Kapitel 117 - Mit Herz und Verstand



Philipps Aussage überraschte Holger nicht. Er lächelte verlegen, schüttelte kaum merklich den Kopf. „Ich bemüh mich wach zu bleiben.“ Das würde er wirklich, auch wenn es doch auch für ihn sprach, dass er so ruhig und friedlich in seinen Armen schlafen konnte. Aber er wollte die Zweisamkeit genießen und deshalb alles dafür tun wach zu bleiben. Allerdings fiel ihm etwas auf, was ihn den Kapitän skeptisch mustern ließ. „Bist du denn überhaupt nicht müde? Die anderen in -“ Holger stoppte sofort. Wollte er jetzt ernsthaft sagen, dass die anderen in seinem Alter am liebsten die Treppen hochgekrochen statt gegangen wären? Gut, dass er sich noch rechtzeitig unterbrochen hatte!


Philipp sah auf und fragte sich wie Holger den Satz eigentlich formulieren wollte. Kurz war er in Versuchung nachzufragen, ließ es aber dann doch bleiben.


„Viele sind so fertig vom Training, du anscheinend ja nicht“, stellte er schmunzelnd fest und setzte sich aufs Bett. Irgendwie war der Anfang immer etwas schwer. Er traute sich nicht ihn fordernd zu sich zu ziehen und sein ganzes Gesicht, einschließlich seinem Hals mit Küssen zu verwöhnen, obwohl er es schon gerne tun würde. „Was hast du denn für Eindrücke vom Trainer?“, erkundigte er sich und war froh, dass ihm ein passendes Thema eingefallen war. Ihn interessierte das ja auch, immerhin glaubte er daran, dass er auch noch dazu kam unter Pep Guardiola zu trainieren.


Der Kapitän zog sich gerade die Schuhe aus als Holger die Frage stellte. Sie überraschte ihn, weswegen er auch etwas überrascht aufsah. Mit Smalltalk hatte er nicht gerechnet und wenn, dann nicht mit so einer Frage.
„Gute Eindrücke“, stellte er sofort fest. „Pep weiß, was er will und er weiß, wovon er redet. Noch kann man sein System nicht erkennen, aber er arbeitet daran. Und was ich echt gut finde, ist, dass er das persönliche Gespräch sucht. Er redet viel mit uns. Vor allem dann, wenn etwas nicht klappt, wie er sich das vorstellt. Ausführlich erklärt er dann noch mal, was er möchte. Ich mag diesen Kontakt sehr, den er sucht“, erklärte Philipp ihm, ließ seine Schuhe stehen und krabbelte aufs Bett. Er legte sich quer darüber auf den Bauch, so dass sein Gesicht neben Holger war. Philipp entschloss sich aber doch sich auf den Rücken zu drehen, damit er den Jüngeren angucken konnte.


Interessiert hörte er Philipps Erklärung zu. Es war ihm wichtig zu erfahren, wie Pep mit seinen Kollegen umging, so konnte er abschätzen, wie er sich dann ihm gegenüber verhalten würde, sobald er wieder bereit war für das Mannschaftstraining. Dass Pep Kontakt zu den Spielern suchte, war ihm vom bloßen Beobachten sogar schon aufgefallen, da er ihn oft bei Philipp, Franck oder den anderen stehen sah. Wild gestikulierend, weil er sich mit der deutschen Sprache doch noch nicht ganz so gut auszudrücken wusste.
Es überraschte ihn aber ganz und gar nicht, dass Philipp nur lobende Worte für den neuen Trainer hatte.

Er warf den Blick auf den am Bauch liegenden Kapitän, der sich dann auf den Rücken drehte, wodurch ihm der Blick direkt in sein Gesicht nicht länger verwehrt blieb.


