Kapitel 105 – Sanft wie Schneeflocken



Holger wachte mitten in der Nacht auf. Nicht, weil er sich unwohl fühlte oder er schlecht schlafen konnte. Irgendwie konnte er es selber nicht ganz glauben, dass er jetzt tatsächlich in Philipps Armen lag. Einen Augenblick lang dachte er sogar daran, dass er noch schlief und das alles nur träumte. Aber er fuhr über Philipps Arm, spürte, dass es sich real anfühlte und urteilte deshalb, dass dies der Wirklichkeit entsprach. Der Anblick des schlafenden Kapitäns war wundervoll. Holger konnte sich nicht satt sehen, studierte seine Gesichtszüge, fixierte den leicht geöffneten Mund. Zu gerne hätte er ihm jetzt einen Kuss auf die Lippen gehaucht, aber er hatte Angst, er würde ihn aufwecken. Viel lieber riss er dann doch seinen Blick los und kuschelte sich näher in die starken Arme, die ihn so behüteten und Schutz versprachen.

Nachdem die Nacht in den frühen Morgenstunden ein Ende fand und der automatisch gestellte Wecker schellte, schlug Holger träge die Augen auf und musste sich kurz orientieren. Er schlug die Decke leicht weg, damit er sich etwas aufrichten konnte, aber als er sich die um ihn geschlungenen Arme bewusst wurde, dachte er gar nicht mehr daran aufzustehen. Von sich aus würde er diese Position nicht lösen. Wenn sie nicht irgendwann wieder aufstehen müssten, würde Holger sie niemals mehr unterbrechen.
Anstatt des Weckens und eines guten Morgens drehte er sich auf den Bauch, bettete seine Arme auf Philipps Brust und legte den Kopf darauf, um den Kapitän lächelnd zu beobachten. Wann er wohl aufwachen würde? Eigentlich stand ja das Training für ihn auf den Plan. Holgers Lächeln nahm etwas unsicherere Züge an. Sollte er ihn vielleicht doch wecken?


Der Wecker riss ihn zwar aus seinen Träumen, aber Philipp wollte noch nicht aufstehen und ließ seine Augen einfach mal geschlossen. Er spürte aber, wie sich etwas auf ihm bewegte und sanft seinen Namen flüsterte.


„Phil?“, flüsterte Holger zaghaft. Normalerweise hätte er keine Probleme ihn zu wecken, aber da die Situation eben etwas neu für beide war, fühlte es sich etwas komisch an ihn zu wecken, als wäre alles ganz alltäglich.


Sofort bildete sich ein Lächeln auf seinen Lippen. „Ja?“ Philipp blinzelte etwas, bevor er seine Augen ganz öffnete und sofort in Holgers Gesicht blickte. „Guten Morgen“, wisperte er, hob träge seinen Arm und fuhr durch die Haare des Jüngeren.


Philipp schien sein Flüstern gehört zu haben und lächelte. Also war er sich seiner gestrigen Taten doch noch bewusst und freute sich über seine Anwesenheit.


Hast du gut geschlafen?“ Er selber hatte es. Irgendwie hatte Holgers Körper die ganze Nacht eine beruhigende Wirkung auf ihn gehabt. Er könnte sich wirklich daran gewöhnen, wenn er ehrlich war. Es war schön neben… oder unter Holger aufzuwachen. Zwar war es neu und ungewohnt, irgendwie war Philipp auch immer noch etwas unsicher, aber das änderte alles nichts daran, dass es wirklich schön war.


Auf die Nachfrage hin, wollte er nicken, ließ dies aber erstmal bleiben aufgrund seiner Position.

Ich hab sehr gut geschlafen“, antwortete er wahrheitsgemäß. „So gut wie schon lange nicht mehr“, fügte er flüsternd hinzu. Er war sich sicher, dass er nicht erklären musste, woran dies lag. Philipp würde es verstehen.
„Eigentlich wollte ich dich nicht wecken, weil du so schön geschlafen hast, aber das Training solltest du nicht verpassen.“ Jetzt lachte er leicht: „Sonst muss ich mir nachher noch von Pep anhören, dass ich Schuld war, weil ich auf dir gelegen habe.“ Noch vor wenigen Wochen hätte er vielleicht sogar Neid empfunden, da er neben Mario der einzige war, der nicht mittrainieren durfte. Mario... er würde morgen nach Italien aufbrechen. Was sollte er eigentlich Mario sagen? Er würde da garantiert nochmal nachhaken und hatte ein recht darauf zu erfahren, dass es ihm jetzt besser erging. Dank Philipp. Vorsichtig beugte er sich vor und gab ihm einen hauchzarten Kuss auf die etwas rauen Lippen.


