Kapitel 115 – Aufregend schön



Holger schloss die Tür hinter sich, nutzte die Zeit, in der Philipp noch nicht da war, um sich seine Schlafsachen anzuziehen und sich auf das Bett zu setzen. Kurz prüfte er noch seine eingegangenen SMS, beantwortete eine von Ute und legte das Smartphone dann beiseite.
Philipp folgte ihm doch, oder? Nicht, dass dieser nun unten bei den anderen saß und doch weiter spielte. Wobei ihm dann natürlich Platz 3 auf dem Treppchen sicher wäre, da ja nur drei Spieler spielten. Holger schüttelte schmunzelnd den Kopf. Er würde kein Wort über die Spielkünste verlieren, da er Philipp nicht zusätzlich reizen wollte.


Als Philipp ins Zimmer trat, sah er Holger auf dem Bett sitzen. „Hey“, direkt bildete sich ein Lächeln auf Philipps Gesicht. Er schloss die Tür ab, ehe er zu ihm ging und sich neben ihn setzte. Irgendwie fühlte er sich gerade als wäre er schüchtern, es war wieder irgendwie komisch, weil es einfach noch keine Routine geworden war zwischen ihnen. Und doch legte sich seine Hand wie selbstverständlich auf Holgers Oberschenkel.


Holger hatte ein anderes Verhalten erwarten. Eine gereiztere Laune, aber dem war nicht so. Ruhig und besonnen setzte sich Philipp neben Holger und zauberte sofort ein Lächeln auf sein Gesicht, als er den leichten Druck auf seinem Oberschenkel spürte. Sein Blick hob sich, sah den Kapitän zart lächelnd an und fühlte, dass es noch etwas seltsam war. Es war einfach neu, aber es war toll so. Holger mochte das langsame aneinander herantasten, selbst, wenn sie vielleicht nicht so viel Zeit miteinander hatten, wie der Jüngere es sich wünschen würde.


Danke“, flüsterte Philipp. Begründen oder erläutern musste er das nicht. Holger würde es auch so verstehen.


Instinktiv legte er seine Hand auf Philipps, schüttelte leicht den Kopf, als Zeichen, dass Dank nicht nötig war. Wieviel er schon für ihn getan hatte, war es an der Zeit sich in irgendeiner Weise zu revanchieren. Und wenn es nur das Retten aus der peinlichen Zockermisere war. Holger fragte sich, ob es richtig wäre, anzubieten, dass sie gemeinsam nach Trentino üben könnten, aber es war im Moment gut so wie es war. Das Schweigen, die Stille, das bloße Spüren der Anwesenheit des anderen genügte völlig.


Die Hand auf seiner zog kurz seine Aufmerksamkeit auf sich. Aber dann sah Philipp ihn wieder an. Er versank in diesen wunderschönen blauen Augen und ihm kamen seine Gedanken von eben in den Sinn.

Weißt du was?“, wisperte er und grinste leicht. „Ich habe Basti und Thommy versichert, dass wir nichts tun, was sie nicht auch tun würden. Aber ich habe nicht vor mich daran zu halten.“ Er hob seine freie Hand, legte sie an Holgers Wange und fuhr leicht die Konturen seiner rauen Lippen nach. „Oder was meinst du?“


Aus Reflex beobachtete Holger die Hand, die an seine Wange gelegt wurde. Er spürte die Wärme an genau dieser Stelle, an der Philipps Haut seine berührte.
Schüchtern lächelte er Philipp an, wandte den Blick hin und wieder eher nach unten, während er versuchte selbstbewusst in die schönen Augen des Kapitäns zu sehen. Er war gerade unsicher, was genau er meinte. Küssen oder sogar noch mehr?


Es war irgendwie süß mit anzusehen, wie Holger sich regelrecht schüchtern ihm gegenüber verhielt. Das passte gar nicht zu ihm und es war seltsam zu wissen, dass er der Auslöser dafür war. Er alleine.


„Wer weiß was diese zwei Experten da unten noch treiben“, schmunzelte Holger, nahm seinen Mut zusammen und drückte Philipp seine Lippen auf.


