Kapitel 112 – Die drei Musketiere



Holger nahm es hin, dass Philipp bei den anderen blieb und wollte sich schon abwenden, als er der Hand auf seiner Schulter Beachtung schenkte. Erst lächelte er die Hand, dann den Kapitän zufrieden an, anschließend bewegte sich der Ältere auch schon auf die anderen zu. Holger sah ihm noch kurz nach, betrachtete ihn sogar noch etwas, bevor er durch das Hotel stiefelte und Ausschau nach Mario hielt. Nachdem er ihn in seinem Zimmer nicht gefunden hatte, ging er alle Gemeinschafts- und Aufenthaltsräume ab, aber jede Spur fehlte von dem Stürmer. Auch Basti konnte er nicht finden, weswegen er die Vermutung hatte, dass sie wohl irgendwo gemeinsam rumhingen. Seufzend schlenderte er den Gang entlang, schaute zwischendurch auf sein Handy und richtete durch die hereinfallenden Sonnenstrahlen den Blick hinaus auf das große Trainingsgelände. Er konnte einen Ball erkennen, der anscheinend wieder auf dem Rasen landete, und grinste. Vielleicht hatte er Glück und er würde Basti und Mario treffen. Schnellen Schrittes – soweit ihm das möglich war – begab er sich über die kleine Straße zu dem riesigen Trainingsgelände und entdeckte tatsächlich die beiden gesuchten Personen, wie sie munter einen Ball herum kickten. Obwohl er sich freute sie gefunden zu haben, schwand das Lächeln langsam aus seinem Gesicht. Wie gerne würde er jetzt auch ganz unbeschwert mit dem runden Leder hantieren und herum albern. Holger drehte den beiden den Rücken zu und wollte wieder ins Hotel gehen, doch sie schienen ihn entdeckt zu haben.


„Holger! Warte mal!“ Basti rannte auf ihn zu, legte einen Arm um seine Schulter und zog ihn herum.


Hau doch nicht gleich wieder ab, oder sehen wir so abgehetzt aus?“, lachte er.


Entweder Basti war ein hervorragender Schauspieler geworden, oder er störte sich wirklich nicht mehr daran nichts gesagt zu bekommen.


„Wir genießen noch das letzte Mal hier rumzukicken und alte Zeiten aufleben zu lassen“, erklärte Mario lächelnd. Doch es wirkte nicht ansatzweise so glücklich, wie es scheinen sollte. „Ich vermiss euch beide jetzt schon“, gestand der Stürmer.


Wie würde David jetzt sagen? In Florenz gibt’s keine, die auch nur ansatzweise so deppert san, wie wir“, warf Basti schmunzelnd ein, nahm den Arm von Holger und ließ sich ins Gras fallen.


Der Jüngste und Mario taten es ihm gleich. Alle drei schwiegen andächtig und blinzelten in die Sonne, genossen die letzten Momente, in denen sie noch zu einer Mannschaft gehörten.



Eigentlich dachte Philipp er würde Holger beim Abendessen wieder sehen, aber als er mit den anderen den Speisesaal betrat, war er noch nicht da. Sicher hatte er Mario gefunden.
Irgendwie kam ihm die Frage auf, was die anderen wohl sagen würden, wenn sie wüssten, dass Holger und er sich ab sofort küssten und mehr für einander empfanden. War es das Problem, dass die Jungs sie für schwul halten würden? Oder war mehr das Problem, dass es zwei aus demselben Team waren. Wobei Philipp ja nicht schwul war. Wenn er sich sein Team so anguckte, waren da zwar welche, wo er aus Männersicht sagte, dass sie gut aussahen, aber er stand auf keinen einzigen von ihnen. Nur auf Holger. Generell hatte er nie gedacht, dass ein Mann heiß für ihn war. Das war komisch, wenn er so darüber nachdachte. Aber eigentlich auch egal. Genau wie die Frage, was ihre Kollegen sagen würden. Sie würden es nie erfahren. Niemals.
Philipp schnappte sich also ein Tablett, holte sich etwas zu essen und setzte sich zu Arjen, der bisher alleine an einem Tisch saß.



Basti, Mario und Holger verpassten das Abendessen. Sie schwelgten in Erinnerungen, riefen sich die Meisterfeiern ins Gedächtnis, wie sie zu Dritt an einem Tisch gesessen hatten und ausgelassen feierten. So schön würde es nicht mehr werden können, nicht wenn einer von ihnen fehlte.


„Ihr werdet ja hoffentlich für mich mitfeiern“, schmunzelte der Stürmer und blinzelte die beiden belustigt an.


„Wenn wirs nicht schaffen, holen wir uns einfach Verstärkung“, gab Holger zurück, dachte dabei sofort an Philipp, verschluckte sich aber schlagartig, als Basti eben jenen aussprach.