Philipp lachte leicht, aber ehe er etwas sagen konnte, hatte Holger ihn schon geküsst. Ganz zart war der Kuss nur, aber Philipps Lippen prickelten danach etwas.
„Ich bin froh, dass du gut geschlafen hast“, flüsterte er, berührte beim Sprechen die Lippen des Innenverteidigers.


Holger konnte sein Glück nicht fassen, als die rauen Lippen immer wieder leicht gegen seine stupsten, als Philipp die Worte aus seinem Mund formte.


Ich glaube Jupp würde die Ausrede sogar gelten lassen, Pep womöglich nicht.“ Und die Worte meinte er sogar ernst. Jupp hätte ein Auge auf Holger gehabt und gesehen, wie schlecht es ihm gegangen war. Deswegen wäre er froh gewesen, wieder dieses süße Lächeln zu sehen. Okay, vielleicht fand er Holgers Lächeln nicht süß, aber… ach, war ja auch egal. Wobei die Frage interessant war, was er sich wohl dabei gedacht hätte.


Gut möglich“, lächelte der Innenverteidiger zustimmend. Ob Jupp das wirklich toleriert hätte, dass Philipp zu spät kam, weil Holger so gut auf ihm lag, stand in den Sternen, aber das brachte Holger leider auf etwas andere Gedanken, obwohl die Glücksgefühle dominieren sollten. Marios Abschied stand unmittelbar bevor. Nach Jupp also nun auch Mario. Diese Saison änderte so vieles. Nur eines änderte sich nicht. Seine Verletzung.


„Aber es kommen ja noch mehr Momente, wo du auf mir liegen darfst, also ist es doch sicher okay, wenn du jetzt aufstehst, oder?“ Philipp schmunzelte leicht. „Oder in fünf Minuten. Die Zeit ist noch, oder?“ Er hob seinen Kopf leicht an, damit ihre Lippen sich wieder trafen. So ein Kuss am Morgen, vertrieb doch sicher Kummer und Sorgen.


Philipp sprach von weiteren Momenten, in denen Holger auf ihm liegen durfte. Also hieß es, er durfte weiterhin bei ihm sein, oder? Er konnte sich weiterhin zu ihm hingezogen fühlen und seine Nähe suchen. Holger konnte nichts antworten, überlegte nur die ganzen Eindrücke, die nun erweckt wurden, während Philipp seine Lippen wieder einfing. Die Eindrücke schwanden prompt und wurden durch das präsente Gefühl von Zufriedenheit und Glück ersetzt. Wie unglaublich gut es tat die Lippen des Kapitäns zu spüren.
„Ein bisschen Zeit bleibt noch“, warf Holger einen flüchtigen Blick auf die Uhr, bevor er Philipp nachdenklich ansah. „Fehlt dir Jupp auch?“ Der Blonde konnte immerhin noch nicht wirklich beurteilen, wie Pep sich als Trainer machte. Ob er es je erleben durfte?

Eine interessante Frage, die Holger da aufwarf. Fehlte Jupp ihm? Es war nun mal das Geschäft, dass die Trainer wechselten und Philipp hatte in seinem Leben bisher viele unterschiedliche Trainer gehabt. Er hatte sich daran gewöhnt, dass sie kamen und gingen.
Philipp strich gedankenverloren durch Holgers Haare, schaute an ihm vorbei an die gegenüberliegende Wand.


Er war ein erstaunlicher Trainer, er hat uns eine Menge gelehrt“, sinnierte Holger überlegend und lächelte leicht. „Und er hat dich gebeten mich nach Vail zu begleiten.“ Dass er dies besonders an ihm schätzte, musste Holger nicht extra betonen. „Oder ich sollte eher sagen, gleich zweimal gebeten hat. Jupp muss gewusst haben, dass du am meisten bewirken kannst, sonst hätte er jemand anderes ausgewählt.“
Wie kam er nur darauf, dass gerade der erfolgreiche Mannschaftskapitän Holger eine große Stütze sein konnte? Philipp würde es ihm auch nicht beantworten können, was den Innenverteidiger darüber nachdenken ließ. An Zufall glaubte er seltsamerweise nicht.