Philipps Augen schlossen sich wie von selbst als er Holgers Lippen auf seinen spürte. Er zögerte nicht damit, diesen Kuss zu erwidern. Da gab es keine Zweifel seinerseits. Nicht mal Ansatzweise.


Holgers Hand legte er in den Nacken des Älteren, kraulte ihn dort sanft. Holger hätte noch vieles sagen können, als er den Kuss wieder löste. Dass er es mochte von ihm geküsst zu werden und wiederum ihn leidenschaftlich zu küssen. Aber die Skepsis war da. Holger wollte den Kapitän nicht mit seinen Gefühlen verschrecken, deshalb hielt er sich bewusst zurück ihm ein ''ich liebe dich'' zu widmen. Obwohl genau diese Worte seinen Gefühlen entsprachen. Er hatte sich in Philipp verliebt. So richtig.


Und erst recht gab es keine Zweifel für Philipp, als er noch die Hand in seinem Nacken fühlte, die ihn sogar leise seufzen ließ. Das war wirklich einfach nur schön. Aber Holger löste den Kuss viel zu schnell wieder. Der Kapitän lächelte ihn an, fuhr mit der Hand, die eben noch auf seiner Wange gelegen hatte, durch seine hellen Haare. „Weißt du, mir ist es egal, was die da unten machen.“ Seine Stimme war ganz leise als er bewusst den Augenkontakt suchte. Es stellte sich ihm die Frage, ob Holger das wohl so wollte, oder ob er ihn überforderte mit seinem Tun. Aber war der Jüngere nicht der, mit den stärkeren Gefühlen? Da würde er es sicher auch wollen, oder? Er tastete sich vorsichtig heran.


Holger war glücklich mit den Gefühlen zu Philipp. Es gab Zeiten, da hatte er sie verflucht und sich dafür gehasst, dass er sie nicht einfach abschalten konnte, aber jetzt war er unsagbar froh, dass sie da waren und sich trotz all der Rückschläge nicht deaktivieren ließen.
Ohne diese Gefühle wäre es ihm nicht möglich Trentino in vollen Zügen zu genießen und sich rund um wohl zu fühlen.


Mir ist es gerade wichtig, was wir machen und wenn es nach mir geht, dann hören wir gar nicht mehr auf uns zu küssen.“ Beinahe verlegen grinste Philipp Holger an. Nie im Leben hätte er vor einigen Tagen oder Wochen gedacht jemals solche Worte zu ihm zu sagen. Und jetzt würde er nichts anderes zu ihm sagen wollen. Es war doch verrückt, was Gefühle in einem auslösen konnten.


Sein Herz schlug aufgeregt bei Philipps Worten, auf die er nichts zu erwidern wusste. Sie bedeuteten ihm so viel. Das klang so schön, dass er mit dem Küssen nicht aufhören wollte. Am besten sollte er das Streicheln durch die Haare auch niemals wieder sein lassen. Womöglich wusste Philipp selber gar nicht, wie gut er ihm tat und wie dankbar Holger ihm für alles war. Damals war ihm auch der Gedanke gekommen, ob er das Verliebtsein mit Dankbarkeit verwechselt hatte, aber dem war nicht so. Ganz und gar nicht. Dieses tiefe, starke Gefühl, das ständig präsent war, selbst wenn Philipp so weit weg war, hatte ihm deutlich klar gemacht, dass das Liebe war. Eben jenes zerriss ihn auch, als sie sich gestritten hatten und er den Älteren nicht enttäuschen wollte.

Holger rutschte zurück – natürlich vorsichtig wegen seinem Knie, legte seine Hand um Philipps Handgelenk und zog ihn leicht mit sich. „Machen wir es uns gemütlich... und dann müssen wir auch nicht mehr aufhören uns zu küssen“, flüsterte er mit einem lieben Lächeln.


Gemütlich klingt gut“, fand Philipp und nickte lächelnd. Allerdings löste er sich von Holger. „Ich verschwinde aber erst noch mal im Bad und ziehe mich um.“ Dann müsste er auch gar nicht mehr aufstehen und das klang in seinen Ohren sehr verlockend.


Holger nutzte die Zeit, in der Philipp im Badezimmer verschwand, um sich die Decke über die Beine zu ziehen und es sich bequem zu machen.