Wieso fragst du? Weißt du noch nicht so richtig, was du von ihm halten sollst?“


Bisher war mein erster Eindruck positiv, aber viel kann ich einfach noch nicht sagen, weil es nicht beurteilen kann. Durch das Beobachten bekomme ich zwar einiges mit, aber nicht so intensiv wie ihr auf dem Platz. Es ist mir wichtig schon Eindrücke zu sammeln, das ist im Moment ja auch das einzige was ich tun kann, um da zu bleiben. Ich möchte nicht desinteressiert wirken, nur, weil ich lange Zeit nicht mehr mit trainieren kann.“ Nun lächelte er aber, rutschte etwas weiter weg, damit er sich seitlich über Philipp beugen konnte. Seine Hand legte er zwischen Schulter und Brust ab, stützte sich so ab, um ihm einen leidenschaftlichen Kuss zu rauben.


Philipp wollte Holger bestätigen in dem, was er sagte. Ihm klar machen, dass er es gut fand, dass er da war und ihnen beim Training zusah. Er wollte ihm einfach zustimmen und unterstützen. Der Kuss hinderte ihn aber. So richtig rechnete er nicht damit. Etwas überrascht keuchte er auf, erwiderte ihn aber sofort. Wie von selbst fand sich auch seine Hand in Holgers Nacken, kraulte ihn sanft, während ihre Lippen sich gegeneinander bewegten.


Philipps Keuchen ließ ihn schmunzeln. Es war genau richtig die Initiative zu ergreifen, auch wenn das sehr viel Mut erforderte.


Als sie sich lösten, grinste Philipp Holger an. „So hab ich mir das gestern vorgestellt“, gab er zu, suchte die blauen Augen und versank direkt darin. Wieso war ihm früher nie aufgefallen, dass er so schöne Augen hatte? Er konnte sich das immer und immer wieder fragen.


Am liebsten hätte er den Kuss gar nicht mehr aufgegeben, aber er musste ihn irgendwann lösen. Wenigstens blieb die Hand in seinem Nacken und sorgte für ein aufgeregtes Kribbeln auf seiner Haut.
„Dann holen wir das direkt nach“, hauchte er und überbrückte die sehr minimale Distanz zwischen ihren Lippen. Es fühlte sich verboten gut an halb auf ihm zu liegen und seine Lippen so intensiv kosten zu dürfen. In seinen Ohren klang das fast schon sehnsüchtig, wie Philipp sogar heute morgen und jetzt auch wieder betonte, dass er das gestern schon haben wollte. War er ihm also auch schon wirklich so verfallen? Es musste so sein. Nicht umsonst gab es Stress mit Claudia.
Holgers Herz machte einen aufgeregten Hüpfer, als er sich vorstellte, wie Philipp nur ihm gehören könnte.


Holger küsste ihn einfach weiter und Philipp gefiel das zugegebener Maßen richtig, richtig gut. Es gefiel ihm, wie er hier lag und sich Holger über ihn beugte und immer wieder nach seinen Lippen schnappte. Nie hätte er damit gerechnet, dass es dazu kommt. Selbst nicht an dem Abend, als er ihn das erste Mal geküsst hatte. Er hatte nicht weiter gedacht. Nicht überlegt, was morgen wäre oder übermorgen oder nächste Woche. Es hatte nur für den Moment gedacht und gehandelt.

Genau das tat er auch jetzt. Philipp verbot sich den Gedanken an eine Zeit nach dem Trainingslager, damit er das jetzt und hier genießen konnte. Und das tat er. Bis zum Äußersten reizte er ihre Knutscherei aus, grinste Holger dann an. Sein Atem ging schon etwas schwerer. Ja, jetzt merkte er, dass seine Lungen schon ganz schöne Arbeit geleistet hatten heute.


Auch wenn sie ihren Kuss lösten, genoss Holger es beinahe genauso, wie Philipps heißer Atem seine Haut im Gesicht streifte.


Philipp hob auch den anderen Arm an und fuhr mit beiden Händen durch Holgers Haare. Er mochte das irgendwie. So toll er auch Claudias lange Haare fand, so sehr mochte er auch die Kurzen von Holger.