Holger drehte den Kopf etwas zur Seite. Warum kam er denn jetzt auf den Kapitän? Es gab da doch noch Manu, oder Jerome, mit denen sie sich gut verstanden. Daraus wurde Holger nun wirklich nicht schlau. Ratlos sah er zu Mario, der aber arglos abwinkte.


Als ob Pippo mit mir mithalten könnte.“


„Ach, der kann auch feiern, aber ja, vermutlich wäre Thomas die bessere Wahl“, lachte Basti.


Holger konnte erleichtert aufatmen. Dachte er doch schon wieder daran, dass der Vize ihm auf die Schliche gekommen war.


„Übrigens Holger,“, fing der Ältere an, „tut mir nochmal Leid wegen der Sache beim Pool. Ich hätte nachdenken sollen, was passieren kann.“


„Ging ja nochmal gut“, lächelte Holger. Dadurch konnte er wenigstens offen mit Philipp über seine Ängste reden, also hatte es einen guten Zweck erfüllt.


Mario schenkte den beiden einen erleichternden Blick, dass sie sich aussöhnten. Zumindest was die Poolgeschichte anging. Das andere schien Basti gekonnt zu verdrängen.


„Du musst dafür sorgen, dass Florenz Champions League spielen kann, Holger und ich wollen gegen dich spielen.“


„Ich schau mal, was sich machen lässt“, witzelte der Stürmer, wohlwissend, dass Fußball Mannschaftssport war. Und das bedeutete wiederum, dass er alleine nicht dafür sorgen konnte. Dennoch hoffte er es, wollte selber einmal gegen Basti und auf jeden Fall auch Holger im direkten Vergleich zusammen treffen.


„Du hältst dich dann aber mit deinen wüsten Beschimpfungen zurück, okay?“, tadelte Mario den Jüngsten im Bunde spöttelnd.


Noch vor wenigen Wochen wäre er bei so einer Äußerung wohl aufgestanden und hätte die beiden alleine witzeln lassen, aber jetzt, wo er der Zukunft etwas optimistischer entgegen blickte, konnte er nur nicken und Mario leicht anlächelte.


Es fiel nicht nur Philipp auf, dass ausgerechnet ihre drei Musketiere fehlten, aber jeder konnte sich denken, warum das so war. Er sagte auch nichts, freute sich eher für Holger, dass wohl alles wieder gut war mit Bastian. War es doch, oder? Er sollte da endlich mal nachfragen.

Nach dem Essen hielt sich der Kapitän mit den anderen noch etwas in der Lobby auf, ehe er hoch aufs Zimmer gehen wollte. Aber irgendwie klappte das nicht so ganz, denn die anderen animierten ihn dazu eine Runde zu kickern, immerhin hatte er vor dem Essen nicht mitgespielt. Philipp war dann auch dabei und kickerte eine Runde, zwei Runden, schaute eine Runde zu, spielte im Team… es hörte gar nicht mehr auf, aber er hatte auch riesen Spaß. Und so kam es, dass die Zeit immer weiter verstrich.



Der Himmel verdüsterte sich bereits, als sich die drei entschlossen sich zurück ins Hotel zu begeben. Es war die letzte Nacht für Mario, es war gut so, dass sie den Abend zu dritt verbrachten. Philipp hatte schon Recht, dass er die wenige verbliebene Zeit nutzen sollte. Mit einem zufriedenen Lächeln zückte er den Zimmerschlüssel und sperrte den Raum auf, gespannt darauf, ob der Kapitän schon zurückgekehrt war. Oder verbrachte er den Abend auch anderweitig?


Holger fand ein leeres Zimmer vor, hoffte aber, dass Philipp auch bald eintrudeln würde. Derweil zog er sich bequemere Kleidung an, setzte sich aufs Bett und hatte seinen Laptop auf seine Beine genommen. Stunde um Stunde verging und Holgers Lider wurden sichtbar schwerer, aber er wollte wachbleiben. Wollte bewusst Philipps Nähe genießen und nicht schlafend neben ihm liegen. Wer wusste schon, wann es nach Trentino wieder so sein würde. Ob es je wieder so sein konnte, dass sie gemeinsam in einem Bett übernachteten? Holger klappte den Laptop zu, legte ihn auf den Nachttisch und ersetzte ihn durch sein Smartphone. Er entschloss sich Fifa auf dem Handy zu zocken und legte sich ein Kissen hinter den Rücken, damit er sich gemütlich anlehnen konnte. Fifa war ein schöner Zeitvertreib, der ihn auch hoffentlich wachhalten würde.
Ein letztes Mal fiel sein Blick auf die Uhr, als er mit seiner gewählten Mannschaft ein Tor erzielte. Danach war um etwa halb zwölf nicht mehr daran zu denken, wach zu bleiben. Trotz des gestarteten Spiels, das immer noch auf dem Handybildschirm flackerte, zogen sich seine Augenlider müde über die Augen und auch seine Hände glitten Richtung Matratze, sodass dass Smartphone irgendwo neben ihm landete. Die Gegner knallten nun ein Tor nach dem anderen hinein, aber das alles bekam Holger schon nicht mehr mit. Deutlich tiefer hatte er sich in die Kissen sinken lassen, neigte den Kopf zur Seite und ließ sich auch nicht durch die Geräuschkulisse, die aus seinen Handylautsprechern polterte, stören. Womöglich war aber das der Grund, warum er irgendetwas unmissverständliches vor sich hin murmelte, da sein Schlaf noch nicht fest genug war, um alles komplett auszublenden. Immer wieder sagte er etwas, ob es mit Fußball, mit Philipp oder anderen Dingen zu tun hatte, konnte man nicht verstehen.