Der Kapitän ging also ins Bad, verrichtete dort alles, was man so tun konnte und kam dann wieder heraus. Er zog die Gardinen zu, ehe er begann sich auszuziehen.

Den Rücken hatte er mehr zufällig Holger zugewandt.


Immer wieder hatte er abwartend zur Badezimmertür gesehen und guckte abrupt weg, als sie sich öffnete.

Das Zuziehen der Vorhänge schenkte dem Raum eine angenehme Dunkelheit, die sich auf Philipps Körper legte. Für Holger blieb nur freie Sicht auf den Rücken, während er sich auszog, bemerkte aber das Shirt, das er wohl anziehen wollte, auf dem Bett. Also musste er sich umdrehen und der Innenverteidiger wegsehen. Zumindest hatte er das vor, ob er es konnte, war nun die präsente Frage. Durfte er ihn denn ansehen und mustern, wenn er nur Shorts trug? Holger war sich in diesem Fall unglaublich unsicher. Er jedenfalls mochte es, wenn Philipp ihn studierte, aber fühlte sich auch ein wenig unwohl, weil er glaubte, er könnte ihm dann nicht mehr gefallen, weil er ein Mann war. Und Philipp stand ja normalerweise nicht auf Männer. Holger auch nicht, aber der Kapitän bildete da die komplette Ausnahme.


Irgendwie fragte Philipp sich, ob er ihn wohl beobachtete. Vor allem fiel ihm etwas auf. Während Philipp so aus seinen Shorts schlüpfte, merkte er, dass sein Schlafshirt auf dem Bett lag. Theoretisch müsste er sich also bis auf die Shorts ausziehen und sich dann zu Holger drehen, um sich wieder anzuziehen.


Holger genoss aber auch den Anblick dieses starken Rückens, die schlanke Silhouette seines Körpers und die muskulösen Beine, an denen er durch die Dunkelheit im Zimmer nur Schatten statt Härchen erkennen konnte.


War es albern, dass Philipp sich da gerade so große Gedanken drüber machte? Sie hatten sich ja oft genug nackt oder auch nur oben ohne gesehen in der Kabine. Und doch war es jetzt anders. Aber Philipp wollte nicht verklemmt, nervös oder sonst was wirken.Also zog er sich wirklich bis auf die Shorts aus und drehte sich dann um.


Als Philipp sich umdrehte, wandte Holger ruckartig den Blick auf die Bettdecke, wollte ihn nicht bedrängen, wie damals im Pool. Und auch im Zimmer, als er sich nicht länger beherrschen konnte. Wie sollte das denn werden, wenn Philipp ihn streichelte und nahe bei ihm war? Hoffentlich hatte er sich wenigstens dann besser unter Kontrolle.


Philipp griff nach seinem Shirt, wobei ihm wieder etwas auffiel. Er hatte ja gestern ein anderes genommen und in der Nacht davor hatte er das aus Vail an mit dem Kaffee. Lag das jetzt unter einem der Kissen, oder wo war das hingekommen? Vielleicht hatte Holger es sich auch wieder genommen. Philipp lächelte leicht. Er wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen und fragte deswegen nicht. Er bemerkte aber auch, dass Holger starr auf die Bettdecke schaute als er sich umdrehte, aber er sagte nichts. Er wusste nicht was und abgesehen davon erschien ihm eh alles nicht richtig. Er zog sich lediglich das Shirt über und krabbelte dann ins Bett zu Holger.


Die Matratze senkte sich und in seinem Blick tauchten Philipps Beine auf, was Holger aufsehen ließ.


Philipp hatte noch die kniende Haltung, als er sich vorbeugte und sich einen Kuss ergaunerte. Er konnte aber einfach auch nicht anders. Er musste ihn jetzt erst küssen.


Zärtlich erwiderte Holger diesen unerwarteten Kuss und griff instinktiv an das Shirt des Älteren, um ihn zu sich aufs Bett zu ziehen.


Philipp spürte, wie Holger an dem Shirt zog und kam ihm direkt ein Stück näher. Er mochte diese neue Art zwischen ihnen immer mehr.