Ich weiß nicht, warum Jupp mich mitgeschickt hat“, fing Philipp an. „Ich habe mich auch gefragt, warum nicht Toni, immerhin hatte er eh nicht spielen können. Aber ich hatte selber schon einen Kreuzbandriss. Aber ich glaube nicht, dass es daran liegt. Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht war es so etwas wie Intuition. Ich glaube nicht, dass es daran liegt, dass ich dich auch auf dem Feld im Griff hatte, immerhin war das auch nicht immer so.“ Schmunzelnd suchte er jetzt Holgers Blick und stahl ihm erneut einen kurzen Kuss, ehe er in den blauen Augen versank.


Holger genoss die Ruhe, die zwischen ihnen herrschte, während sie über das Thema ''Trainer'' debattierten. Er war natürlich froh, dass nicht Toni mitgeflogen war, es war richtig so, dass Philipp derjenige war, der mitgeschickt wurde.

Eigentlich war das zu der Zeit ziemlich kontraproduktiv, dass du auch einen Kreuzbandriss hattest und du danach wieder total fit wurdest“, murmelte er und erinnerte sich leider auch daran, wie er ihm das sogar vorwarf, dass er sein Problem mit der Re-Ruptur nicht im geringsten nachvollziehen konnte. Zu oft hatte Holger ihn eigentlich vor den Kopf gestoßen aus unterschiedlichen Gründen. Er war froh, dass Philipp ihm das alles verzieh und sie jetzt hier miteinander liegen konnten. Holger schmunzelte, doch es wirkte trotzdem als wäre dieser Gesichtsausdruck trauriger Natur. Wie gerne würde er sich bald wieder auf dem Feld von Philipp beruhigen lassen, aber bis dahin war noch ein langer, langer und vor allem beschwerlicher Weg.


Es war vieles kontraproduktiv“, merkte Philipp an. Und das war es wirklich gewesen. Zum Teil waren es seine Worte und zum Teil aber auch Holgers Verhalten. Doch war es jetzt eh egal. Es ist nun mal so gewesen, wie es war und ändern konnten sie nichts mehr. Vielleicht sollte aber auch alles so ablaufen. Wer wusste denn, ob sie dann heute hier liegen würden. Philipp war ja davon überzeugt, dass es nicht so wäre, wenn er nicht mitgeflogen wäre. Natürlich hätte er sich dennoch Gedanken um Holger gemacht, aber er hatte in Vail einfach so viel mehr gesehen, als er in München mitbekommen hätte. Er war auch der Überzeugung, dass er niemals diese Gefühle für ihn hätte. Oder waren sie auch schon länger da gewesen? Seit der Meisterfeier? Seit diesem einen Kuss, den niemand so ganz erklären konnte? Wer wusste das schon…

Aber es war wieder egal. Denn das alles konnte er eh nicht beantworten, da er es nie wissen wird. Und was würde ihm dieses Wissen bringen? Er würde deswegen jetzt nicht von Holger ablassen und ihn wegstoßen. Nie im Leben.


Holger sah Philipp schweigend an, als dieser nochmal bestätigte, dass es kontraproduktiv war. Nein, das sogar vieles dieser Eigenschaft entsprach. Gab es denn etwas, was nicht oberflächlich als kontraproduktiv zu betrachten war?


Aber er fehlt mir nicht richtig. Ich habe mir da auch nie drüber Gedanken gemacht. Trainer gehen halt irgendwann wieder. Man gewöhnt sich dran.“ Philipp zuckte mit den Schultern.


Philipp sah ihn an, weswegen Holger nickte. „Du hast Recht. Die Umstellung ist aber ziemlich gewöhnungsbedürftig.“ Immerhin unterschieden sich Jupp und Pep total. Zumindest von dem, was Holger schon von dem Spanier kannte. Aber nichts wofür es sich lohnte Trübsal zu blasen. Viel lieber studierte er das Gesicht des Kapitäns, der ihn so zart ansah und aufzumuntern versuchte.


