Kapitel 149 – Verspäteter Besuch


Es vergingen weitere Tage und irgendwann stand das Spiel gegen Wolfsburg an. Philipp packte seinen Koffer. Er musste die Sachen für Manchester auch mitnehmen, deswegen reichte ein Handgepäck nicht aus. Claudia war in der Küche und räumte auf. Das Frühstück hatten sie schweigend zu sich genommen. Nur Julian hatte vor sich her gebrabbelt.
Ein bisschen hatte er schon ein schlechtes Gewissen, aber eben nur ein bisschen. Er packte also auch froh seine Koffer. Den Bilderrahmen, den er gekauft hatte, wickelte er in ein Shirt, damit er ja nicht zerbrach. Es war ein Bild von ihnen beiden. Einfach zwei Freunde. Nicht mehr und nicht weniger, denn auffallen durften sie ja nicht. Philipp wusste aber, dass es Holger trotzdem helfen würde.



Die Nachricht riss ihn aus seinen Träumereien. Holger seufzte, da er Philipp wieder einmal recht geben musste. Er verdrängte den ersten Teil erstmal und konzentrierte sich darauf, wie wohl das Wiedersehen zwischen ihnen verlaufen würde. Er freute sich schon riesig darauf und hoffte darauf, dass sie sich in seiner Wohnung wiedersehen würden. Denn dann konnten sie wieder ihre Lippen berühren und mussten nicht vorgeben, sie wären nur einfache Kollegen, die sich nur auf dem Platz Zärtlichkeiten schenkten.

Die nächsten Tage über hielten sie regen Kontakt, schrieben hin und her, wenn auch meist nur abends, wenn Philipp nach dem Training auch Zeit hatte.
In der Stadt auf der Insel hatte Holger noch ein hübsches Souvenir für den Kapitän gesehen und es für ihn gekauft. Der Ältere hatte ihn schon so viel geschenkt, da wollte er ihm auch einmal eine kleine Freude machen.

Der 28. September rückte näher. Morgens checkten Holger und seine Mutter aus dem Hotel aus und begaben sich zum Flughafen. Helgas Flug zurück nach Deutschland ging eine Stunden eher als Holgers Flug im Privatjet des FC Bayern, weswegen er die Zeit lang gelangweilt auf dem Flughafen verweilte und Musik hörte. Zwischendurch verschickte er natürlich Nachrichten an seine Kollegen und wünschte ihnen Glück für das Spiel gegen Wolfsburg. Ganz besonders Philipp drückte er beide Daumen für das Spiel. Irgendwie war es ganz praktisch, dass er sich auf das Wolfsburgspiel konzentrieren und den Liveticker verfolgen konnte, so musste er wenigstens nicht an Vail und seine Operation denken.


Nachdem er in den Privatjet gestiegen war, setzte er sich für die Reise seine Kopfhörer auf, lehnte den Kopf zurück und schlief vor sich hin. Nur nicht weiter über den bevorstehenden, immens wichtigen Op-Termin nachdenken.



1:0. Nicht besonders gut, aber immerhin. Es zählten am Ende die Punkte, die sie sammelten und nicht, ob sie ein Tor oder drei schossen. Gut, die Tordifferenz war auch wichtig, aber Philipp glaubte nicht, dass diese ihnen am Ende der Saison die Meisterschaft bescheren würde.
//Na, wo bist du grad, wenn du die Nachricht liest? Wir haben 1:0 gewonnen. Bedank dich bei Thommy ;) ich liebe dich :-*//
Philipp wusste es nicht genau, aber es war egal, denn bald würde er bei Holger sein. Nervosität und Vorfreude kroch in ihm empor. Diese wurde aber etwas geschmälert, als Bastian zu ihm kam.