Es war fast Mitternacht als Philipp durchgriff und die Runde auflöste. Am nächsten Morgen mussten sie immerhin um halb Neun beim Frühstück sein. Begeistert war zwar niemand, aber sahen ein, dass ihr Kapitän recht hatte. Der hoffte jetzt, dass Holger inzwischen wieder aufgetaucht war. Weder er, noch Bastian oder Mario waren aufgetaucht.
Philipp schloss leise die Tür auf, immerhin könnte der Innenverteidiger auch schon schlafen. Und genau dem war wohl so. Er lag im Bett. Neben ihm flimmerte etwas und er hörte leise Laute. War er doch wach?
„Holger?“, fragte er zaghaft, schloss leise die Tür und drehte auch den Schlüssel um. Sicher war sicher. Dann tapste er ins Zimmer. Ganz leise näherte er sich dem Bett und konnte erkennen, dass Holger wohl wirklich schlief. Was lief denn da auf seinem Handy? Egal, der griff danach, beendete das Spiel und schloss es an das Ladekabel an. Anschließend schlüpfte er aus seinen Klamotten. Wo war denn das Shirt aus Vail? Er konnte es gar nicht sehen und holte sich einfach ein neues aus dem Schrank, ehe er zu Holger ins Bett krabbelte. Ruhig lag er da und betrachtete ihn eine Weile einfach, nachdem seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen und er schüttelte leicht den Kopf. Was hatte dieser Kerl nur mit ihm gemacht? Es war unbegreiflich für ihn, aber es war toll. Er mochte dieses Gefühl, wenn er an ihn dachte oder ihn wie jetzt einfach ansah. Philipp hoffte, dass es so schnell nicht verschwinden würde. Zwar kollidierte es etwas mit der Tatsache, dass er verheiratet war, aber… war halt nicht zu ändern.
Ohne wirklich zu merken, was er da tat, hob Philipp seine Hand und fuhr sanft durch Holgers Haare. Dann rutschte er noch näher. Sein Herz klopfte etwas schneller, aber auch das nahm er gar nicht richtig wahr. Seine Gedanken kreisten einzig und allein darum, dass er ihm nah sein wollte. Und genau das setzte er jetzt auch um, indem er ganz nah an ihn rutsche, unter seinen Arm krabbelte und seinen Kopf an Holgers Brust lehnte. Ruhig atmete er den Duft des Jüngeren ein. Er war regelrecht betörend. So würde er sicher gut schlafen können.


Holger spürte eine Wärmequelle neben sich, aber er war zu müde, um darauf zu reagieren. Es fühlte sich gut an, weswegen ihm sogar im schlafenden Zustand klar sein musste, wer sich da gerade an ihn gekuschelt hatte. Dadurch zogen sich seine Mundwinkel leicht nach oben, zeigten einen Ausdruck der Freude, dass es schon selbstverständlich war, dass sie sich zum Schlafen zusammen kuscheln würden.


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Kommentare: 3
  • #1

    Mailiw (Freitag, 13 Februar 2015 20:55)

    Hihihihi!
    Aber das war ein super süßes Kapitel! Freut mich das die drei etwas miteinander gemacht haben
    hat mich selbst an mich und alte Bekannte erinnert dieses auf dem Platz liegen un din den Himmel
    starren ^^
    Aber das mit dem Fifa, Handy und sich ankuscheln war genauso süüß :)

    Mailiw

  • #2

    Julia - 28 (Freitag, 13 Februar 2015 23:43)

    Hallo :)
    So schade das der Mario geht und somit eine lang anhaltende Freundschaft so ein wenig verblasst...
    aber es tut gut zu sehen das sich Holger und Basti wieder besser verstehen und das er seine Entschuldigung angenommen hat.
    Das Philipp die drei inruhe gelassen hat finde ich gut da konnten sie wenigstens ihren letzten Abend gemeinsam verbringen :)

    Lg Julia :)

  • #3

    Engel (Sonntag, 15 Februar 2015 22:45)

    Hey
    Ich liebe das Kapitel
    Ich bin eh so ein kuschelsüchtel und kann nie genug davon bekommen
    Philipps Gedanken waren ja schon humorvoll
    Es kollidiert mit der Tatsache, dass er verheiratet ist, aber bin mal nicht zu ändern...
    Tiefenentspannt unser Kapitän ^^