Du wirst dich auch an Pep gewöhnen. Ich mag seine Denkweise. Er will das Beste aus dem Team rausholen und gibt sich mit ‚gut‘ nicht zufrieden. Er will das Beste. Er erwartet viel, aber zeigt uns auch viel. Er sucht auch immer wieder das Gespräch, um uns kennen zu lernen und uns zu verstehen. Das finde ich toll. Jupp hatte auch eine tolle Art, er war ein super Trainer. Pep ist halt anders, aber nicht schlechter.“

Dann wurde sein Blick weicher. „Du wirst unter Pep auch deine Chance bekommen. Er hält sehr viel von dir. Du kommst zurück. Mach dir da keine Sorgen, okay?“


Wieder versicherte er ihm, dass er zurückkommen würde. Holger glaubte selber mittlerweile daran, dass die Chance dazu bestünde, aber es war schwer die anderen trainieren zu sehen und selber nicht im Geringsten mitwirken zu können. „Bestimmt“, stimmte er lächelnd zu, obwohl ihm parallel dazu zwei Tränchen über die Wange kullerten. Es war doch zum Verrückt werden. Er wollte doch gar nicht weinen, er nahm sich doch fest vor optimistisch zu bleiben. Gerade jetzt, wo Philipp seine Nähe zuließ und bei ihm war. „Denk nichts falsches, ich bin immer noch der Meinung, dass ich es wieder schaffen kann“, rechtfertigte er sich für seine Tränen, ehe er sich schweren Herzens von ihm löste und aufstand.


Erschrocken sah Philipp ihn an, hob direkt die Hände und wollte sie wegwischen, doch Holger entfernte sich von ihm und stand auf. Kurz sah Philipp ihn einfach nur an, ehe er sich auch aufrappelte, sich zu ihm stellte und ihn einfach nur umarmte. „Warum weinst du denn dann?“, fragte er leise. „Ich möchte nicht, dass du mir etwas vorspielst. Bitte sag es mir, wenn es dir nicht gut geht oder dich etwas belastet, ja?“ Dafür war er doch immerhin da. Jetzt vielleicht noch mehr als vorher. Jetzt, wo sie gegenseitig wussten, dass da mehr war… sie waren nicht bloß Freunde, sie waren viel mehr als das. Aber was genau, wusste Philipp auch nicht. Ob das etwas war, was er wissen sollte? War das etwas, was wichtig war? Nicht sofort, aber mit der Zeit bestimmt.
Jetzt in diesem Moment zählte aber, dass er immer noch für Holger da war. Und das mehr als vorher. Wenn das überhaupt noch möglich war.


Holger wurde bewusst, dass das eindeutig wieder der alte Philipp war, als er ihn in seine Arme schloss. Der Philipp, in dessen Hartnäckigkeit er sich verliebte. Denn erneut gestattete er es ihm nicht sich zu verschließen, abzulenken und die Sache unausgesprochen unter den Tisch zu kehren.
Aber was wollte er hören? Er konnte nicht abstreiten, dass Pep ein Trainer mit Erfahrung war, dass er das beste aus allen herausholen wollte... eben alles, was er vom Gitter aus mitbekommen konnte. Und genau dies war für den Innenverteidiger der Punkt, der ihn belastete. Er war Zaungast, wurde sogar als solcher in den News betitelt. Er war dabei, statt mittendrin.
„Ich fühl mich einfach wie ein Fremdkörper, wenn ich euch trainieren sehe“, murmelte er, schlang die Arme um ihn und lehnte seinen Kopf an Philipps. „Es ist komisch Pep als neuen Trainer nicht selber erleben zu können, obwohl ich mir letzte Saison so sicher war.“ Und wie sicher er sich war, als er ins Lauftraining einstieg. Er wollte voll durchstarten und um seinen Stammplatz kämpfen.


Holgers Worte taten ihm weh. Wenn Philipp ehrlich war, hatte er das so noch gar nicht betrachtet. Er hatte nicht daran gedacht, wie es für den Jüngeren sein könnte. Eigentlich hätte er aber daran denken können.


Und jetzt geht auch noch Mario weg.“ Fast tonlos verließen diese Worte Holgers Lippen. Auch hier war ihm bereits klar, dass es nun einmal im Fußball so war, dass Spieler ihre Vereine wechselten, aber zu diesem Zeitpunkt erschien es Holger als ungünstig, auch wenn er wusste, dass es eine egoistische Einstellung Mario gegenüber war. Doch eines musste Holger betonen. Etwas, woran nur Philipp Anteil hatte.