Ich verstehe das nicht.“


„Was?“


„Warum fliegst du schon wieder?“


Philipp erwiderte den sturen Blick des Jüngeren. Er wollte seinem Kumpel auch beistehen, das war ihm klar. Vor allem, nachdem sie doch einige Streitereien gehabt hatten. Der Kapitän zögerte. „Ich glaube, Pep sieht es wie Jupp. Ich weiß nicht genau…“
Mit Pep hatte er besprochen, dass niemand erfahren würde, dass es sein Wunsch gewesen war. Sie wollten nicht, dass das ein schlechtes Licht auf Holger warf. Es sollte nicht so wirken, als müsste Philipp darum betteln, dass jemand bei Holger war, weil er sich zu sehr sorgte.


„Na, richte ihm aber liebe Grüße aus, ja? Ich melde mich nach der OP bei ihm.“


„Sag ich ihm. Er wird sich sicher freuen.“ Philipp schenkte Bastian ein ehrliches Lächeln, ehe beide sich unter die Dusche begaben. Philipp musste sich etwas sputen. Er musste ja gleich direkt zum Flughafen.



Kurz nach Mitternacht setzte die Maschine zur Landung an und ließ Holger unruhig die Augen aufschlagen. Die ganze Zeit über konnte er nicht schlafen, hatte sich mit einigen Apps die Zeit vertrieben und entdeckte erst nach dem Aussteigen die Nachricht von Philipp.
Nichts deutete daraufhin, dass sie sich viel früher als eigentlich erwartet wieder sehen würden.
//Bin gerade in Vail angekommen. Mal sehen, ob es wieder der nette Taxifahrer von damals ist, der mich fährt ;) Den Spielbericht studiere ich vor dem Schlafen aber noch ausführlich, damit ich gescheit informiert bin. Glückwunsch zum Sieg! Du warst bestimmt auch so fleißig wie Thommy :)  Grüß die Jungs von mir. Ich liebe dich auch :-*//
Holger hätte am liebsten erneut verdeutlicht, wie sehr ihn vermisste und in dieser Zeit brauchen würde, aber er hielt es für besser darüber zu schweigen. Damit würde er Philipp nur belasten und das hatte der Kleinere einfach nicht verdient sich so viele Sorgen machen zu müssen. Er würde die OP schon irgendwie hinter sich bringen und dann mit dem Ergebnis leben müssen.
Wie erwartet stand das Taxi bereit und auch den Fahrer erkannte er wieder.


„Der Klinik ist es wieder nicht so recht, dass Sie erst so spät ankommen“, sagte er, ehe er das Gepäck in den Kofferraum lud.


Holger seufzte. Als ob er sich das ausgesucht hätte hier nochmal herkommen zu müssen. Bevor er aber ins Auto stieg, drehte er sich nochmal um und ließ den Blick schweifen. Vail war eine richtig schöne Stadt, weswegen er es schade fand immer aus so einem Anlass herzukommen und diesen Ort automatisch mit diesen grausamen Erinnerungen verbinden zu müssen.
Das Einsteigen in das Taxi und die Fahrt in die Klinik war das letzte Mal, als Philipp bei seiner Ankunft dabei gewesen war, komplett anders. Nicht unbedingt leichter, aber irgendwie hatte er gewusst, dass jemand ganz in seiner Nähe war und nicht kilometerweit weg in München.


Bei seiner Ankunft wurde er von der Nachtschicht empfangen und in sein Zimmer geführt, in dem er sich unwohl fühlend die Nacht verbrachte.

Am Morgen hätte er sich dann eigentlich auf eine Nachricht von Philipp gefreut, doch seine Hoffnungen wurden beim Blick auf das Smartphone jäh zerstört. Seufzend lege er es weg und begab sich ins Badezimmer.
In einer Stunde erwartete ihn Dr. Steadman, der mit ihm noch ein paar Einzelheiten besprechen wollte und sich auch nochmal dem Zustand seiner Knie vergewissern wollte.


Auch nach diesem Termin gab es keine Nachricht von Philipp, weswegen Holger die Stirn kraus zog. Normalerweise hätte er längst geantwortet...
Er tippte auf seinem Handy, ehe er die Zeilen sofort wieder löschte. Er würde ihm sicher nicht hinterher telefonieren. Vielleicht passte es ihm auch einfach nicht zu antworten... oder er war mit seiner Frau beschäftigt. Kopfschüttelnd rutschte er weiter auf sein Bett, ehe er sich ganz hinlegte und nachdenklich an die Decke starrte. Er wollte weder an die OP denken noch an Philipp und Claudia. Gut, dass er sich ein Buch mitgenommen hatte, in dem er in solchen Momenten schmökern konnte. Es bot auch relativ gute Ablenkung, aber ganz verbannen konnte er die schlechten Gedanken nicht.