Erst im nächsten Moment fiel dem Innenverteidiger auf, dass das auch missverstanden werden könnte. Aber das war nicht das einzige, was er bemerkte. Er trug nicht das Kaffee-Shirt. Lag das noch im Badezimmer herum? Philipp hatte es seines Wissens nach dort abgelegt, als er sich umgezogen hatte für das Training. Er würde am nächsten Morgen mal danach sehen, denn er durfte es doch weiterhin behalten, oder?
Zögerlich ließ er das Hemd wieder los. „Leg dich zu mir“, bat er.


Philipperwiderte nichts, lächelte bloß und ließ Taten folgen. Er war so frei und kuschelte sich direkt an ihn. Einen Arm legt er um seinen Bauch, ließ die Hand an der Seite liegen und sah ihn an.


Holgers Wunsch wurde erfüllt. Philipp legte sich zu ihm, kuschelte sich direkt an ihn und zeigte ihm so, dass er auch den Körperkontakt zu dem Jüngeren haben wollte. Dieser wiederum folgte mit seinem Blick der Hand zwischen seiner Seite und seinem Bauch, die er rastend dort ablegt hatte.


Sanft küsste Philipp seine Wange. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Aber brauchte es denn gerade überhaupt irgendwelche Worte? Was sollte er ihm auch sagen? Dass es komisch war hier mit ihm zu liegen? Aber nicht negativ komisch, sondern aufregend schön? Denn das war es wirklich. Ungewohnt und neu, aber total schön und regelrecht beruhigend.


Es fühlte sich schön an, wie der Kapitän ihn mit seinem Arm umschloss und seine Wange mit Küssen verwöhnte.
Holger legte seine Hand auf Philipps Arm, streichelte kaum merklich mit den Fingern über die warme Haut.
Es ärgerte ihn, dass die Müdigkeit ihn überfiel und er Mühe hatte seine Augen offen zu halten. Dadurch, dass sie beide schwiegen und Holger nur den Geräuschen lauschte, die sich ergaben, als Philipps Lippen auf seiner Haut landeten, war sein Körper zur Ruhe gekommen und die Schläfrigkeit ergriff von ihm Besitz. Langsam aber sicher ließ seine Körperspannung nach und sein Kopf neigte sich in Philipps Richtung, als sich seine Augen schlossen. Er wollte noch gute Nacht sagen, oder viel eher diese ganze Atmosphäre mit ihm genießen, aber er konnte es nicht mehr. Viel zu müde war er geworden.


Also das war doch jetzt… Philipp konnte das nicht so ganz glauben. Hatte er nicht eben noch gesagt, er wollte gerne hier liegen und ihn küssen? Und jetzt? Jetzt schlief Holger einfach ein. Es war ja nicht so, dass er nicht süß aussah dabei, er sah sogar richtig süß aus, aber Philipp hatte sich das einfach anders vorgestellt. Vor allem war er noch ziemlich wach. Stumm seufzte er. Super.
Mehr zufällig ließ er seinen Blick über Holgers Gesicht wandern. Aber es fesselte ihn. Er studierte die Augenbrauen, die langen, dunklen Wimpern, die Haut, die so viel reiner war als noch vor einigen Jahren, die rauen Lippen, die er inzwischen so gerne mit seinen berührte… er studierte einfach jeden Zentimeter, der sich ihm bot. Lange hatte er niemanden mehr so intensiv gemustert und dabei keine Langweile empfunden. Im Gegenteil, er fand es toll ihn so zu beobachten. Vor allem hatte er jetzt die Gelegenheit dazu, da Holger seelenruhig schlief.
„Na ja“, murmelte er leise und strich durch seine Haare, „besser du schläfst, als dass du dich wach durch die Nacht quälst.“ Dann küsste er ganz leicht seine Stirn, damit er ja nicht wach wurde.
Philipp ließ aber von ihm ab und drehte ihm den Rücken zu. Da bei ihm immer noch nicht an Schlaf zu denken war, griff er sein Handy und durchstöberte einige Seiten im Internet. Er las auch E-Mails und andere Nachrichten. Einige beantwortete er auch, ehe auch seine Augen sich schlossen und er ins Reich der Träume abdriftete.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0