Pep und das Training rückten in den Hintergrund als Holger Mario erwähnte. „Den hab ich ganz vergessen“, murmelte Philipp mehr zu sich selbst. Stimmt, der Stürmer würde gehen. Aber Holger hatte doch jetzt ihn. Vielleicht sollte er ihm das klar machen. Er konnte zu ihm kommen. Natürlich würde er Mario als Freund nicht ersetzen können, aber er war trotzdem da. Immer. Egal, was war.


Holger lächelte gutmütig. Er konnte es sehr gut verstehen, wenn Marios Wechsel in den Hintergrund gerückt war. Bei ihm war es nicht anders. Er dachte egoistisch nur an Philipp und sich und das war falsch, denn auch er sollte für Mario da sein. Oder hätte da sein sollen, anstatt ihn nur weitere Sorgen aufzulasten. Aber jetzt konnte er zumindest unbesorgt abreisen, oder? Vorausgesetzt sie würden ihm was erzählen. Wenn Philipp es nicht wollte, würde Holger den Wunsch respektieren. Wobei er vermutlich trotzdem noch enttäuscht wäre, da er sich doch eigentlich nicht für ihn nicht schämen brauchte vor Mario. Sonst durfte es niemand wissen. Homosexualität war ein zu heikles Thema im Fußball.

Aber es geht mir gut. Ich hab dich endlich wieder, es kann mir da also gar nicht schlecht gehen.“ Holger lächelte leicht und wischte unbeholfen mit dem Ärmel des Pullovers über seine Wangen, um die Tränenspur zu beseitigen. Wie viele Tränen hatte dieser eine besondere Vail-Pullover schon ertragen müssen, bevor er Philipp endlich so in die Arme schließen konnte, wie er es sich erträumte? Er war wahrlich nicht unglücklich im Moment. Aber es gab zwei Aspekte, die man trennen musste. Sein privates Glück, wenn man es so nennen mochte, und seine berufliche Zukunft. Oder stand beides unter einen ungewissen Stern? Im Prinzip war es so. Holger konnte zu beiden keine hundertprozentige Garantie geben, wohin dies alles führte.


Philipp sah Holger aus traurigen Augen an. „Doch, es kann dir trotzdem schlecht gehen“, widersprach er, lächelte sanft.


Der Innenverteidiger bemerkte den traurigen Blick auf sich ruhen und seufzte stumm. Er wollte Philipp doch nicht traurig sehen müssen. Nicht wegen ihm. Seine leisen Zweifel, die sich hin und wieder einschlichen, sollte den Kapitän nicht auch noch runterziehen.


Und es darf dir auch schlecht gehen, egal ob wegen dem Training oder wegen Mario. Aber rede nur mit mir, ja? Ich bin für dich da Holger. Ich kann Mario nicht ersetzen, aber ich kann es versuchen. Und was das Training anbelangt… du musst dem optimistisch gegenübertreten. Du darfst dich nicht aufgeben. Freu dich einfach darauf mit Pep zu trainieren. Es kann von großem Vorteil sein, wenn du ihn vorher beobachtest und verstehst, wie er es gerne hätte und was er will. Du kannst trotz allem viel lernen.“


Er freute sich darüber, wie sehr Philipp betonte, dass es ihm wichtig war, dass er mit ihm sprach. So oft hatte er es in Vail angeboten und so oft lehnte Holger es ab. Schließlich war da ja alles in Ordnung in der kleinen Scheinwelt des Innenverteidigers.


Du sollst Mario doch gar nicht ersetzen“, flüsterte er zärtlich und schüttelte leicht den Kopf. Mario und Philipp konnte man in keinster Weise vergleichen. Das einzige was sie außer der großen Leidenschaft Fußball gemeinsam hatte, war, dass sie für Holger unglaublich wichtige Personen waren, die sein Leben prägten. Außerdem gehörte Philipp nach den Küssen sowieso in eine eigene Kategorie.


Zärtlich fuhr Philipp durch die weichen Haare Holgers.


Mario und du seid beide für mich da, aber jeder auf eine andere Weise. Niemand muss für mich den anderen ersetzen“, erklärte er lächelnd, als Philipp über seinen Kopf streichelte.


Okay“, Philipp nickte, konnte die Worte aber nicht so stehen lassen. „Ich weiß, dass ich nicht Mario bin. Ich meine eher, dass ich hier für dich da sein kann. Also ich meine...“ Philipp brach ab. Er wusste selber nicht genau wie er sich erklären wollte. Er lächelte leicht und schüttelte den Kopf. „Vergiss es einfach.“ Das war immer noch am Besten.