Philipp blickte immer wieder genervt auf die Anzeigetafel. Erst wurde sein Flug um eine Stunde verschoben und dann um zwei. Schließlich musste er bis in die frühen Morgenstunden warten und konnte auch nicht vom Flughafen weg, weil er natürlich schon durch die Sicherheitsschleusen gegangen war. Das fing ja super an. Als wenn er nicht eh schon zu wenig Zeit in Vail hatte.
Dadurch verpasste er seinen Anschlussflug und musste in Dallas eine ganze Weile warten. Sein Handy hatte keinen Akku mehr, das Ladekabel war im Koffer, er war übermüdet und hatte schlechte Laune, weil er nicht zu Holger konnte. So eine scheiße…


Es verging der Tag und sein Handy blieb stumm. Nur von Kumpels und seiner Familie kamen Nachrichten und Mails. Allesamt drückten ihm die Daumen und machten Holger damit nur noch nervöser im Hinblick auf seine nahende Operation. Und Philipp? Der hatte ihm zwar gesagt, er könne jederzeit anrufen, wenn was wäre, aber jetzt war es nachts und irgendwie kam er sich dämlich vor, jetzt schon angekrochen zu kommen. Dennoch hielt er sein Handy bis spät in die Nacht in der Hand und wollte den Älteren kontaktieren. Schlafen konnte er sowieso nicht, er war viel zu aufgeregt und angsterfüllt, als dass er gut schlafen können würde. Irgendwann klopfte es schließlich an der Tür. Es war Schwester Anna, die er erst jetzt endlich wiedersehen durfte.
Mit ihrem freundlichsten Lächeln begrüßte sie den Fußballer und wollte ihm etwas von ihrem Optimismus abgeben, denn sie wusste, wie ihm zumute war. Eine gute Menschenkenntnis und das nötige Feingefühl waren in diesem Beruf sehr vom Vorteil und das alles brachte die Krankenschwester mit.


„Soll ich Ihnen noch eine Tasse Tee machen, damit Sie einschlafen können?“, schlug sie vor. „Und eine Schlaftablette?“


Holger wollte zum Sprechen ansetzen, aber Schwester Anna unterbrach ihn sanft.


Das ist alles mit dem Personal morgen abgesprochen und auch mit Dr. Steadman. Darüber müssen Sie sich keine Gedanken machen. Aber es wäre wichtig, dass Sie etwas zur Ruhe kommen.“


Holger konnte nicht anders als zu nicken und seine Mundwinkel etwas nach oben zu ziehen. Diese Frau hatte ihren Beruf wahrlich nicht verfehlt. „Danke.“


Sie strich nur kurz über seine Hand, zwinkerte ihm zu und erhob sich dann, um ihm den Tee und die Tablette zu holen.


Und es klappte dann sogar mit dem Schlafen, auch wenn er etwas unruhiger als sonst in seiner Traumphase gewesen war.



Es war also bereits der nächste Tag spätabends als Philipps am Gepäckband stand. Dabei konnte er ein Gähnen nicht unterdrücken. Im Flugzeug hatte er zwar etwas schlafen können, aber ideal war das auch nicht gewesen.
Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es etwa zehn Uhr Ortszeit war. Ins Krankenhaus durfte er eh nicht mehr, außerdem war er einfach nur total fertig und musste dringend schlafen.

Mit seinem Koffer beeilte er sich dann zu den Taxen zu kommen. Philipp wurde von einem Cheuffeur erwartet und wurde ins Hotel gebracht. Der Weg führte ihn direkt ins Bett. Vorher schloss er eben noch sein Handy am Strom an und stellte einen Wecker, damit er ja nicht verschlief.


