Gespräch einschlich.

Philipp legte sich auf den Bauch und legte seine Arme um das Kissen. Es dauerte nicht lange, da war er eingeschlafen. Erst jetzt machte sich bemerkbar, dass der Tag sehr anstrengend war und er vor allem kaum Schlaf hatte in der letzten Nacht. So war es auch nicht verwunderlich, dass er schnell in einen ziemlich tiefen Schlaf fiel und sich wieder zurück auf die Seite drehte. Seine Hand stieß dabei leicht gegen Holger, aber das merkte er gar nicht. So schnell würde ihn wohl nichts wecken können.



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