War es wirklich etwas, was vergessen werden sollte. Holger nickte zwar, weil er nicht der Typ war nachzuhaken und Sachen neu aufzuwühlen, außer es handelte sich um dämliche Vorwürfe, die er Philipp in Vail machte und für die er sich immer noch etwas schämte das alles zu ihm gesagt zu haben. Aber er ließ es so stehen, er konnte es sich ja denken, wie Philipp es meinte, doch wieder hängte er sich an einem Wort auf, das für den Innenverteidiger fehl am Platz wirkte. ''Hier''. Was bedeutete, er konnte hier für ihn da sein? Was war mit danach...?

Die unausgesprochene Frage blieb auch weiter ungefragt. Die möglichen Antworten würde ihn doch sowieso nur verletzen, also wieso die Stimmung jetzt zunichte machen?


Du musst das Beste aus deiner Situation machen, Holger. Du kannst eh nichts ändern. Also zeig dem Schicksal, dass du dich nicht unterkriegen lässt. Du bist stark. Stärker, als du glaubst.“
Mit diesen Worten beugte er sich hoch und küsste ihn kurz, aber intensiv. Es war irgendwie immer noch ungewohnt, aber auch einfach schön.


Seine Worten schmerzten den Innenverteidiger, auch wenn der Kapitän recht hatte. Holger wusste es ja auch, dass er nichts ändern konnte und dass er es schaffen konnte, aber die präsenten Gefühle, wenn er am Gitter den anderen zusehen musste, waren noch einmal eine ganz andere Einordnung der Gefühle.
„Was macht dich so sicher?“, fragte er nach. „Warum glaubst du so sehr an mich? Hättest du das damals jedem deiner Kollegen, die du schätzt, gesagt?“ Holger interessierte diese Frage. War es lediglich sein Optimismus, der ihm versicherte, dass er wieder gesund werden würde, oder gab es da noch eine andere Einschätzung seiner Stärke?


Ähm...“, diese Frage irritierte ihn. „Ich muss zugeben, dass ich nicht weiß, was ich anderen gesagt hätte. Aber darum ging es ja auch gar nicht. Es ging um dich. Immer. Egal, was ich gesagt habe, habe ich es wegen dir gesagt. Weil ich an dich glaube. Du bist stark, ein Kämpfer. So habe ich dich damals kennengelernt und so bist du heute auch noch. Also wirst du es schaffen und wieder zurückkommen. Ganz einfach.“


Es war unglaublich, wie Philipps Optimismus anstecken konnte, denn das erneute Versichern, dass er das schaffen würde, er ein Kämpfer war und sich das nur auf ihn bezog, zauberte ein zufriedenes Lächeln in sein Gesicht. Philipp hatte doch Ahnung vom Geschäft und konnte es doch gut einschätzen, oder?

Genauso war es und nicht anders. Philipp wusste wirklich nicht, was er anderen gesagt hätte. Sicher auch positive Sachen, aber er konnte es wirklich nicht genau sagen.


Philipp beendete seine mutmachenden Worte mit einer Neuerung, die er seit gestern Abend nutzen konnte, um Holger eine Freude zu bereiten. Sanft fing er die Lippen des Jüngeren zu einem Kuss ein.

Egal, wie komisch es noch aussehen mochte, schloss Holger bereits instinktiv die Augen, als der Druck auf seine Lippen größer und intensiver wurde. Sanft stupste er mit seinen Lippen gegen Philipps und kam nicht umher in den Kuss zu lächeln. Es war immer noch so irreal...


Der Kapitän spürte das Lächeln in dem Kuss. Es war ein gutes Gefühl.



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Kommentare: 1
  • #1

    Engel (Sonntag, 11 Januar 2015 14:37)

    Die beiden sind der pure Zucker!!!
    Mir gefällt dieses vorsichtige heran tasten
    Sie überrumpeln sich nicht gegenseitig Sondern gehen ganz zart miteinander um
    Im Moment liegen sie ja ziemlich glücklich in ihrer eigenen Welt
    Ich bin allerdings sehr gespannt wie es weiter geht wenn das Trainingslager zu Ende geht
    Dann muss sich Philipp wieder mit Claudia herum schlagen
    Aber ich hoffe, dass ihr euch da noch zeit lasst
    Es ist gerade so harmonisch und schön
    Davon hätte ich gerne noch etwas mehr ;)