Am Morgen konnte Holger nicht einmal mehr sagen, von was er träumte. Es war auch egal, denn es gab etwas, was ihn fast noch mehr beunruhigte, als seine OP. Philipp hatte immer noch kein Lebenszeichen von sich gegeben. Es war doch aber alles okay? Holger beschloss ihm kurz vor der OP noch zu schreiben, doch die Zeit wollte nicht vergehen. Da er nüchtern sein musste, durfte er kein Frühstück zu sich nehmen und beschäftigte sich mit Lesen... Lesen und den Blick zum Handy und zu dem Souvenir, das er Philipp gekauft hatte, schweifen zu lassen.
Seine Laune verschlechterte sich zusehends und er wurde von Minute zu Minute angespannter. Er hatte Angst und eine totale Unruhe plagte ihn.


Um acht Uhr ging sein Wecker und Philipp fühlte sich tatsächlich etwas erholt. Zwar konnte er gut und gerne noch länger schlafen, aber er wollte zu Holger. Hoffentlich noch rechtzeitig vor der OP. Schnell duschte und frühstückte er und ging dann rüber zur Klinik. Er war in demselben Hotel wie letztes Mal untergebracht gewesen, so war der Weg nicht weit.
Er trug ein Lächeln auf den Lippen und das kleine Geschenk in der Hand, als er durch den Eingang schritt. Am Empfang fragte er nach Holgers Zimmernummer. Irgendwie stieg seine Nervosität als er im Aufzug nach oben fuhr. War Schwester Anna wohl da? Und wie würde Holger reagieren? Er würde sich bestimmt freuen. Würde er doch, oder?
Das kleine Ping-Geräusch kündigte die Ankunft an. Philipp kam raus und ging den Gang entlang. Das Zimmer fand er schnell. Er räusperte sich, atmete tief durch und klopfte dann.


„Herein“, sagte Holger wenig begeistert. Wahrscheinlich nur Schwester Anna, die fragen würde, ob alles in Ordnung war.



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Kommentare: 3
  • #1

    Julia -28 (Samstag, 05 Dezember 2015 08:57)

    Hallo :)

    Voll lieb von Philipp, dass er für Holger nach Vail reist und dieser nichts davon mitbekommt.
    Auch das Holger sich sorgen um Philipp macht, weil er ihn so lange nicht mehr geschrieben hat.
    Aber wenn er wüsste, dass Philipp vor seiner Zimmertür steht!
    Bin gespannt wie Holger sich freuen wird :)

    Lg Julia

  • #2

    Engel (Sonntag, 06 Dezember 2015 00:21)

    Gott sei dank ist Philipp endlich in bei Holger angekommen. Der wird Augen machen ^^
    Ein böser Cliffhanger, muss ich schon sagen ;)
    Schreibt bitte ganz schnell das neue Kapitel! Ich will Holgers Reaktion wissen

  • #3

    Peanut (Montag, 07 Dezember 2015 14:44)

    Ich weiß gar nicht wie ich anfangen soll... Weil ich weiß auch nicht mehr warum ich das Lesen hier aufgehört habe!
    Bin durch meine Schwangerschaft aber jetzt zu viel freier Zeit gekommen und tadaaaa ich schau durch meine Lesezeichen und finde diese Seite wieder^^
    Es ist sooooooooo viel passiert und ich hab es fast am Stück verschlungen!
    Bin total Happy das Phil und Holger zu einander gefunden haben :D
    An sich läuft's ja super, zwei Dinge aber stören aber eindeutig noch!
    Ich finde es Claudia gegenüber total unfair, Phil betrügt sie aber irgendwie hat er immer nur Gewissensbisse wenn er Holger vernachlässigt. Das ist ihr gegenüber nicht richtig. Er muss sich entscheiden!
    Ach und ja, die Sache mit Basti, man kann doch nicht ewig einen seiner besten Freunde so belügen, wenn er es selbst rauskriegt wär es vollkommen verständlich wenn diese Freundschaft in die Brüche geht.

    So, dass war mal jetzt so ein kurzer Umriss, ich freu mich wenn's weiter geht :)
    Glg