Wieder streichelte er über seine Haare, er liebte das. In Vail tat er es so oft und er war beruhigt, dass er nicht damit aufhörte. Dieses Streicheln über seinen Kopf beruhigte ihn auch, gab ihm Sicherheit, die Holger in dieser Zeit so bitter nötig hatte. Vor allem von Philipp. Es zeigte, dass alles in Ordnung war, sonst würde er ihm auch nicht über den Kopf streicheln.


„Ich bin froh, dass du mitgekommen bist“, flüsterte er lächelnd. Er war schon vorher froh gewesen, aber jetzt erst recht irgendwie.


Holger nickte bloß und lächelte. Es stellte sich ihm aber die Frage, wie es geworden wäre, wenn er nicht mitgekommen wäre. Wenn er sich dagegen entschieden hätte, weil er Philipps Nähe nicht ausgesetzt sein wollte. Eine denkbare Vorstellung zu gegebenen Situationen vor dem Trainingslager, aber nun war das unvorstellbar. Holger bereute keine Sekunde mitgekommen zu sein. Nicht jetzt, wo er halb auf Philipp lag, ihn erneut küsste und erst jetzt darauf aufmerksam wurde, dass auch ihm die Luft fehlte dies noch weiter auszureizen.


Wieder küsste Holger ihn und wieder hatte Philipp keine Einwände. Allerdings nahm er das Tempo etwas aus dem Kuss. Die Leidenschaft wich der Zärtlichkeit. Beinahe liebevoll berührten sich immer und immer wieder ihre Lippen.


Nur noch zart und fein berührten sich ihre Lippen. Aber deshalb nicht weniger intensiv. Zumindest was Holgers Gefühle anging. Denn die waren alles andere als oberflächlich. So etwas intensives, wärmendes hatte er noch nie gefühlt.


Alles in Philipp kribbelte und er fühlte sich wie ein Teenager, der verliebt war. Er musste sich eingestehen, dass er das vermisst hatte. Bei Claudia hatte er schon lange keine Schmetterlinge mehr gespürt. Vermutlich verging das wirklich einfach irgendwann, aber gerade war es toll, dass das Gefühl da war.
Sein Herz pochte auch unruhig und aufgeregt in seiner Brust. Ob Holger es wohl spüren konnte? Er wusste es nicht, aber so, wie er auf ihm lag, wäre das kein Wunder.


Holger lächelte, als er an seiner Hand das Schlagen von Philipps Herz wahrnehmen konnte. Es war mehr als nur eine Bestätigung, dass da so viel mehr im Spiel war als Verlangen oder ein Ersatzobjekt, weil Claudia nicht da war. Holger gab dem Kapitän noch einen Kuss auf den Mund, ehe er weiter runterrutschte und die Hand von seinem Körper entfernte, um diese besondere Stelle zu küssen. Seine Lippen übten beim Kuss leichten Druck aus, konnte dadurch sogar einen kurzen Moment das Pochen im Inneren fühlen, während er aber auch feststellen durfte, dass es schöner gewesen wäre, wenn er seine blanke Brust hätte küssen können. Ohne das lästige Stück Stoff.


Etwas überrascht beobachtete Philipp wie Holger sein Herz küsste. Es war aber eine schöne Geste. Wieder so ein Moment, der ihm zeigte, wie sehr Holger für ihn fühlte und wie verdammt gut es ihm tat, dass er die Gefühle erwiderte. Philipp wollte sich nicht ausmalen, wie es wäre, wenn er nicht verstanden hätte und Holger immer noch meiden würde. Und das würde er weiterhin tun, weil er nicht gewusst hätte, wie er damit umgehen sollte.


Lächelnd sah er auf, entfernte sich etwas, um sich wieder in eine sitzende Position zu begeben. „Schlafen wir heute dann quer im Bett?“, merkte er zu Philipps Liegeposition neckend an, stellte aber sofort klar: „Aber ich will noch nicht schlafen, keine Sorge.“ Während er ihn so betrachtete, kam ihm der Gedanke, dass er seine Stirn oder eher seinen Kopf auch küssen sollte. Philipp hatte schließlich sowohl Herz, als auch Verstand, was auch etwas war, was Holger so an ihm schätzte.


Die Frage riss ihn aus seinen Gedanken. Er lachte leicht und schüttelte den Kopf.


Philipp beantwortete die Frage mit einer Tat. Automatisch lächelte er ihn an bei seinen Worten. Wenn er sich daran zurückerinnerte, wie schwer es ihm in Vail gefallen war auch nur den Ansatz eines Lächeln zu formen, bemerkte er den Unterschied zu jetzt. Philipp brachte ihn damals mit viel Einsatz zum Lächeln und auch jetzt wieder. Es war ein tolles Gefühl und Holger war ihm unglaublich dankbar dafür.


Nein, das hatte ich eigentlich nicht vor.“ Philipp setzte sich auf. „Aber das hat sich eben angeboten, dass ich mich neben dich lege.“ Er schmunzelte etwas und stand vom Bett auf, um sich zu strecken.


Genau in diesem Moment ertönte sein Handy. Es war eine Nachricht. Philipp zog es aus der Hosentasche. Claudia. Nach der Nachricht, die sie ihm am Morgen geschickt hatte, hatte er ihr gesagt, dass es doch gar nicht darum gegangen war, dass er sie nicht vermissen würde oder so. Es ging lediglich um seinen Sohn, der nun mal auf dem Foto zu sehen war. Den ganzen Tag über hatte sie sich nicht gerührt. Warum ausgerechnet jetzt, als er hier mit Holger lag und sie sich küssten?
Fast als hätte sie es gewusst und wollte stören… er las also ihre Nachricht.


Holger schwieg derweil und versuchte aus der Mimik des Älteren zu lesen, von wem die Nachricht kam. Er wirkte etwas erbost, wenn sich der Blonde nicht täuschte.


//Darum geht es nicht? Gut, dass es nicht um mich geht. Geht es ja irgendwie eh nie.//


Stumm seufzte er.


//Du weißt, dass das nicht stimmt. Lass uns reden, wenn ich wieder da bin. Vorher hat das keinen Sinn.//


Vorher wusste er auch nicht, was er eigentlich wollte. Philipp schaltete das Handy auf stumm und legte es auf den Nachtschrank.


Holger erwartete, dass ein Kommentar dazu kam, als er das Smartphone wieder wegsteckte, aber er wartete vergebens.


Wieso Philipp das ausgerechnet jetzt einfiel, wusste er nicht, aber er erinnerte sich an die Massage, die sie eigentlich geplant hatten. Sofort suchte er Holgers Blick.


„Zieh dich aus“, forderte Philipp todernst und sah ihn einen Moment an.



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Kommentare: 2
  • #1

    Mailiw Alba (Montag, 09 März 2015)

    :O Ihr seid so gemein! Hört an dieser Stelle auf, so hundselend gemein und Claudia
    nervt einfach, liegt an dem Namen, eine Kollegin von mir hieß auch Claudia haha.. die fand ich
    furchtbar ^_^ ich kann auf sie verzichten ;D Aber das Kapitel war toll und intensiv.. etwas kürzer?
    als die anderen aber das ist ja nicht schlimm! Ich freu mich einfach auf das nächste!

  • #2

    Engel (Donnerstag, 12 März 2015 22:47)

    Hey :)
    Na hoffentlich erschreckt Phil Holger jetzt nicht mit dieser Forderung
    Der Schaltet bestimmt nicht so schnell, dass Philipp die Massage meint ^^
    Claudia hat schon irgendwie gut gepasst
    Eibfach um zu demonstrieren, dass sie sich nicht in Luft aufgelöst hat, do sehr wir und das auch wünschen ;)
    Aber Phil reagiert gar nicht schlecht
    Er antwortet noch, verschiebt aber alles andere auf nach dem Trainingslager
    Damit er Holger besser genießen kann.. ;)